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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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man folgerichtig verfahre" wollte, kein Bedenken getragen, für den Provinzinl-
schulrat den Gehalt und den Rang des Rates dritter Klasse (gleich dem des
Landgerichtspräsidenten und Oberregierungsrates) zu beanspruchen, weil nämlich
den ältern Oberlehrern mit dem Titel "Professor" schon der Rang des Rates
vierter Klasse beigelegt werden soll. Sonderbarerweise scheint man den Juristen
der Provinzialschnlkollegien den Rang dritter Klasse nicht mitbewilligen zu
Wollen, denn es wird in den Grundsätzen verlangt: Die Räte der Provinzial¬
schnlkollegien sollen, "bis auf den Justitiar," Fachmänner mit dem Range eines
Rates dritter Klasse sein. Dementsprechend soll der Präsident des Kollegiums
den Rang des Rates zweiter Klasse (gleich dem des Oberlandesgcrichtspräsidenten
nud des Regierungspräsidenten) erhalten. Dem eigentlichen Träger der Staats¬
verwaltung in dem Hauptverwaltungsbezirk, dem Regierungspräsidenten, soll
also keine höhere Stellung beiwohnen, als dem Leiter des Schulwesens eben dieses
Bezirkes. Ob man wirklich daraufrechnet, diese Forderungen durchzusetzen? Und
ob alle, die sich dazu bekannt haben, sie wirklich für billig und gerecht halten?
Der Grundirrtum, der mir alle diese Unzufriedenheit zu durchsetzen scheint, ist
der, daß man glaubt, jemand, der die Hochschule durchgemacht hat, müsse uun
schon um deswillen bei Anstellung im Staatsdienste derselben dienstlichen Vor¬
teile teilhaftig werden, wie ein andrer akademisch gebildeter Mann, mögen auch
die Anforderungen des Amtes, das jeder bekleidet, noch so verschieden sein.
Oder: da ein guter Unterricht nächst der Unterweisung in Religion und Moral
mit das Wichtigste ist, was sich an idealen, vom Staate gepflegten Gütern
bietet, so müssen die, die dieses wichtigste Gut verwalten, mindestens ebenso
geehrt dastehen, wie andre Beamte. Oder endlich: der Beruf des Lehrers ist
vermöge des Umganges mit Kindern, deren Zucht durch ihre Unarten, und
deren Ausbildung durch den oft vorhandenen Mangel an Bildungsfähigkeit
die größten Schwierigkeiten bereitet, wie auch schou allein vermöge der An¬
strengung der Stimmwerkzeuge derartig angreifend, daß schon dieser Umstand
die größte Berücksichtigung erheischt. So bestechend aber auch diese Grüude
erscheinen, so können sie doch bei Entscheidung der Zweifel über die Gehalts¬
und sonstige Dienststelluug des Lehrers im Vergleich zu andern Beamten nicht
den Ausschlag geben. Denn an Wichtigkeit für unser Leben werden die idealen
Güter überhaupt von manchen durch das Handwerk erzeugten, recht realen,
weit übertroffen, namentlich was Nahrung, Kleidung und Wohnung betrifft;
ebenso ist das Angreifende der Berufsarbeit bei vielen niedern Erwerbszweigen,
z. V. beim Bergbau, viel größer als im Unterrichtsfache, sodciß man auch
darnach allein die Arbeitsvergütung schwerlich festsetzen darf. Es kommt doch
wohl vielmehr darauf an, zu untersuchen: Welches ist die Bedeutung, die unter
Abwägung aller in Betracht kommenden Beziehungen das betreffende Amt im
Staate hat? Inwiefern ist es nötig, gerade das eine oder andre Amt mit
besondern: Ausehen zu umkleiden, sodaß dieses Ausehen demjenigen Teile der


man folgerichtig verfahre» wollte, kein Bedenken getragen, für den Provinzinl-
schulrat den Gehalt und den Rang des Rates dritter Klasse (gleich dem des
Landgerichtspräsidenten und Oberregierungsrates) zu beanspruchen, weil nämlich
den ältern Oberlehrern mit dem Titel „Professor" schon der Rang des Rates
vierter Klasse beigelegt werden soll. Sonderbarerweise scheint man den Juristen
der Provinzialschnlkollegien den Rang dritter Klasse nicht mitbewilligen zu
Wollen, denn es wird in den Grundsätzen verlangt: Die Räte der Provinzial¬
schnlkollegien sollen, „bis auf den Justitiar," Fachmänner mit dem Range eines
Rates dritter Klasse sein. Dementsprechend soll der Präsident des Kollegiums
den Rang des Rates zweiter Klasse (gleich dem des Oberlandesgcrichtspräsidenten
nud des Regierungspräsidenten) erhalten. Dem eigentlichen Träger der Staats¬
verwaltung in dem Hauptverwaltungsbezirk, dem Regierungspräsidenten, soll
also keine höhere Stellung beiwohnen, als dem Leiter des Schulwesens eben dieses
Bezirkes. Ob man wirklich daraufrechnet, diese Forderungen durchzusetzen? Und
ob alle, die sich dazu bekannt haben, sie wirklich für billig und gerecht halten?
Der Grundirrtum, der mir alle diese Unzufriedenheit zu durchsetzen scheint, ist
der, daß man glaubt, jemand, der die Hochschule durchgemacht hat, müsse uun
schon um deswillen bei Anstellung im Staatsdienste derselben dienstlichen Vor¬
teile teilhaftig werden, wie ein andrer akademisch gebildeter Mann, mögen auch
die Anforderungen des Amtes, das jeder bekleidet, noch so verschieden sein.
Oder: da ein guter Unterricht nächst der Unterweisung in Religion und Moral
mit das Wichtigste ist, was sich an idealen, vom Staate gepflegten Gütern
bietet, so müssen die, die dieses wichtigste Gut verwalten, mindestens ebenso
geehrt dastehen, wie andre Beamte. Oder endlich: der Beruf des Lehrers ist
vermöge des Umganges mit Kindern, deren Zucht durch ihre Unarten, und
deren Ausbildung durch den oft vorhandenen Mangel an Bildungsfähigkeit
die größten Schwierigkeiten bereitet, wie auch schou allein vermöge der An¬
strengung der Stimmwerkzeuge derartig angreifend, daß schon dieser Umstand
die größte Berücksichtigung erheischt. So bestechend aber auch diese Grüude
erscheinen, so können sie doch bei Entscheidung der Zweifel über die Gehalts¬
und sonstige Dienststelluug des Lehrers im Vergleich zu andern Beamten nicht
den Ausschlag geben. Denn an Wichtigkeit für unser Leben werden die idealen
Güter überhaupt von manchen durch das Handwerk erzeugten, recht realen,
weit übertroffen, namentlich was Nahrung, Kleidung und Wohnung betrifft;
ebenso ist das Angreifende der Berufsarbeit bei vielen niedern Erwerbszweigen,
z. V. beim Bergbau, viel größer als im Unterrichtsfache, sodciß man auch
darnach allein die Arbeitsvergütung schwerlich festsetzen darf. Es kommt doch
wohl vielmehr darauf an, zu untersuchen: Welches ist die Bedeutung, die unter
Abwägung aller in Betracht kommenden Beziehungen das betreffende Amt im
Staate hat? Inwiefern ist es nötig, gerade das eine oder andre Amt mit
besondern: Ausehen zu umkleiden, sodaß dieses Ausehen demjenigen Teile der


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[0171] man folgerichtig verfahre» wollte, kein Bedenken getragen, für den Provinzinl- schulrat den Gehalt und den Rang des Rates dritter Klasse (gleich dem des Landgerichtspräsidenten und Oberregierungsrates) zu beanspruchen, weil nämlich den ältern Oberlehrern mit dem Titel „Professor" schon der Rang des Rates vierter Klasse beigelegt werden soll. Sonderbarerweise scheint man den Juristen der Provinzialschnlkollegien den Rang dritter Klasse nicht mitbewilligen zu Wollen, denn es wird in den Grundsätzen verlangt: Die Räte der Provinzial¬ schnlkollegien sollen, „bis auf den Justitiar," Fachmänner mit dem Range eines Rates dritter Klasse sein. Dementsprechend soll der Präsident des Kollegiums den Rang des Rates zweiter Klasse (gleich dem des Oberlandesgcrichtspräsidenten nud des Regierungspräsidenten) erhalten. Dem eigentlichen Träger der Staats¬ verwaltung in dem Hauptverwaltungsbezirk, dem Regierungspräsidenten, soll also keine höhere Stellung beiwohnen, als dem Leiter des Schulwesens eben dieses Bezirkes. Ob man wirklich daraufrechnet, diese Forderungen durchzusetzen? Und ob alle, die sich dazu bekannt haben, sie wirklich für billig und gerecht halten? Der Grundirrtum, der mir alle diese Unzufriedenheit zu durchsetzen scheint, ist der, daß man glaubt, jemand, der die Hochschule durchgemacht hat, müsse uun schon um deswillen bei Anstellung im Staatsdienste derselben dienstlichen Vor¬ teile teilhaftig werden, wie ein andrer akademisch gebildeter Mann, mögen auch die Anforderungen des Amtes, das jeder bekleidet, noch so verschieden sein. Oder: da ein guter Unterricht nächst der Unterweisung in Religion und Moral mit das Wichtigste ist, was sich an idealen, vom Staate gepflegten Gütern bietet, so müssen die, die dieses wichtigste Gut verwalten, mindestens ebenso geehrt dastehen, wie andre Beamte. Oder endlich: der Beruf des Lehrers ist vermöge des Umganges mit Kindern, deren Zucht durch ihre Unarten, und deren Ausbildung durch den oft vorhandenen Mangel an Bildungsfähigkeit die größten Schwierigkeiten bereitet, wie auch schou allein vermöge der An¬ strengung der Stimmwerkzeuge derartig angreifend, daß schon dieser Umstand die größte Berücksichtigung erheischt. So bestechend aber auch diese Grüude erscheinen, so können sie doch bei Entscheidung der Zweifel über die Gehalts¬ und sonstige Dienststelluug des Lehrers im Vergleich zu andern Beamten nicht den Ausschlag geben. Denn an Wichtigkeit für unser Leben werden die idealen Güter überhaupt von manchen durch das Handwerk erzeugten, recht realen, weit übertroffen, namentlich was Nahrung, Kleidung und Wohnung betrifft; ebenso ist das Angreifende der Berufsarbeit bei vielen niedern Erwerbszweigen, z. V. beim Bergbau, viel größer als im Unterrichtsfache, sodciß man auch darnach allein die Arbeitsvergütung schwerlich festsetzen darf. Es kommt doch wohl vielmehr darauf an, zu untersuchen: Welches ist die Bedeutung, die unter Abwägung aller in Betracht kommenden Beziehungen das betreffende Amt im Staate hat? Inwiefern ist es nötig, gerade das eine oder andre Amt mit besondern: Ausehen zu umkleiden, sodaß dieses Ausehen demjenigen Teile der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/171>, abgerufen am 25.08.2024.