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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Die Mac Ninley-Bill

oder, da dies nicht angeht, seiue Erzeugung muß verhindert Zierden. Es
kommt dazu, daß derselbe Vorgang neben dein Handel, mit Weizen sich auch
bei andern Artikeln zu wiederholen droht. Wenn die Kohlenproduktivn der
Nordvststaaten weiterhin so steigt, wie es in der letzten Periode der Fall war,
wird anch hier die Ausfuhr zur Notwendigkeit werden. Auch sie aber wird
weniger dnrch die europäische Konkurrenz, als vielmehr durch die Höhe der
Lohne innerhalb der Union rasch eine Grenze finden; dann wird auch ans
diesem Gebiete der Rückschlag eintreten. Schon liest man übrigens in den
Zeitungen, daß die ersten großen Transporte amerikanischer bituminöser und
Anthrazit-Kohlen nach England verfrachtet sind.

Der Weizen, der von der amerikanischen Bevölkerung nicht gegessen, und
die Kohle, die von den amerikanischen Haushalten, Fabriken und Eisenbahnen
nicht verbrannt werden kann, wird nur dann verschwinden, wenn der Acker-
bauer weniger und der Industriellen mehr geworden sei" werden. Wenn sich
das Kapital, das jetzt die unnützen Getreidemengen hervorbringt, ans die In¬
dustrie werfen wird, so wird weniger Weizen wachsen, dagegen werden mehr
Fabrikarbeiter Brot verlangen. Dadurch wird wiederum das Brot im Preise
steigen, der Überschuß wird exportfähig werden, und die Industrie wird in die
Höhe kommen. Daß die nordamerikanische Industrie völlig einseitig entwickelt
ist, lehrt schon ein Blick ans die Liste der eingeführten Artikel. Lief Doch vor
kurzem eine Mitteilung dnrch die Blätter, wonach ein nicht unbedeutender Zweig
der chemischen Industrie in deu gnuzen Vereinigten Staaten nur durch zweiFabriken
vertreten wäre! Eine solche Industrie ist abhängig von Auslande, sie kann niemals
auf eignen Füßen stehen, und sie erscheint vollends für die Ausfuhr nicht geeignet.

Also Industrie und,Ackerbau der Union sind, jedes in seiner Art, schief
entwickelt, der Ackerbau zu weit, die Industrie zu eng. Die hier notwendige
Ausgleichung herbeizuführen, das ist die Aufgabe der Mac Kinley-Bill. Ob sich
die, die das Gesetz durchgedacht haben, dieser volkswirtschaftlichen Aufgabe des
Gesetzes bewußt gewesen sind, ist völlig gleichgiltig; ob etwa eine Anzahl
industrieller Monopolisten sich daraus eine weitere Stärkung ihrer Stellung ans
Kosten andrer verspricht, thut nichts zur Sache; ob eine politische Partei in
der Bill ihren Triumph erblickt, hat nichts zu sagen. Die Wirkung des
Gesetzes wird deshalb doch im großen und ganzen dieselbe bleiben.

Man wird dagegen einwerfen, daß die Vereinigten Staaten von Anbeginn
ihrer Selbständigkeit einer mehr oder weniger extremen Schutzzollpolitik ge¬
huldigt habe"; wenn also Schutzzölle einen derartigen Ausschlag bewirken
könnten, warum sei er nicht längst eingetreten? warum sei statt dessen gerade
unter der Treibhaustemperntur des Schutzzolls die einseitig verwachsene Pflanze
entstanden, die nur jetzt vor uns sehen? Dieser Einwurf ist nicht stichhaltig.
Die "ordamerikmiische Union hat fich allerdings zu Anfang dnrch Schutzzölle
vor der dnrch das freihändlerische England versuchten Monopolisirung ihres


Die Mac Ninley-Bill

oder, da dies nicht angeht, seiue Erzeugung muß verhindert Zierden. Es
kommt dazu, daß derselbe Vorgang neben dein Handel, mit Weizen sich auch
bei andern Artikeln zu wiederholen droht. Wenn die Kohlenproduktivn der
Nordvststaaten weiterhin so steigt, wie es in der letzten Periode der Fall war,
wird anch hier die Ausfuhr zur Notwendigkeit werden. Auch sie aber wird
weniger dnrch die europäische Konkurrenz, als vielmehr durch die Höhe der
Lohne innerhalb der Union rasch eine Grenze finden; dann wird auch ans
diesem Gebiete der Rückschlag eintreten. Schon liest man übrigens in den
Zeitungen, daß die ersten großen Transporte amerikanischer bituminöser und
Anthrazit-Kohlen nach England verfrachtet sind.

Der Weizen, der von der amerikanischen Bevölkerung nicht gegessen, und
die Kohle, die von den amerikanischen Haushalten, Fabriken und Eisenbahnen
nicht verbrannt werden kann, wird nur dann verschwinden, wenn der Acker-
bauer weniger und der Industriellen mehr geworden sei» werden. Wenn sich
das Kapital, das jetzt die unnützen Getreidemengen hervorbringt, ans die In¬
dustrie werfen wird, so wird weniger Weizen wachsen, dagegen werden mehr
Fabrikarbeiter Brot verlangen. Dadurch wird wiederum das Brot im Preise
steigen, der Überschuß wird exportfähig werden, und die Industrie wird in die
Höhe kommen. Daß die nordamerikanische Industrie völlig einseitig entwickelt
ist, lehrt schon ein Blick ans die Liste der eingeführten Artikel. Lief Doch vor
kurzem eine Mitteilung dnrch die Blätter, wonach ein nicht unbedeutender Zweig
der chemischen Industrie in deu gnuzen Vereinigten Staaten nur durch zweiFabriken
vertreten wäre! Eine solche Industrie ist abhängig von Auslande, sie kann niemals
auf eignen Füßen stehen, und sie erscheint vollends für die Ausfuhr nicht geeignet.

Also Industrie und,Ackerbau der Union sind, jedes in seiner Art, schief
entwickelt, der Ackerbau zu weit, die Industrie zu eng. Die hier notwendige
Ausgleichung herbeizuführen, das ist die Aufgabe der Mac Kinley-Bill. Ob sich
die, die das Gesetz durchgedacht haben, dieser volkswirtschaftlichen Aufgabe des
Gesetzes bewußt gewesen sind, ist völlig gleichgiltig; ob etwa eine Anzahl
industrieller Monopolisten sich daraus eine weitere Stärkung ihrer Stellung ans
Kosten andrer verspricht, thut nichts zur Sache; ob eine politische Partei in
der Bill ihren Triumph erblickt, hat nichts zu sagen. Die Wirkung des
Gesetzes wird deshalb doch im großen und ganzen dieselbe bleiben.

Man wird dagegen einwerfen, daß die Vereinigten Staaten von Anbeginn
ihrer Selbständigkeit einer mehr oder weniger extremen Schutzzollpolitik ge¬
huldigt habe»; wenn also Schutzzölle einen derartigen Ausschlag bewirken
könnten, warum sei er nicht längst eingetreten? warum sei statt dessen gerade
unter der Treibhaustemperntur des Schutzzolls die einseitig verwachsene Pflanze
entstanden, die nur jetzt vor uns sehen? Dieser Einwurf ist nicht stichhaltig.
Die »ordamerikmiische Union hat fich allerdings zu Anfang dnrch Schutzzölle
vor der dnrch das freihändlerische England versuchten Monopolisirung ihres


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[0320] Die Mac Ninley-Bill oder, da dies nicht angeht, seiue Erzeugung muß verhindert Zierden. Es kommt dazu, daß derselbe Vorgang neben dein Handel, mit Weizen sich auch bei andern Artikeln zu wiederholen droht. Wenn die Kohlenproduktivn der Nordvststaaten weiterhin so steigt, wie es in der letzten Periode der Fall war, wird anch hier die Ausfuhr zur Notwendigkeit werden. Auch sie aber wird weniger dnrch die europäische Konkurrenz, als vielmehr durch die Höhe der Lohne innerhalb der Union rasch eine Grenze finden; dann wird auch ans diesem Gebiete der Rückschlag eintreten. Schon liest man übrigens in den Zeitungen, daß die ersten großen Transporte amerikanischer bituminöser und Anthrazit-Kohlen nach England verfrachtet sind. Der Weizen, der von der amerikanischen Bevölkerung nicht gegessen, und die Kohle, die von den amerikanischen Haushalten, Fabriken und Eisenbahnen nicht verbrannt werden kann, wird nur dann verschwinden, wenn der Acker- bauer weniger und der Industriellen mehr geworden sei» werden. Wenn sich das Kapital, das jetzt die unnützen Getreidemengen hervorbringt, ans die In¬ dustrie werfen wird, so wird weniger Weizen wachsen, dagegen werden mehr Fabrikarbeiter Brot verlangen. Dadurch wird wiederum das Brot im Preise steigen, der Überschuß wird exportfähig werden, und die Industrie wird in die Höhe kommen. Daß die nordamerikanische Industrie völlig einseitig entwickelt ist, lehrt schon ein Blick ans die Liste der eingeführten Artikel. Lief Doch vor kurzem eine Mitteilung dnrch die Blätter, wonach ein nicht unbedeutender Zweig der chemischen Industrie in deu gnuzen Vereinigten Staaten nur durch zweiFabriken vertreten wäre! Eine solche Industrie ist abhängig von Auslande, sie kann niemals auf eignen Füßen stehen, und sie erscheint vollends für die Ausfuhr nicht geeignet. Also Industrie und,Ackerbau der Union sind, jedes in seiner Art, schief entwickelt, der Ackerbau zu weit, die Industrie zu eng. Die hier notwendige Ausgleichung herbeizuführen, das ist die Aufgabe der Mac Kinley-Bill. Ob sich die, die das Gesetz durchgedacht haben, dieser volkswirtschaftlichen Aufgabe des Gesetzes bewußt gewesen sind, ist völlig gleichgiltig; ob etwa eine Anzahl industrieller Monopolisten sich daraus eine weitere Stärkung ihrer Stellung ans Kosten andrer verspricht, thut nichts zur Sache; ob eine politische Partei in der Bill ihren Triumph erblickt, hat nichts zu sagen. Die Wirkung des Gesetzes wird deshalb doch im großen und ganzen dieselbe bleiben. Man wird dagegen einwerfen, daß die Vereinigten Staaten von Anbeginn ihrer Selbständigkeit einer mehr oder weniger extremen Schutzzollpolitik ge¬ huldigt habe»; wenn also Schutzzölle einen derartigen Ausschlag bewirken könnten, warum sei er nicht längst eingetreten? warum sei statt dessen gerade unter der Treibhaustemperntur des Schutzzolls die einseitig verwachsene Pflanze entstanden, die nur jetzt vor uns sehen? Dieser Einwurf ist nicht stichhaltig. Die »ordamerikmiische Union hat fich allerdings zu Anfang dnrch Schutzzölle vor der dnrch das freihändlerische England versuchten Monopolisirung ihres

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/320>, abgerufen am 23.07.2024.