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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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fortschreiten, und die radirten Porträts des Jahres 1634, unter denen wir nur
das liebenswürdigste unter all seinen Selbstporträts, den sogenannten Usin-
diÄiutt nix trois inouslaones und den Rembrandt mit dem Türkensäbel
sowie das frühere Bildnis des protestantischen Predigers Jan Shlvius her¬
vorheben wollen, beweisen das zur Genüge. Dieser ernste, in sich gekehrte
und doch, wie Nur auf seinem spätern Bilde erkennen und in der Unterschrift
desselben lesen, redegewaltige Geistliche war wahrscheinlich der Vormund der
Sastia von Ulenbnrg aus Leeuwarden, die Rembrandt in demselben Jahre,
1634, als Gattin heimführte. Auch dieser wichtige LebenSschritt kündigt sich
in seinen Radirungen an. Das feine Gesicht der Braut mit dem lebhaft
leuchtenden Blicke begegnet uns in einer kleinen Radirung, im Verlvbungs-
jahre von dem glücklichen Bräutigam entworfen; in breitrandigen Hut,
auf den linken Arm gestützt, begegnet sie uns in demselben Jahre (trotz der
zweifelerregenden, wahrscheinlich späteren Inschrift) in der entzückenden kleinen
Silberstiftzeichnung, die zu deu Perlen des Berliner Kupferstichkalünets gehört
und in der letzten Ausstellung holländischer Handzeichnungen einen verdienten
Ehrenplatz einnahm. Aber selbst bei diesem doch gewiß in erster Linie per¬
sönlich ihn fesselnden Gegenstande treten seine künstlerischen Interessen in den
Bordergrund. Wie er in seinem eignen Spiegelbilde die Anregung zu künst¬
lerischen und pshchvlvgischen Studien fand, wie er sich in den verschiedensten
Seelenzuständen, in den absonderlichsten Kostümen bald als Ritter, bald als
Orientale mit dem Auge des Künstlers beobachtete und mit Nadirnadel oder
Pinsel die Ergebnisse solcher Beobachtungen festzuhalten liebte, so muß auch
seine Gattin ihm in sein Atelier folgen, und doppelt eifrig war er bei der
Sache, wenn es galt, ihr Antlitz, ihre Gestalt in den Rahmen irgend einer
seiner künstlerischen Unternehmungen einzufügen. Bald begegnet sie uus mit
laug herabwallenden Haar, festlich geschmückt, wie in deu zahlreichen Dar¬
stellungen, die man ohne sichern Grund als "Jndenbrnnt" bezeichnet, bald in
andern historischen Kompositionen, selbst in der bedenklichen Situation der
Susanna im Bade.

Von den drei Radirungen, die unter der Bezeichnung "Judenbraut" be¬
kannt sind, geht jedenfalls die zarte kleine Studie, die mau mit gleich großem
Recht oder vielmehr Unrecht auch "Heilige Katharina" getauft but, auf Porträt¬
skizzen der Saskia zurück, während in der letzten Ausführung dieses Vorwurfs
ihre Züge mir leise anklingen. Die letztgenannte auffallend emsig durchgeführte
Radirung zeigt in dem ausgestellten dritten Zustande deutlich, daß die ursprüng¬
liche Klarheit und Durchsichtigkeit der leicht angelegten Schattenpartien, wie sie
uns der änßerst seltene erste Zustand zeigt, unter der bessernden Hand des Künstlers
verloren gehen kann, und der Sammler Recht hat, auf erste Zustände zu fahnden.

Die bedeutendste Leistung aus der Jugendzeit des Künstlers bleibt aber
die "Verkündigung an die Hirten," ein Blatt von so gewaltiger Kraft des


fortschreiten, und die radirten Porträts des Jahres 1634, unter denen wir nur
das liebenswürdigste unter all seinen Selbstporträts, den sogenannten Usin-
diÄiutt nix trois inouslaones und den Rembrandt mit dem Türkensäbel
sowie das frühere Bildnis des protestantischen Predigers Jan Shlvius her¬
vorheben wollen, beweisen das zur Genüge. Dieser ernste, in sich gekehrte
und doch, wie Nur auf seinem spätern Bilde erkennen und in der Unterschrift
desselben lesen, redegewaltige Geistliche war wahrscheinlich der Vormund der
Sastia von Ulenbnrg aus Leeuwarden, die Rembrandt in demselben Jahre,
1634, als Gattin heimführte. Auch dieser wichtige LebenSschritt kündigt sich
in seinen Radirungen an. Das feine Gesicht der Braut mit dem lebhaft
leuchtenden Blicke begegnet uns in einer kleinen Radirung, im Verlvbungs-
jahre von dem glücklichen Bräutigam entworfen; in breitrandigen Hut,
auf den linken Arm gestützt, begegnet sie uns in demselben Jahre (trotz der
zweifelerregenden, wahrscheinlich späteren Inschrift) in der entzückenden kleinen
Silberstiftzeichnung, die zu deu Perlen des Berliner Kupferstichkalünets gehört
und in der letzten Ausstellung holländischer Handzeichnungen einen verdienten
Ehrenplatz einnahm. Aber selbst bei diesem doch gewiß in erster Linie per¬
sönlich ihn fesselnden Gegenstande treten seine künstlerischen Interessen in den
Bordergrund. Wie er in seinem eignen Spiegelbilde die Anregung zu künst¬
lerischen und pshchvlvgischen Studien fand, wie er sich in den verschiedensten
Seelenzuständen, in den absonderlichsten Kostümen bald als Ritter, bald als
Orientale mit dem Auge des Künstlers beobachtete und mit Nadirnadel oder
Pinsel die Ergebnisse solcher Beobachtungen festzuhalten liebte, so muß auch
seine Gattin ihm in sein Atelier folgen, und doppelt eifrig war er bei der
Sache, wenn es galt, ihr Antlitz, ihre Gestalt in den Rahmen irgend einer
seiner künstlerischen Unternehmungen einzufügen. Bald begegnet sie uus mit
laug herabwallenden Haar, festlich geschmückt, wie in deu zahlreichen Dar¬
stellungen, die man ohne sichern Grund als „Jndenbrnnt" bezeichnet, bald in
andern historischen Kompositionen, selbst in der bedenklichen Situation der
Susanna im Bade.

Von den drei Radirungen, die unter der Bezeichnung „Judenbraut" be¬
kannt sind, geht jedenfalls die zarte kleine Studie, die mau mit gleich großem
Recht oder vielmehr Unrecht auch „Heilige Katharina" getauft but, auf Porträt¬
skizzen der Saskia zurück, während in der letzten Ausführung dieses Vorwurfs
ihre Züge mir leise anklingen. Die letztgenannte auffallend emsig durchgeführte
Radirung zeigt in dem ausgestellten dritten Zustande deutlich, daß die ursprüng¬
liche Klarheit und Durchsichtigkeit der leicht angelegten Schattenpartien, wie sie
uns der änßerst seltene erste Zustand zeigt, unter der bessernden Hand des Künstlers
verloren gehen kann, und der Sammler Recht hat, auf erste Zustände zu fahnden.

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die „Verkündigung an die Hirten," ein Blatt von so gewaltiger Kraft des


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[0246] fortschreiten, und die radirten Porträts des Jahres 1634, unter denen wir nur das liebenswürdigste unter all seinen Selbstporträts, den sogenannten Usin- diÄiutt nix trois inouslaones und den Rembrandt mit dem Türkensäbel sowie das frühere Bildnis des protestantischen Predigers Jan Shlvius her¬ vorheben wollen, beweisen das zur Genüge. Dieser ernste, in sich gekehrte und doch, wie Nur auf seinem spätern Bilde erkennen und in der Unterschrift desselben lesen, redegewaltige Geistliche war wahrscheinlich der Vormund der Sastia von Ulenbnrg aus Leeuwarden, die Rembrandt in demselben Jahre, 1634, als Gattin heimführte. Auch dieser wichtige LebenSschritt kündigt sich in seinen Radirungen an. Das feine Gesicht der Braut mit dem lebhaft leuchtenden Blicke begegnet uns in einer kleinen Radirung, im Verlvbungs- jahre von dem glücklichen Bräutigam entworfen; in breitrandigen Hut, auf den linken Arm gestützt, begegnet sie uns in demselben Jahre (trotz der zweifelerregenden, wahrscheinlich späteren Inschrift) in der entzückenden kleinen Silberstiftzeichnung, die zu deu Perlen des Berliner Kupferstichkalünets gehört und in der letzten Ausstellung holländischer Handzeichnungen einen verdienten Ehrenplatz einnahm. Aber selbst bei diesem doch gewiß in erster Linie per¬ sönlich ihn fesselnden Gegenstande treten seine künstlerischen Interessen in den Bordergrund. Wie er in seinem eignen Spiegelbilde die Anregung zu künst¬ lerischen und pshchvlvgischen Studien fand, wie er sich in den verschiedensten Seelenzuständen, in den absonderlichsten Kostümen bald als Ritter, bald als Orientale mit dem Auge des Künstlers beobachtete und mit Nadirnadel oder Pinsel die Ergebnisse solcher Beobachtungen festzuhalten liebte, so muß auch seine Gattin ihm in sein Atelier folgen, und doppelt eifrig war er bei der Sache, wenn es galt, ihr Antlitz, ihre Gestalt in den Rahmen irgend einer seiner künstlerischen Unternehmungen einzufügen. Bald begegnet sie uus mit laug herabwallenden Haar, festlich geschmückt, wie in deu zahlreichen Dar¬ stellungen, die man ohne sichern Grund als „Jndenbrnnt" bezeichnet, bald in andern historischen Kompositionen, selbst in der bedenklichen Situation der Susanna im Bade. Von den drei Radirungen, die unter der Bezeichnung „Judenbraut" be¬ kannt sind, geht jedenfalls die zarte kleine Studie, die mau mit gleich großem Recht oder vielmehr Unrecht auch „Heilige Katharina" getauft but, auf Porträt¬ skizzen der Saskia zurück, während in der letzten Ausführung dieses Vorwurfs ihre Züge mir leise anklingen. Die letztgenannte auffallend emsig durchgeführte Radirung zeigt in dem ausgestellten dritten Zustande deutlich, daß die ursprüng¬ liche Klarheit und Durchsichtigkeit der leicht angelegten Schattenpartien, wie sie uns der änßerst seltene erste Zustand zeigt, unter der bessernden Hand des Künstlers verloren gehen kann, und der Sammler Recht hat, auf erste Zustände zu fahnden. Die bedeutendste Leistung aus der Jugendzeit des Künstlers bleibt aber die „Verkündigung an die Hirten," ein Blatt von so gewaltiger Kraft des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/246>, abgerufen am 23.07.2024.