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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Die nächste Folge eines Mangels an Unteroffizieren ist die geradezu un¬
leidliche Behinderung eines geordneten Betriebes des sogenannten innern Dienstes
und die Erschwerung der Einzelausbildung des Mannes. Die Rekruten, die
wir bekommen, sind keine Engel, sondern Menschen, und zwar meist Menschen
von nicht übermäßig hohem Bildungsgrade und in dem glücklichen Alter von
zwanzig bis vierundzwnnzig Jahren, wo der Drang nach Bethätigung der
jugendlichen Kraft in allen möglichen Allotria eine recht große Bedeutung hat.
Dazu kommt, daß die Rekruten das lernen sollen, was sich am schwersten lernt:
den stummen und doch verständigen Gehorsam. Dieser ist ihnen nur durch
planmäßige Erziehung einzuimpfen, das lehrt die Erfahrung jeden Tag, und
planmäßig erzogen können die Leute nur werden, wenn sich die erziehende Ein¬
wirkung ununterbrochen geltend macht. Zu diesem Zwecke haben wir ältere
charakterfeste Unteroffiziere nötig, die in steter Verührung mit ihren Unter¬
gebenen imstande sind, sie in die rechten Bahnen zu fuhren. Mannschaften
der ältern Jahrgänge hierzu zu verwenden, wäre gänzlich verfehlt. Sie ge¬
nießen, natürlich vou einzelnen Ausnahmen abgesehen, niemals die Autorität
bei ihren Kameraden, die erforderlich ist, um diese im Zaume zu halten. Wir
dürften in diesem Falle sicher sein, die Disziplin in unsrer Armee sich in kurzer
Zeit gewaltig lockern und anderseits die Strafregister auf eine gewaltige Höhe
steigen zu sehen. Ebensowenig können aber auch Offiziere hier für die fehlenden
Unteroffiziere einspringen, schon deshalb nicht, weil unsre Offiziersetats be¬
kanntlich so gering bemessen sind, daß von den vorhandenen Offizieren kaum
der eigentliche Offizierdienst gethan werden kann. Und auch wenn dies nicht
der Fall wäre, würde man den in Rede stehenden Dienst nicht ohne weiteres
ans die Schultern der Offiziere abwälzen dürfen, da der Offizier nicht ge¬
zwungen werden kann, mit den Untergebenen dauernd zusammen zu wohnen,
was für den Erzieher in diesem Sinne durchaus erforderlich ist.

Ganz ähnlich liegt die Sache hinsichtlich der Einzelausbildung. Nur der
verständige, erfahrene Verufsuntcroffizier, dem ein ganz beschränkter Wirkungs¬
kreis überwiesen ist, vermag jedem einzelnen seiner Leute die peinliche genaue
Schulung angedeihen zu lassen, auf die wir mit Erfolg die Fortbildung gründen
können. Weder der ältere Soldat noch der Offizier ist imstande, hier den
Unteroffizier zu ersetzen. Mag der ältere Soldat noch so eifrig sein, gewöhnlich
fehlt ihm die unentbehrliche Erfahrung, und deshalb der Einfluß und das An¬
sehen; mag der Offizier noch so viel arbeiten, er hat doch nicht die Zeit, jeden
einzelnen der ihm unmittelbar unterstellten Leute gründlich durchzuarbeiten.
Man macht sich ja im gewöhnlichen Leben kaum eiuen Begriff, um welche
ungeheure Arbeit es sich hier handelt. Ich will gar nicht von der Exerzier¬
ausbildung mit und ohne Gewehr, dem Schießen, Turner u. s. w. reden, ich
will nur an die Gewehrreinigung, an die Instandhaltung der Kleidungsstücke
und Waffen, an die Kasernen-, Stuben- und Schrankordnung u. s. w. erinnern.


Die nächste Folge eines Mangels an Unteroffizieren ist die geradezu un¬
leidliche Behinderung eines geordneten Betriebes des sogenannten innern Dienstes
und die Erschwerung der Einzelausbildung des Mannes. Die Rekruten, die
wir bekommen, sind keine Engel, sondern Menschen, und zwar meist Menschen
von nicht übermäßig hohem Bildungsgrade und in dem glücklichen Alter von
zwanzig bis vierundzwnnzig Jahren, wo der Drang nach Bethätigung der
jugendlichen Kraft in allen möglichen Allotria eine recht große Bedeutung hat.
Dazu kommt, daß die Rekruten das lernen sollen, was sich am schwersten lernt:
den stummen und doch verständigen Gehorsam. Dieser ist ihnen nur durch
planmäßige Erziehung einzuimpfen, das lehrt die Erfahrung jeden Tag, und
planmäßig erzogen können die Leute nur werden, wenn sich die erziehende Ein¬
wirkung ununterbrochen geltend macht. Zu diesem Zwecke haben wir ältere
charakterfeste Unteroffiziere nötig, die in steter Verührung mit ihren Unter¬
gebenen imstande sind, sie in die rechten Bahnen zu fuhren. Mannschaften
der ältern Jahrgänge hierzu zu verwenden, wäre gänzlich verfehlt. Sie ge¬
nießen, natürlich vou einzelnen Ausnahmen abgesehen, niemals die Autorität
bei ihren Kameraden, die erforderlich ist, um diese im Zaume zu halten. Wir
dürften in diesem Falle sicher sein, die Disziplin in unsrer Armee sich in kurzer
Zeit gewaltig lockern und anderseits die Strafregister auf eine gewaltige Höhe
steigen zu sehen. Ebensowenig können aber auch Offiziere hier für die fehlenden
Unteroffiziere einspringen, schon deshalb nicht, weil unsre Offiziersetats be¬
kanntlich so gering bemessen sind, daß von den vorhandenen Offizieren kaum
der eigentliche Offizierdienst gethan werden kann. Und auch wenn dies nicht
der Fall wäre, würde man den in Rede stehenden Dienst nicht ohne weiteres
ans die Schultern der Offiziere abwälzen dürfen, da der Offizier nicht ge¬
zwungen werden kann, mit den Untergebenen dauernd zusammen zu wohnen,
was für den Erzieher in diesem Sinne durchaus erforderlich ist.

Ganz ähnlich liegt die Sache hinsichtlich der Einzelausbildung. Nur der
verständige, erfahrene Verufsuntcroffizier, dem ein ganz beschränkter Wirkungs¬
kreis überwiesen ist, vermag jedem einzelnen seiner Leute die peinliche genaue
Schulung angedeihen zu lassen, auf die wir mit Erfolg die Fortbildung gründen
können. Weder der ältere Soldat noch der Offizier ist imstande, hier den
Unteroffizier zu ersetzen. Mag der ältere Soldat noch so eifrig sein, gewöhnlich
fehlt ihm die unentbehrliche Erfahrung, und deshalb der Einfluß und das An¬
sehen; mag der Offizier noch so viel arbeiten, er hat doch nicht die Zeit, jeden
einzelnen der ihm unmittelbar unterstellten Leute gründlich durchzuarbeiten.
Man macht sich ja im gewöhnlichen Leben kaum eiuen Begriff, um welche
ungeheure Arbeit es sich hier handelt. Ich will gar nicht von der Exerzier¬
ausbildung mit und ohne Gewehr, dem Schießen, Turner u. s. w. reden, ich
will nur an die Gewehrreinigung, an die Instandhaltung der Kleidungsstücke
und Waffen, an die Kasernen-, Stuben- und Schrankordnung u. s. w. erinnern.


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[0237] Die nächste Folge eines Mangels an Unteroffizieren ist die geradezu un¬ leidliche Behinderung eines geordneten Betriebes des sogenannten innern Dienstes und die Erschwerung der Einzelausbildung des Mannes. Die Rekruten, die wir bekommen, sind keine Engel, sondern Menschen, und zwar meist Menschen von nicht übermäßig hohem Bildungsgrade und in dem glücklichen Alter von zwanzig bis vierundzwnnzig Jahren, wo der Drang nach Bethätigung der jugendlichen Kraft in allen möglichen Allotria eine recht große Bedeutung hat. Dazu kommt, daß die Rekruten das lernen sollen, was sich am schwersten lernt: den stummen und doch verständigen Gehorsam. Dieser ist ihnen nur durch planmäßige Erziehung einzuimpfen, das lehrt die Erfahrung jeden Tag, und planmäßig erzogen können die Leute nur werden, wenn sich die erziehende Ein¬ wirkung ununterbrochen geltend macht. Zu diesem Zwecke haben wir ältere charakterfeste Unteroffiziere nötig, die in steter Verührung mit ihren Unter¬ gebenen imstande sind, sie in die rechten Bahnen zu fuhren. Mannschaften der ältern Jahrgänge hierzu zu verwenden, wäre gänzlich verfehlt. Sie ge¬ nießen, natürlich vou einzelnen Ausnahmen abgesehen, niemals die Autorität bei ihren Kameraden, die erforderlich ist, um diese im Zaume zu halten. Wir dürften in diesem Falle sicher sein, die Disziplin in unsrer Armee sich in kurzer Zeit gewaltig lockern und anderseits die Strafregister auf eine gewaltige Höhe steigen zu sehen. Ebensowenig können aber auch Offiziere hier für die fehlenden Unteroffiziere einspringen, schon deshalb nicht, weil unsre Offiziersetats be¬ kanntlich so gering bemessen sind, daß von den vorhandenen Offizieren kaum der eigentliche Offizierdienst gethan werden kann. Und auch wenn dies nicht der Fall wäre, würde man den in Rede stehenden Dienst nicht ohne weiteres ans die Schultern der Offiziere abwälzen dürfen, da der Offizier nicht ge¬ zwungen werden kann, mit den Untergebenen dauernd zusammen zu wohnen, was für den Erzieher in diesem Sinne durchaus erforderlich ist. Ganz ähnlich liegt die Sache hinsichtlich der Einzelausbildung. Nur der verständige, erfahrene Verufsuntcroffizier, dem ein ganz beschränkter Wirkungs¬ kreis überwiesen ist, vermag jedem einzelnen seiner Leute die peinliche genaue Schulung angedeihen zu lassen, auf die wir mit Erfolg die Fortbildung gründen können. Weder der ältere Soldat noch der Offizier ist imstande, hier den Unteroffizier zu ersetzen. Mag der ältere Soldat noch so eifrig sein, gewöhnlich fehlt ihm die unentbehrliche Erfahrung, und deshalb der Einfluß und das An¬ sehen; mag der Offizier noch so viel arbeiten, er hat doch nicht die Zeit, jeden einzelnen der ihm unmittelbar unterstellten Leute gründlich durchzuarbeiten. Man macht sich ja im gewöhnlichen Leben kaum eiuen Begriff, um welche ungeheure Arbeit es sich hier handelt. Ich will gar nicht von der Exerzier¬ ausbildung mit und ohne Gewehr, dem Schießen, Turner u. s. w. reden, ich will nur an die Gewehrreinigung, an die Instandhaltung der Kleidungsstücke und Waffen, an die Kasernen-, Stuben- und Schrankordnung u. s. w. erinnern.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/237>, abgerufen am 23.07.2024.