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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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herbeigeführt wurden ist. Ist das erstere der Fall, so ist freilich ihr ver¬
schwinden sicher, sobald die betreffenden Parteirücksichten schwinden; alsdann
läßt sich dem Gesetze keine lange Lebensdauer versprechen. Liegt die Sache
aber nicht so einfach, so dürfte weder die nächste Präsidentenwahl noch sonst
eine politische Verschiebung die Maßregel aus der Welt schaffe". Professor
Schöubach aus Graz hat in der "Allgemeinen Zeitung" die Behauptung auf¬
gestellt, die Bill sei lediglich politischen Rücksichten entsprungen; sie sei nichts
als die ausbedungne Rückzahlung kolossaler Vorschüsse, die von schutzzölluerischeu
Großhändlern zum Zweck einer republikanischen Präsidentenwahl gemacht worden
seien. Er weist darauf hin, daß das Haupt dieser Schutzzöllner, der .Kauf¬
mann Wanamaker ans Philadelphia, zum Lohne jetzt Geueralpostmeister ge¬
worden sei.

Allerdings wird in Nordamerika das öffentliche Leben noch heute von den
beiden historisch gewordene" Parteien der Demokraten und der Republikaner
beherrscht. Allein im Laufe der Jahrzehnte ist der Inhalt dieser beiden Partei¬
namen uicht derselbe geblieben. Während bis zum Jahre 1828 unter
"Demokraten" und "Republikanern" in der That die Vertreter zweier
Richtungen zu verstehen waren, die bezüglich der verfassungsmäßigen Ausge¬
staltung der Union, wie der Einzelstaaten verschiednen Grundsätzen huldigte",
erhielte" während der seitdem eingetretenen Vorherrschaftsperiode des Südens
diese Bezeichnungen einen beinahe geographischen Charakter, der in der wirt¬
schaftlichen Verschiedenheit des industriellen Nordens und des ackerbautreibenden
Südens seinen wesentliche" Inhalt sand. Die Demvkrateupartei war die der
südlichen Pflanzer- und Ackerbnustaate", die republikanische die der schon damals
schntzzöllnerisch vorgehenden Industriestaaten des Nordens. In der folgenden
Periode des Bürgerkrieges (186 l--1865) verschoben sich die Begriffe wieder",",
indem die südliche" Demokraten als die Partei der Sklavenhalter erschienen,
die nördlichen Republikaner sich dagegen mit den sogenannten Abolitionisten,
d. h. den grundsätzlichen Gegnern der Sklaverei deckten. Der Bürgerkrieg ward
durchgefochten, die Sklaverei ausgerottet; natürlich folgte ein Übergewicht des
Nordens, des HauptsitzeS der alten "Republikaner." Aber noch während der
letzten Kriegsjahre begann eine Zersetzung der bisherigen Parteien. Man schied
sich in eine gegen die Südstaaten versöhnliche und in eine extreme Gruppe.
Beide" gehörten sowohl Demokraten als Republikaner an; aber unter deu Un¬
versöhnlichen hatten die "Republikaner" das Übergewicht, und unter ihrem
Namen segelten fortan auch viele bisherige Demokraten, die von einer milden
Behandlung der besiegten Südstaaten nichts wissen wollten. Allmählich tum
die Versöhnung zu Stande, und der bisherige Gegensatz w"rde gegenstandslos.
Da trat "ach und nach die Verschiebung des Bevölkeruugszeutrums nach dein
ackerbau- und bergbautreibenden Südwesten und Westen ein; ihr folgte die
"demokratische" Doktrin, während die "republikanische" im industriellen Nord-


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herbeigeführt wurden ist. Ist das erstere der Fall, so ist freilich ihr ver¬
schwinden sicher, sobald die betreffenden Parteirücksichten schwinden; alsdann
läßt sich dem Gesetze keine lange Lebensdauer versprechen. Liegt die Sache
aber nicht so einfach, so dürfte weder die nächste Präsidentenwahl noch sonst
eine politische Verschiebung die Maßregel aus der Welt schaffe». Professor
Schöubach aus Graz hat in der „Allgemeinen Zeitung" die Behauptung auf¬
gestellt, die Bill sei lediglich politischen Rücksichten entsprungen; sie sei nichts
als die ausbedungne Rückzahlung kolossaler Vorschüsse, die von schutzzölluerischeu
Großhändlern zum Zweck einer republikanischen Präsidentenwahl gemacht worden
seien. Er weist darauf hin, daß das Haupt dieser Schutzzöllner, der .Kauf¬
mann Wanamaker ans Philadelphia, zum Lohne jetzt Geueralpostmeister ge¬
worden sei.

Allerdings wird in Nordamerika das öffentliche Leben noch heute von den
beiden historisch gewordene» Parteien der Demokraten und der Republikaner
beherrscht. Allein im Laufe der Jahrzehnte ist der Inhalt dieser beiden Partei¬
namen uicht derselbe geblieben. Während bis zum Jahre 1828 unter
„Demokraten" und „Republikanern" in der That die Vertreter zweier
Richtungen zu verstehen waren, die bezüglich der verfassungsmäßigen Ausge¬
staltung der Union, wie der Einzelstaaten verschiednen Grundsätzen huldigte»,
erhielte» während der seitdem eingetretenen Vorherrschaftsperiode des Südens
diese Bezeichnungen einen beinahe geographischen Charakter, der in der wirt¬
schaftlichen Verschiedenheit des industriellen Nordens und des ackerbautreibenden
Südens seinen wesentliche» Inhalt sand. Die Demvkrateupartei war die der
südlichen Pflanzer- und Ackerbnustaate», die republikanische die der schon damals
schntzzöllnerisch vorgehenden Industriestaaten des Nordens. In der folgenden
Periode des Bürgerkrieges (186 l—1865) verschoben sich die Begriffe wieder»,»,
indem die südliche» Demokraten als die Partei der Sklavenhalter erschienen,
die nördlichen Republikaner sich dagegen mit den sogenannten Abolitionisten,
d. h. den grundsätzlichen Gegnern der Sklaverei deckten. Der Bürgerkrieg ward
durchgefochten, die Sklaverei ausgerottet; natürlich folgte ein Übergewicht des
Nordens, des HauptsitzeS der alten „Republikaner." Aber noch während der
letzten Kriegsjahre begann eine Zersetzung der bisherigen Parteien. Man schied
sich in eine gegen die Südstaaten versöhnliche und in eine extreme Gruppe.
Beide» gehörten sowohl Demokraten als Republikaner an; aber unter deu Un¬
versöhnlichen hatten die „Republikaner" das Übergewicht, und unter ihrem
Namen segelten fortan auch viele bisherige Demokraten, die von einer milden
Behandlung der besiegten Südstaaten nichts wissen wollten. Allmählich tum
die Versöhnung zu Stande, und der bisherige Gegensatz w»rde gegenstandslos.
Da trat »ach und nach die Verschiebung des Bevölkeruugszeutrums nach dein
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„demokratische" Doktrin, während die „republikanische" im industriellen Nord-


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[0309] Die Ma>7 Uiuley-Bill herbeigeführt wurden ist. Ist das erstere der Fall, so ist freilich ihr ver¬ schwinden sicher, sobald die betreffenden Parteirücksichten schwinden; alsdann läßt sich dem Gesetze keine lange Lebensdauer versprechen. Liegt die Sache aber nicht so einfach, so dürfte weder die nächste Präsidentenwahl noch sonst eine politische Verschiebung die Maßregel aus der Welt schaffe». Professor Schöubach aus Graz hat in der „Allgemeinen Zeitung" die Behauptung auf¬ gestellt, die Bill sei lediglich politischen Rücksichten entsprungen; sie sei nichts als die ausbedungne Rückzahlung kolossaler Vorschüsse, die von schutzzölluerischeu Großhändlern zum Zweck einer republikanischen Präsidentenwahl gemacht worden seien. Er weist darauf hin, daß das Haupt dieser Schutzzöllner, der .Kauf¬ mann Wanamaker ans Philadelphia, zum Lohne jetzt Geueralpostmeister ge¬ worden sei. Allerdings wird in Nordamerika das öffentliche Leben noch heute von den beiden historisch gewordene» Parteien der Demokraten und der Republikaner beherrscht. Allein im Laufe der Jahrzehnte ist der Inhalt dieser beiden Partei¬ namen uicht derselbe geblieben. Während bis zum Jahre 1828 unter „Demokraten" und „Republikanern" in der That die Vertreter zweier Richtungen zu verstehen waren, die bezüglich der verfassungsmäßigen Ausge¬ staltung der Union, wie der Einzelstaaten verschiednen Grundsätzen huldigte», erhielte» während der seitdem eingetretenen Vorherrschaftsperiode des Südens diese Bezeichnungen einen beinahe geographischen Charakter, der in der wirt¬ schaftlichen Verschiedenheit des industriellen Nordens und des ackerbautreibenden Südens seinen wesentliche» Inhalt sand. Die Demvkrateupartei war die der südlichen Pflanzer- und Ackerbnustaate», die republikanische die der schon damals schntzzöllnerisch vorgehenden Industriestaaten des Nordens. In der folgenden Periode des Bürgerkrieges (186 l—1865) verschoben sich die Begriffe wieder»,», indem die südliche» Demokraten als die Partei der Sklavenhalter erschienen, die nördlichen Republikaner sich dagegen mit den sogenannten Abolitionisten, d. h. den grundsätzlichen Gegnern der Sklaverei deckten. Der Bürgerkrieg ward durchgefochten, die Sklaverei ausgerottet; natürlich folgte ein Übergewicht des Nordens, des HauptsitzeS der alten „Republikaner." Aber noch während der letzten Kriegsjahre begann eine Zersetzung der bisherigen Parteien. Man schied sich in eine gegen die Südstaaten versöhnliche und in eine extreme Gruppe. Beide» gehörten sowohl Demokraten als Republikaner an; aber unter deu Un¬ versöhnlichen hatten die „Republikaner" das Übergewicht, und unter ihrem Namen segelten fortan auch viele bisherige Demokraten, die von einer milden Behandlung der besiegten Südstaaten nichts wissen wollten. Allmählich tum die Versöhnung zu Stande, und der bisherige Gegensatz w»rde gegenstandslos. Da trat »ach und nach die Verschiebung des Bevölkeruugszeutrums nach dein ackerbau- und bergbautreibenden Südwesten und Westen ein; ihr folgte die „demokratische" Doktrin, während die „republikanische" im industriellen Nord-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/309>, abgerufen am 23.07.2024.