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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Die Mac "mley-Bill

Schaftes keineswegs. 2. Die Maschinenindustrie; aber wohl gemerkt, hier nur
auf dem kleinen Gebiete derjenigen Fabriken, die Stick- und Strickmaschinen,
Strumpf- und Webstuhle bauen. Gegenüber dem geringen Ausfalle bei der
Textilbranche handelt es sich hier wohl mir um eine vorübergehende Konjunktur.
3. Die Kleineisenindustrie. Hier liegen Klagen aus dem altberühmten Solingen
vor. Aber der zu erwartende Nachteil dürfte bei der Mannichfaltigkeit der
Solinger Artikel kaum verhängnisvoll werden; trösten sich doch die Dienstherren
der 2000 Messerschmiede von Sheffield mit der Erwartung, daß auch ihre
nordamerikanischen Konkurrenten die Preise der billigen Messersvrten erhöhen,
sie selbst also doch weiterhin konkurrenzfähig bleiben würden. Damit find aber
die bedeutenderen Gewerbszweige zu Ende. Wohl registrirt Magdeburg die
weitere Unmöglichkeit seiner nicht geringen Kirschsaftausfuhr, Halberstadt den
vermutlichen Stillstand einiger Fabriken für billige Handschuhe, die lediglich
für den Export gearbeitet haben; auch die deutscheu Schaumweine werden sich
an Stelle Amerikas ein neues Absatzgebiet erobern müssen. Aber dem gegen¬
über erwartet Berlin einen Aufschwung seines Handels mit Wollplüschen und
Krimmer, hoffen die Kaliveredlungsgewerbe einen erhöhten Nutzen, und für
die Weißblechfabrikation, für die der erhöhte Zollsatz bis zum t. Juli 1891
"och aussteht, ist vorläufig eine erfreuliche Steigerung vorauszusagen. Über¬
haupt ist für deu Augenblick in vielen Industriezweige!! ein Fortschritt zu ver¬
zeichnen gewesen, weil sich die Bestellungen kurz vor Eintritt des neuen Tarifs
gehäuft haben. Aber wenn auch die Perlmutteriudustrie von Wien und
Birmingham zunächst völlig darniederliegt und in Toureoing und Ronbaix
in Frankreich einige Fabriken geschlossen worden sind, so giebt das alles doch
noch kein Recht dazu, von dem "Elend" zu sprechen, "das das Mnkeetum
über das alte Europa gebracht hat." Es scheint, als hätte mau ganz ver¬
gessen, daß erst das Jahr 1885 eine Krisis des Exporthandels erlebt hat, die
unendlich drohender und gefährlicher aussah, als die heute befürchtete.

Wenn nach alledem die augenblickliche Wirkung der Tarifbill verhältnis¬
mäßig gering ist, so ist damit freilich nicht gesagt, daß sie dies anch für alle
Zukunft bleiben wird. Bisher hat mau sich noch nicht recht getraut, diese
Zukunft ernstlich ins Auge zu fassen, und es mag auch schwierig sein, ihr in
die Karten zu sehen. Im allgemeinen aber läßt sich behaupten, daß die vor-
handnen wirtschaftlichen Grundlagen diesseits und jenseits des Atlantischen
Ozeans gegebne sind, mit deren Hilfe sehr wohl ein Exempel aufzustellen ist,
aus dem sich der Schlüssel für die künftige Gestaltung des Welthandels er¬
geben wird. Ferner dürfte man, wie überall, so anch hier ans der Geschichte
lernen können.

Es handelt sich zunächst darum, festzustellen, ob die Mac Kinleh-Bill
und die mit ihr vollzogene Rückkehr zum extremen Schutzzoll lediglich eine
politische Maßregel oder ob sie von reiflicher handelspolitischen Erwägungen


Die Mac «mley-Bill

Schaftes keineswegs. 2. Die Maschinenindustrie; aber wohl gemerkt, hier nur
auf dem kleinen Gebiete derjenigen Fabriken, die Stick- und Strickmaschinen,
Strumpf- und Webstuhle bauen. Gegenüber dem geringen Ausfalle bei der
Textilbranche handelt es sich hier wohl mir um eine vorübergehende Konjunktur.
3. Die Kleineisenindustrie. Hier liegen Klagen aus dem altberühmten Solingen
vor. Aber der zu erwartende Nachteil dürfte bei der Mannichfaltigkeit der
Solinger Artikel kaum verhängnisvoll werden; trösten sich doch die Dienstherren
der 2000 Messerschmiede von Sheffield mit der Erwartung, daß auch ihre
nordamerikanischen Konkurrenten die Preise der billigen Messersvrten erhöhen,
sie selbst also doch weiterhin konkurrenzfähig bleiben würden. Damit find aber
die bedeutenderen Gewerbszweige zu Ende. Wohl registrirt Magdeburg die
weitere Unmöglichkeit seiner nicht geringen Kirschsaftausfuhr, Halberstadt den
vermutlichen Stillstand einiger Fabriken für billige Handschuhe, die lediglich
für den Export gearbeitet haben; auch die deutscheu Schaumweine werden sich
an Stelle Amerikas ein neues Absatzgebiet erobern müssen. Aber dem gegen¬
über erwartet Berlin einen Aufschwung seines Handels mit Wollplüschen und
Krimmer, hoffen die Kaliveredlungsgewerbe einen erhöhten Nutzen, und für
die Weißblechfabrikation, für die der erhöhte Zollsatz bis zum t. Juli 1891
»och aussteht, ist vorläufig eine erfreuliche Steigerung vorauszusagen. Über¬
haupt ist für deu Augenblick in vielen Industriezweige!! ein Fortschritt zu ver¬
zeichnen gewesen, weil sich die Bestellungen kurz vor Eintritt des neuen Tarifs
gehäuft haben. Aber wenn auch die Perlmutteriudustrie von Wien und
Birmingham zunächst völlig darniederliegt und in Toureoing und Ronbaix
in Frankreich einige Fabriken geschlossen worden sind, so giebt das alles doch
noch kein Recht dazu, von dem „Elend" zu sprechen, „das das Mnkeetum
über das alte Europa gebracht hat." Es scheint, als hätte mau ganz ver¬
gessen, daß erst das Jahr 1885 eine Krisis des Exporthandels erlebt hat, die
unendlich drohender und gefährlicher aussah, als die heute befürchtete.

Wenn nach alledem die augenblickliche Wirkung der Tarifbill verhältnis¬
mäßig gering ist, so ist damit freilich nicht gesagt, daß sie dies anch für alle
Zukunft bleiben wird. Bisher hat mau sich noch nicht recht getraut, diese
Zukunft ernstlich ins Auge zu fassen, und es mag auch schwierig sein, ihr in
die Karten zu sehen. Im allgemeinen aber läßt sich behaupten, daß die vor-
handnen wirtschaftlichen Grundlagen diesseits und jenseits des Atlantischen
Ozeans gegebne sind, mit deren Hilfe sehr wohl ein Exempel aufzustellen ist,
aus dem sich der Schlüssel für die künftige Gestaltung des Welthandels er¬
geben wird. Ferner dürfte man, wie überall, so anch hier ans der Geschichte
lernen können.

Es handelt sich zunächst darum, festzustellen, ob die Mac Kinleh-Bill
und die mit ihr vollzogene Rückkehr zum extremen Schutzzoll lediglich eine
politische Maßregel oder ob sie von reiflicher handelspolitischen Erwägungen


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[0308] Die Mac «mley-Bill Schaftes keineswegs. 2. Die Maschinenindustrie; aber wohl gemerkt, hier nur auf dem kleinen Gebiete derjenigen Fabriken, die Stick- und Strickmaschinen, Strumpf- und Webstuhle bauen. Gegenüber dem geringen Ausfalle bei der Textilbranche handelt es sich hier wohl mir um eine vorübergehende Konjunktur. 3. Die Kleineisenindustrie. Hier liegen Klagen aus dem altberühmten Solingen vor. Aber der zu erwartende Nachteil dürfte bei der Mannichfaltigkeit der Solinger Artikel kaum verhängnisvoll werden; trösten sich doch die Dienstherren der 2000 Messerschmiede von Sheffield mit der Erwartung, daß auch ihre nordamerikanischen Konkurrenten die Preise der billigen Messersvrten erhöhen, sie selbst also doch weiterhin konkurrenzfähig bleiben würden. Damit find aber die bedeutenderen Gewerbszweige zu Ende. Wohl registrirt Magdeburg die weitere Unmöglichkeit seiner nicht geringen Kirschsaftausfuhr, Halberstadt den vermutlichen Stillstand einiger Fabriken für billige Handschuhe, die lediglich für den Export gearbeitet haben; auch die deutscheu Schaumweine werden sich an Stelle Amerikas ein neues Absatzgebiet erobern müssen. Aber dem gegen¬ über erwartet Berlin einen Aufschwung seines Handels mit Wollplüschen und Krimmer, hoffen die Kaliveredlungsgewerbe einen erhöhten Nutzen, und für die Weißblechfabrikation, für die der erhöhte Zollsatz bis zum t. Juli 1891 »och aussteht, ist vorläufig eine erfreuliche Steigerung vorauszusagen. Über¬ haupt ist für deu Augenblick in vielen Industriezweige!! ein Fortschritt zu ver¬ zeichnen gewesen, weil sich die Bestellungen kurz vor Eintritt des neuen Tarifs gehäuft haben. Aber wenn auch die Perlmutteriudustrie von Wien und Birmingham zunächst völlig darniederliegt und in Toureoing und Ronbaix in Frankreich einige Fabriken geschlossen worden sind, so giebt das alles doch noch kein Recht dazu, von dem „Elend" zu sprechen, „das das Mnkeetum über das alte Europa gebracht hat." Es scheint, als hätte mau ganz ver¬ gessen, daß erst das Jahr 1885 eine Krisis des Exporthandels erlebt hat, die unendlich drohender und gefährlicher aussah, als die heute befürchtete. Wenn nach alledem die augenblickliche Wirkung der Tarifbill verhältnis¬ mäßig gering ist, so ist damit freilich nicht gesagt, daß sie dies anch für alle Zukunft bleiben wird. Bisher hat mau sich noch nicht recht getraut, diese Zukunft ernstlich ins Auge zu fassen, und es mag auch schwierig sein, ihr in die Karten zu sehen. Im allgemeinen aber läßt sich behaupten, daß die vor- handnen wirtschaftlichen Grundlagen diesseits und jenseits des Atlantischen Ozeans gegebne sind, mit deren Hilfe sehr wohl ein Exempel aufzustellen ist, aus dem sich der Schlüssel für die künftige Gestaltung des Welthandels er¬ geben wird. Ferner dürfte man, wie überall, so anch hier ans der Geschichte lernen können. Es handelt sich zunächst darum, festzustellen, ob die Mac Kinleh-Bill und die mit ihr vollzogene Rückkehr zum extremen Schutzzoll lediglich eine politische Maßregel oder ob sie von reiflicher handelspolitischen Erwägungen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/308>, abgerufen am 23.07.2024.