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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Die Mac Kinley-Bill

Wenn man Gold grub, Ivarf man Kupfer und Blei, die sich als Nebenprodukte
ergaben, achtlos beiseite, und der nutgewonnene Arsenik ging zum Schornstein
der Hochofen hinaus. Allein die Goldernte ist seit dem Jahre 1878 auf die
Hälfte zurückgegangen. Umsonst bereisten und bereisen Hunderte von gewerbs¬
mäßigen Minensuchern, sogenannten pu^xöotors, daS Land: das Vorkommen
des Goldes ist an das Wasser, das Vorhandensein der durch Uudativu ent¬
standenen Scifengebirge unabänderlich gebunden, also seiner Ausdehnung nach
beschränkt. Wer heute noch Gold graben will, der muß sich schon bequemen,
die Schachte tief ins Felsengebirge zu treiben und zum Bergmann zu werden
nach europäischem Muster. Bedenkt man dazu, daß der Tagelohn jener
Gegenden neun bis zwölf Mark beträgt, so wird man verstehen, warum schon
so mancher Grubenbesitzer den Betrieb eingestellt hat: der Ertrag steht in keinen,
Verhältnis mehr zu den aufgewendeten Kosten. Besser sieht es mit der Silber¬
gewinnung und dem Bau auf Kupfer aus; aber auch hier sind die Löhne zu
hoch, die Gegend zu hvlzarm und die Abbaufelder allzu entlegen. Europäischer
Betrieb! heißt es auch hier, und damit tritt anch die europäische Konkurrenz
drohend in ihre Rechte. Elf Bergwerke Kaliforniens treiben Quecksilberbau;
die Produktion betrug im Jahre 1880 noch 59926 FlaSks (Quecksilberflaschen);
sie hat im Jahre 1889 nur noch 26464 Flasks betragen. Auf allen diesen Gebieten
also muß der atemlose Ansturm der Produktion still halten und Atem schöpfen.

Wäre der Bergbau nicht, auf dein ganzen amerikanischen Westen ruhte
der Fluch unüberwindlicher Sterilität. Zwar will der Yankee das keineswegs
Wort haben. Er weist stolz ans die Umgebung der Galt Lake Cith l)i", die
die Mormonen durch künstliche Bewässerung aus eiuer Wüste in ein Paradies
verwandelt haben. Und so träumt er denn von einer großartigen "Irrigation"
des lÄr ^Vost, ja er beginnt hier und dort schon mit der Ausführung. Aber
er hat dabei übersehen, daß das Mvrmonenländchen am Fuße schneebedeckter,
quellenreicher Hochgelnrgskettcn liegt, deren Gefälle den Plänen des Bebauers
ans halbem Wege entgegenkam. Freilich wird soeben aus Deutsch-Ostafrika
gemeldet, daß dnrch artesische Brunnen ans verhältnismäßig geringer Tiefe
gutes Wasser in Fülle gewonnen worden ist; aber in WesttexaS und Neumexikv
mag man sechs- bis achthundert Fuß tief in die Erde dringen: es quillt nichts
herauf als eine salzige, ätzende Flut, die geeignet ist, jeden Pflanzenwuchs von
Grund aus zu zerstören.

Wohl ist der schmale pazifische Saum des Westens, ein Hochgebirgsland
mit fruchtbaren Thälern und reicher Küsteuvvrlage, für allen und jeden Anbau
geeignet. Aber noch ist er zum besten Teile mit undurchdringlichen Urwald
bedeckt, und der Acre Land, der für zehn Dollar gekauft werden kann, stellt sich
schon auf hundert Dollar, wenn der Boden zur Aufnahme der Saatfrucht
urbar gemacht ist. Das Land hat eine Zukunft; aber eS ist nicht die angeb¬
liche Riesenzutnnft, die den Weltmarkt mit ihren Produkte,, erdrücken soll.


Die Mac Kinley-Bill

Wenn man Gold grub, Ivarf man Kupfer und Blei, die sich als Nebenprodukte
ergaben, achtlos beiseite, und der nutgewonnene Arsenik ging zum Schornstein
der Hochofen hinaus. Allein die Goldernte ist seit dem Jahre 1878 auf die
Hälfte zurückgegangen. Umsonst bereisten und bereisen Hunderte von gewerbs¬
mäßigen Minensuchern, sogenannten pu^xöotors, daS Land: das Vorkommen
des Goldes ist an das Wasser, das Vorhandensein der durch Uudativu ent¬
standenen Scifengebirge unabänderlich gebunden, also seiner Ausdehnung nach
beschränkt. Wer heute noch Gold graben will, der muß sich schon bequemen,
die Schachte tief ins Felsengebirge zu treiben und zum Bergmann zu werden
nach europäischem Muster. Bedenkt man dazu, daß der Tagelohn jener
Gegenden neun bis zwölf Mark beträgt, so wird man verstehen, warum schon
so mancher Grubenbesitzer den Betrieb eingestellt hat: der Ertrag steht in keinen,
Verhältnis mehr zu den aufgewendeten Kosten. Besser sieht es mit der Silber¬
gewinnung und dem Bau auf Kupfer aus; aber auch hier sind die Löhne zu
hoch, die Gegend zu hvlzarm und die Abbaufelder allzu entlegen. Europäischer
Betrieb! heißt es auch hier, und damit tritt anch die europäische Konkurrenz
drohend in ihre Rechte. Elf Bergwerke Kaliforniens treiben Quecksilberbau;
die Produktion betrug im Jahre 1880 noch 59926 FlaSks (Quecksilberflaschen);
sie hat im Jahre 1889 nur noch 26464 Flasks betragen. Auf allen diesen Gebieten
also muß der atemlose Ansturm der Produktion still halten und Atem schöpfen.

Wäre der Bergbau nicht, auf dein ganzen amerikanischen Westen ruhte
der Fluch unüberwindlicher Sterilität. Zwar will der Yankee das keineswegs
Wort haben. Er weist stolz ans die Umgebung der Galt Lake Cith l)i„, die
die Mormonen durch künstliche Bewässerung aus eiuer Wüste in ein Paradies
verwandelt haben. Und so träumt er denn von einer großartigen „Irrigation"
des lÄr ^Vost, ja er beginnt hier und dort schon mit der Ausführung. Aber
er hat dabei übersehen, daß das Mvrmonenländchen am Fuße schneebedeckter,
quellenreicher Hochgelnrgskettcn liegt, deren Gefälle den Plänen des Bebauers
ans halbem Wege entgegenkam. Freilich wird soeben aus Deutsch-Ostafrika
gemeldet, daß dnrch artesische Brunnen ans verhältnismäßig geringer Tiefe
gutes Wasser in Fülle gewonnen worden ist; aber in WesttexaS und Neumexikv
mag man sechs- bis achthundert Fuß tief in die Erde dringen: es quillt nichts
herauf als eine salzige, ätzende Flut, die geeignet ist, jeden Pflanzenwuchs von
Grund aus zu zerstören.

Wohl ist der schmale pazifische Saum des Westens, ein Hochgebirgsland
mit fruchtbaren Thälern und reicher Küsteuvvrlage, für allen und jeden Anbau
geeignet. Aber noch ist er zum besten Teile mit undurchdringlichen Urwald
bedeckt, und der Acre Land, der für zehn Dollar gekauft werden kann, stellt sich
schon auf hundert Dollar, wenn der Boden zur Aufnahme der Saatfrucht
urbar gemacht ist. Das Land hat eine Zukunft; aber eS ist nicht die angeb¬
liche Riesenzutnnft, die den Weltmarkt mit ihren Produkte,, erdrücken soll.


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[0314] Die Mac Kinley-Bill Wenn man Gold grub, Ivarf man Kupfer und Blei, die sich als Nebenprodukte ergaben, achtlos beiseite, und der nutgewonnene Arsenik ging zum Schornstein der Hochofen hinaus. Allein die Goldernte ist seit dem Jahre 1878 auf die Hälfte zurückgegangen. Umsonst bereisten und bereisen Hunderte von gewerbs¬ mäßigen Minensuchern, sogenannten pu^xöotors, daS Land: das Vorkommen des Goldes ist an das Wasser, das Vorhandensein der durch Uudativu ent¬ standenen Scifengebirge unabänderlich gebunden, also seiner Ausdehnung nach beschränkt. Wer heute noch Gold graben will, der muß sich schon bequemen, die Schachte tief ins Felsengebirge zu treiben und zum Bergmann zu werden nach europäischem Muster. Bedenkt man dazu, daß der Tagelohn jener Gegenden neun bis zwölf Mark beträgt, so wird man verstehen, warum schon so mancher Grubenbesitzer den Betrieb eingestellt hat: der Ertrag steht in keinen, Verhältnis mehr zu den aufgewendeten Kosten. Besser sieht es mit der Silber¬ gewinnung und dem Bau auf Kupfer aus; aber auch hier sind die Löhne zu hoch, die Gegend zu hvlzarm und die Abbaufelder allzu entlegen. Europäischer Betrieb! heißt es auch hier, und damit tritt anch die europäische Konkurrenz drohend in ihre Rechte. Elf Bergwerke Kaliforniens treiben Quecksilberbau; die Produktion betrug im Jahre 1880 noch 59926 FlaSks (Quecksilberflaschen); sie hat im Jahre 1889 nur noch 26464 Flasks betragen. Auf allen diesen Gebieten also muß der atemlose Ansturm der Produktion still halten und Atem schöpfen. Wäre der Bergbau nicht, auf dein ganzen amerikanischen Westen ruhte der Fluch unüberwindlicher Sterilität. Zwar will der Yankee das keineswegs Wort haben. Er weist stolz ans die Umgebung der Galt Lake Cith l)i„, die die Mormonen durch künstliche Bewässerung aus eiuer Wüste in ein Paradies verwandelt haben. Und so träumt er denn von einer großartigen „Irrigation" des lÄr ^Vost, ja er beginnt hier und dort schon mit der Ausführung. Aber er hat dabei übersehen, daß das Mvrmonenländchen am Fuße schneebedeckter, quellenreicher Hochgelnrgskettcn liegt, deren Gefälle den Plänen des Bebauers ans halbem Wege entgegenkam. Freilich wird soeben aus Deutsch-Ostafrika gemeldet, daß dnrch artesische Brunnen ans verhältnismäßig geringer Tiefe gutes Wasser in Fülle gewonnen worden ist; aber in WesttexaS und Neumexikv mag man sechs- bis achthundert Fuß tief in die Erde dringen: es quillt nichts herauf als eine salzige, ätzende Flut, die geeignet ist, jeden Pflanzenwuchs von Grund aus zu zerstören. Wohl ist der schmale pazifische Saum des Westens, ein Hochgebirgsland mit fruchtbaren Thälern und reicher Küsteuvvrlage, für allen und jeden Anbau geeignet. Aber noch ist er zum besten Teile mit undurchdringlichen Urwald bedeckt, und der Acre Land, der für zehn Dollar gekauft werden kann, stellt sich schon auf hundert Dollar, wenn der Boden zur Aufnahme der Saatfrucht urbar gemacht ist. Das Land hat eine Zukunft; aber eS ist nicht die angeb¬ liche Riesenzutnnft, die den Weltmarkt mit ihren Produkte,, erdrücken soll.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/314>, abgerufen am 23.07.2024.