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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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als Erzieher" einen Rückschluß auf die Reformbedürftigkeit unsrer Bildung
ziehen kann, soll nicht bestritten werden; was wir aber von Rembrandt lernen
können, wollen wir lieber bei ihm selbst als bei jenem namenlosen Kommen¬
tator suchen, bei dessen Darstellung man die nicht eben angenehme Empfindung
hat, als habe sich hier die moderne Bildung übernommen und erbreche sich in
einem wüsten Gedankenbrei. Was Rembrandt Wohl zu diesem seltsamen
Propheten gesagt haben würde? Als ihm sein Schiller Hoogstraatcn einst
mit derlei Fragen nach dem Wie und Warum lästig fiel, antwortete er ihm
etwas barsch: Letnice, u ckaornas, elent M't, Assuv alrovts osse, oft Isort,
in't, port stellen, 20 fuit. cke verdorFöntKeäsn, äasr nu na vraegt,
ijts ZsuvvA vntäczlct Asu.^) (Trachtet nur darnach, ein Werk zu schaffen ans
dem Wenigen, das ihr allbereits wißt, und die Geheimnisse, nach denen ihr
jetzt fragt, werden sich euch offenbaren!)

So wollen denn auch wir uns lieber an die Werke halten als an die
Gedanken, und da wir es leider Rembrandt mit Radirnadel und Pinsel nicht
nachthun können, wollen wir wenigstens mit rechtem Lerneifer seinen Schöpfungen
nachgehen und sie sür unsre Geistesbildung in Thaten umzusetzen versuchen.
Disveiulo clooedinrus!

Eine vortreffliche Einführung in das lebendige Studium des großen
holländischen Meisters bietet uns die im Berliner Kupferstichkabinet veranstaltete
Ausstellung seiner Radirungen in chronologischer Anordnung. Freilich, keine
andre Erscheinung wirkt so wie die Rembrandts gewissermaßen von vorn¬
herein als vollendete Thatsache auf uns, aber ebeu deshalb ist es der Mühe
wert, zu untersuchen, wann und wie sich diese Erscheinung von dem Hinter¬
grunde ablöst, auf dem der Historiker sie zu betrachten verpflichtet ist. Keine
Kunst wurzelt unmittelbarer und tiefer im Volksleben, als die holländische des
siebzehnten Jahrhunderts; und niemand hat in diese Kunst mehr von seinem
eignen innersten Wesen hineingetragen als Rembrandt. Daher das doppelte
historische und psychologische Interesse, das wir um seineu Schöpfungen nehmen.
Seine Radirungen insbesondre gewähren uns nächst feinen Handzeichnungen
den unmittelbarsten Einblick in das Seelenleben des Künstlers, da diese leichte
bewegliche Technik jeder Regung und jedem Einfall der Phantasie nachgiebt,
ja zum Festhalten auch der flüchtigste" künstlerischen Gedanken förmlich auf¬
fordert.

Die schon von der ersten Ausstellung her uns bekannte "technische Ecke"
des Oberlichtraumes neben dem Studiensaal des Berliner Kupferstichkabinets
lädt uns auch diesmal zur Betrachtung des technischen Verfahrens der Radirung
ein. Da sehen wir fein säuberlich uuter Glas und Rahme" die Kupferplatte



Hvvgstraate", IiUovilinA tot als twoM 8vdnnl>z <toi- LeliiltlorlccMst,. Rotterdam, 1.678.
S, ,3.
Grenzboten IV 1890 !!<>

als Erzieher" einen Rückschluß auf die Reformbedürftigkeit unsrer Bildung
ziehen kann, soll nicht bestritten werden; was wir aber von Rembrandt lernen
können, wollen wir lieber bei ihm selbst als bei jenem namenlosen Kommen¬
tator suchen, bei dessen Darstellung man die nicht eben angenehme Empfindung
hat, als habe sich hier die moderne Bildung übernommen und erbreche sich in
einem wüsten Gedankenbrei. Was Rembrandt Wohl zu diesem seltsamen
Propheten gesagt haben würde? Als ihm sein Schiller Hoogstraatcn einst
mit derlei Fragen nach dem Wie und Warum lästig fiel, antwortete er ihm
etwas barsch: Letnice, u ckaornas, elent M't, Assuv alrovts osse, oft Isort,
in't, port stellen, 20 fuit. cke verdorFöntKeäsn, äasr nu na vraegt,
ijts ZsuvvA vntäczlct Asu.^) (Trachtet nur darnach, ein Werk zu schaffen ans
dem Wenigen, das ihr allbereits wißt, und die Geheimnisse, nach denen ihr
jetzt fragt, werden sich euch offenbaren!)

So wollen denn auch wir uns lieber an die Werke halten als an die
Gedanken, und da wir es leider Rembrandt mit Radirnadel und Pinsel nicht
nachthun können, wollen wir wenigstens mit rechtem Lerneifer seinen Schöpfungen
nachgehen und sie sür unsre Geistesbildung in Thaten umzusetzen versuchen.
Disveiulo clooedinrus!

Eine vortreffliche Einführung in das lebendige Studium des großen
holländischen Meisters bietet uns die im Berliner Kupferstichkabinet veranstaltete
Ausstellung seiner Radirungen in chronologischer Anordnung. Freilich, keine
andre Erscheinung wirkt so wie die Rembrandts gewissermaßen von vorn¬
herein als vollendete Thatsache auf uns, aber ebeu deshalb ist es der Mühe
wert, zu untersuchen, wann und wie sich diese Erscheinung von dem Hinter¬
grunde ablöst, auf dem der Historiker sie zu betrachten verpflichtet ist. Keine
Kunst wurzelt unmittelbarer und tiefer im Volksleben, als die holländische des
siebzehnten Jahrhunderts; und niemand hat in diese Kunst mehr von seinem
eignen innersten Wesen hineingetragen als Rembrandt. Daher das doppelte
historische und psychologische Interesse, das wir um seineu Schöpfungen nehmen.
Seine Radirungen insbesondre gewähren uns nächst feinen Handzeichnungen
den unmittelbarsten Einblick in das Seelenleben des Künstlers, da diese leichte
bewegliche Technik jeder Regung und jedem Einfall der Phantasie nachgiebt,
ja zum Festhalten auch der flüchtigste« künstlerischen Gedanken förmlich auf¬
fordert.

Die schon von der ersten Ausstellung her uns bekannte „technische Ecke"
des Oberlichtraumes neben dem Studiensaal des Berliner Kupferstichkabinets
lädt uns auch diesmal zur Betrachtung des technischen Verfahrens der Radirung
ein. Da sehen wir fein säuberlich uuter Glas und Rahme» die Kupferplatte



Hvvgstraate», IiUovilinA tot als twoM 8vdnnl>z <toi- LeliiltlorlccMst,. Rotterdam, 1.678.
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[0241] als Erzieher" einen Rückschluß auf die Reformbedürftigkeit unsrer Bildung ziehen kann, soll nicht bestritten werden; was wir aber von Rembrandt lernen können, wollen wir lieber bei ihm selbst als bei jenem namenlosen Kommen¬ tator suchen, bei dessen Darstellung man die nicht eben angenehme Empfindung hat, als habe sich hier die moderne Bildung übernommen und erbreche sich in einem wüsten Gedankenbrei. Was Rembrandt Wohl zu diesem seltsamen Propheten gesagt haben würde? Als ihm sein Schiller Hoogstraatcn einst mit derlei Fragen nach dem Wie und Warum lästig fiel, antwortete er ihm etwas barsch: Letnice, u ckaornas, elent M't, Assuv alrovts osse, oft Isort, in't, port stellen, 20 fuit. cke verdorFöntKeäsn, äasr nu na vraegt, ijts ZsuvvA vntäczlct Asu.^) (Trachtet nur darnach, ein Werk zu schaffen ans dem Wenigen, das ihr allbereits wißt, und die Geheimnisse, nach denen ihr jetzt fragt, werden sich euch offenbaren!) So wollen denn auch wir uns lieber an die Werke halten als an die Gedanken, und da wir es leider Rembrandt mit Radirnadel und Pinsel nicht nachthun können, wollen wir wenigstens mit rechtem Lerneifer seinen Schöpfungen nachgehen und sie sür unsre Geistesbildung in Thaten umzusetzen versuchen. Disveiulo clooedinrus! Eine vortreffliche Einführung in das lebendige Studium des großen holländischen Meisters bietet uns die im Berliner Kupferstichkabinet veranstaltete Ausstellung seiner Radirungen in chronologischer Anordnung. Freilich, keine andre Erscheinung wirkt so wie die Rembrandts gewissermaßen von vorn¬ herein als vollendete Thatsache auf uns, aber ebeu deshalb ist es der Mühe wert, zu untersuchen, wann und wie sich diese Erscheinung von dem Hinter¬ grunde ablöst, auf dem der Historiker sie zu betrachten verpflichtet ist. Keine Kunst wurzelt unmittelbarer und tiefer im Volksleben, als die holländische des siebzehnten Jahrhunderts; und niemand hat in diese Kunst mehr von seinem eignen innersten Wesen hineingetragen als Rembrandt. Daher das doppelte historische und psychologische Interesse, das wir um seineu Schöpfungen nehmen. Seine Radirungen insbesondre gewähren uns nächst feinen Handzeichnungen den unmittelbarsten Einblick in das Seelenleben des Künstlers, da diese leichte bewegliche Technik jeder Regung und jedem Einfall der Phantasie nachgiebt, ja zum Festhalten auch der flüchtigste« künstlerischen Gedanken förmlich auf¬ fordert. Die schon von der ersten Ausstellung her uns bekannte „technische Ecke" des Oberlichtraumes neben dem Studiensaal des Berliner Kupferstichkabinets lädt uns auch diesmal zur Betrachtung des technischen Verfahrens der Radirung ein. Da sehen wir fein säuberlich uuter Glas und Rahme» die Kupferplatte Hvvgstraate», IiUovilinA tot als twoM 8vdnnl>z <toi- LeliiltlorlccMst,. Rotterdam, 1.678. S, ,3. Grenzboten IV 1890 !!<>

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/241>, abgerufen am 23.07.2024.