Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Römische Frühlingsbilder

den Sitzen dieser Terrasse liegt, much Tagen und Wochen wiederzugeben! Vor
dem innern Auge steht der wechselvolle Reichtum so lebendig, so unvergeßlich,
von der Sonne eines klaren römischen Mainachmittags überglänzt, der blaue
Himmel, von den ersten Abendfarben leis angehaucht, über dem Ganzen, die
duftigsten Schimmer um die grauen Niesentrümmer der Thermen und der
Wasserleitung, die übergrünte Grüberstraße der Via Appia, um die schön-
geschwungenen Linien der Bergferne -- aber die Hand ist zu ungeschickt zur
treuen anschaulichen Schilderung. Auch Null die Aufzählung des Einzelnen
wenig behagen. Rechts in der Tiefe, über deu Pachthof und die untern
Wiesen der Villa und die fast endlose Via San Sebastiano hinweg, heben sich
die dunkeln Steinmassen der Caraeallathermen gegen den Horizont ab, das
Gewirr der Straßen nud verstreuten Bauten, der Hügel und Vignen, das sich
hinter den Mauern ausbreitet, die zwei Jahrtausenden getrotzt haben, schwimmt
im Licht zu großen übersichtlichen Massen zusammen und teilt sich doch wieder,
sobald das Auge auf bestimmten Punkten weilen will. In voller Farbenpracht
streckt sich jenseits der Umfassungsmauer Roms, die man von hier oben in
laugen Linien und weiten Bogen übersehen kann, die wellige Ebne hin, meist
noch so frisch und grün, wie wir sie während der ersten Wochen in Rom
gesehen haben, aber hie und da doch schon sounengebräunter, dunkler. Wunder¬
bare blaue Schatten weben um die Anßenkirchen, die Pachthöfe in alten Burg¬
mauern, die baumbewachsenen Grabhügel, die Aquädukte, die zum Teil die
Eisenstraßen wie die Fahrstraßen verdecken. Über die Tavolatavertiefuug hin
scheinen die Albanerberge mit ihren Städtchen, Schlössern und Dörfern ganz
nahe zu rücken, deutlich und hell treten ihre Weißen Häuser auf dem dunklen
Wald-, dem farbigen Felshintergrunde hervor, Castel Gandolfo, Grotta Ferrata,
Frascati und Rocca ti Papa lassen sich gut unterscheiden, gegen Südost
hin verliert das herrliche Bild an Deutlichkeit, wahrscheinlich sind es Nebel
aus den sumpfigen Niederungen des Tiberthals und der Selven, die sich dort
verdichten. Die Hauptsache von alledem aber: das entzückende Jneinanderspiel
der Farben, die leisen feinen Übergänge der Fläche zu den Bergen, den kräftig
vor- und emporspringenden Punkten, den malerischen Vanmgruppeu, die un-
merklichen und nach je einer Viertelstunde doch merkbaren Veränderungen
innerhalb des weitgespannten Nahmens, dies alles malt kein Pinsel, geschweige
denn eine Feder. Sucht der Blick nach einem Ruhepunkte, so senkt er sich
unwillkürlich auf die Fülle des umgebenden Laubes und zurück in das Halb¬
dunkel grüner Gänge, die von einzelnen Sonuenstreifen durchzittert sind und
aus der Weite wieder in die Enge locken. Der Wechsel fesselnder Fern- und
Rundsichten und der träumerischen Abgeschlossenheit zwischen dichten Hecken
und bis zum Boden belaubten Stämmen ist wohl allen diesen Villen
eigen, ich habe ihn nirgends voller genossen, als im Garten der Villa
Mattei.


Römische Frühlingsbilder

den Sitzen dieser Terrasse liegt, much Tagen und Wochen wiederzugeben! Vor
dem innern Auge steht der wechselvolle Reichtum so lebendig, so unvergeßlich,
von der Sonne eines klaren römischen Mainachmittags überglänzt, der blaue
Himmel, von den ersten Abendfarben leis angehaucht, über dem Ganzen, die
duftigsten Schimmer um die grauen Niesentrümmer der Thermen und der
Wasserleitung, die übergrünte Grüberstraße der Via Appia, um die schön-
geschwungenen Linien der Bergferne — aber die Hand ist zu ungeschickt zur
treuen anschaulichen Schilderung. Auch Null die Aufzählung des Einzelnen
wenig behagen. Rechts in der Tiefe, über deu Pachthof und die untern
Wiesen der Villa und die fast endlose Via San Sebastiano hinweg, heben sich
die dunkeln Steinmassen der Caraeallathermen gegen den Horizont ab, das
Gewirr der Straßen nud verstreuten Bauten, der Hügel und Vignen, das sich
hinter den Mauern ausbreitet, die zwei Jahrtausenden getrotzt haben, schwimmt
im Licht zu großen übersichtlichen Massen zusammen und teilt sich doch wieder,
sobald das Auge auf bestimmten Punkten weilen will. In voller Farbenpracht
streckt sich jenseits der Umfassungsmauer Roms, die man von hier oben in
laugen Linien und weiten Bogen übersehen kann, die wellige Ebne hin, meist
noch so frisch und grün, wie wir sie während der ersten Wochen in Rom
gesehen haben, aber hie und da doch schon sounengebräunter, dunkler. Wunder¬
bare blaue Schatten weben um die Anßenkirchen, die Pachthöfe in alten Burg¬
mauern, die baumbewachsenen Grabhügel, die Aquädukte, die zum Teil die
Eisenstraßen wie die Fahrstraßen verdecken. Über die Tavolatavertiefuug hin
scheinen die Albanerberge mit ihren Städtchen, Schlössern und Dörfern ganz
nahe zu rücken, deutlich und hell treten ihre Weißen Häuser auf dem dunklen
Wald-, dem farbigen Felshintergrunde hervor, Castel Gandolfo, Grotta Ferrata,
Frascati und Rocca ti Papa lassen sich gut unterscheiden, gegen Südost
hin verliert das herrliche Bild an Deutlichkeit, wahrscheinlich sind es Nebel
aus den sumpfigen Niederungen des Tiberthals und der Selven, die sich dort
verdichten. Die Hauptsache von alledem aber: das entzückende Jneinanderspiel
der Farben, die leisen feinen Übergänge der Fläche zu den Bergen, den kräftig
vor- und emporspringenden Punkten, den malerischen Vanmgruppeu, die un-
merklichen und nach je einer Viertelstunde doch merkbaren Veränderungen
innerhalb des weitgespannten Nahmens, dies alles malt kein Pinsel, geschweige
denn eine Feder. Sucht der Blick nach einem Ruhepunkte, so senkt er sich
unwillkürlich auf die Fülle des umgebenden Laubes und zurück in das Halb¬
dunkel grüner Gänge, die von einzelnen Sonuenstreifen durchzittert sind und
aus der Weite wieder in die Enge locken. Der Wechsel fesselnder Fern- und
Rundsichten und der träumerischen Abgeschlossenheit zwischen dichten Hecken
und bis zum Boden belaubten Stämmen ist wohl allen diesen Villen
eigen, ich habe ihn nirgends voller genossen, als im Garten der Villa
Mattei.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0135" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/208714"/>
          <fw type="header" place="top"> Römische Frühlingsbilder</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_361" prev="#ID_360"> den Sitzen dieser Terrasse liegt, much Tagen und Wochen wiederzugeben! Vor<lb/>
dem innern Auge steht der wechselvolle Reichtum so lebendig, so unvergeßlich,<lb/>
von der Sonne eines klaren römischen Mainachmittags überglänzt, der blaue<lb/>
Himmel, von den ersten Abendfarben leis angehaucht, über dem Ganzen, die<lb/>
duftigsten Schimmer um die grauen Niesentrümmer der Thermen und der<lb/>
Wasserleitung, die übergrünte Grüberstraße der Via Appia, um die schön-<lb/>
geschwungenen Linien der Bergferne &#x2014; aber die Hand ist zu ungeschickt zur<lb/>
treuen anschaulichen Schilderung. Auch Null die Aufzählung des Einzelnen<lb/>
wenig behagen. Rechts in der Tiefe, über deu Pachthof und die untern<lb/>
Wiesen der Villa und die fast endlose Via San Sebastiano hinweg, heben sich<lb/>
die dunkeln Steinmassen der Caraeallathermen gegen den Horizont ab, das<lb/>
Gewirr der Straßen nud verstreuten Bauten, der Hügel und Vignen, das sich<lb/>
hinter den Mauern ausbreitet, die zwei Jahrtausenden getrotzt haben, schwimmt<lb/>
im Licht zu großen übersichtlichen Massen zusammen und teilt sich doch wieder,<lb/>
sobald das Auge auf bestimmten Punkten weilen will. In voller Farbenpracht<lb/>
streckt sich jenseits der Umfassungsmauer Roms, die man von hier oben in<lb/>
laugen Linien und weiten Bogen übersehen kann, die wellige Ebne hin, meist<lb/>
noch so frisch und grün, wie wir sie während der ersten Wochen in Rom<lb/>
gesehen haben, aber hie und da doch schon sounengebräunter, dunkler. Wunder¬<lb/>
bare blaue Schatten weben um die Anßenkirchen, die Pachthöfe in alten Burg¬<lb/>
mauern, die baumbewachsenen Grabhügel, die Aquädukte, die zum Teil die<lb/>
Eisenstraßen wie die Fahrstraßen verdecken. Über die Tavolatavertiefuug hin<lb/>
scheinen die Albanerberge mit ihren Städtchen, Schlössern und Dörfern ganz<lb/>
nahe zu rücken, deutlich und hell treten ihre Weißen Häuser auf dem dunklen<lb/>
Wald-, dem farbigen Felshintergrunde hervor, Castel Gandolfo, Grotta Ferrata,<lb/>
Frascati und Rocca ti Papa lassen sich gut unterscheiden, gegen Südost<lb/>
hin verliert das herrliche Bild an Deutlichkeit, wahrscheinlich sind es Nebel<lb/>
aus den sumpfigen Niederungen des Tiberthals und der Selven, die sich dort<lb/>
verdichten. Die Hauptsache von alledem aber: das entzückende Jneinanderspiel<lb/>
der Farben, die leisen feinen Übergänge der Fläche zu den Bergen, den kräftig<lb/>
vor- und emporspringenden Punkten, den malerischen Vanmgruppeu, die un-<lb/>
merklichen und nach je einer Viertelstunde doch merkbaren Veränderungen<lb/>
innerhalb des weitgespannten Nahmens, dies alles malt kein Pinsel, geschweige<lb/>
denn eine Feder. Sucht der Blick nach einem Ruhepunkte, so senkt er sich<lb/>
unwillkürlich auf die Fülle des umgebenden Laubes und zurück in das Halb¬<lb/>
dunkel grüner Gänge, die von einzelnen Sonuenstreifen durchzittert sind und<lb/>
aus der Weite wieder in die Enge locken. Der Wechsel fesselnder Fern- und<lb/>
Rundsichten und der träumerischen Abgeschlossenheit zwischen dichten Hecken<lb/>
und bis zum Boden belaubten Stämmen ist wohl allen diesen Villen<lb/>
eigen, ich habe ihn nirgends voller genossen, als im Garten der Villa<lb/>
Mattei.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0135] Römische Frühlingsbilder den Sitzen dieser Terrasse liegt, much Tagen und Wochen wiederzugeben! Vor dem innern Auge steht der wechselvolle Reichtum so lebendig, so unvergeßlich, von der Sonne eines klaren römischen Mainachmittags überglänzt, der blaue Himmel, von den ersten Abendfarben leis angehaucht, über dem Ganzen, die duftigsten Schimmer um die grauen Niesentrümmer der Thermen und der Wasserleitung, die übergrünte Grüberstraße der Via Appia, um die schön- geschwungenen Linien der Bergferne — aber die Hand ist zu ungeschickt zur treuen anschaulichen Schilderung. Auch Null die Aufzählung des Einzelnen wenig behagen. Rechts in der Tiefe, über deu Pachthof und die untern Wiesen der Villa und die fast endlose Via San Sebastiano hinweg, heben sich die dunkeln Steinmassen der Caraeallathermen gegen den Horizont ab, das Gewirr der Straßen nud verstreuten Bauten, der Hügel und Vignen, das sich hinter den Mauern ausbreitet, die zwei Jahrtausenden getrotzt haben, schwimmt im Licht zu großen übersichtlichen Massen zusammen und teilt sich doch wieder, sobald das Auge auf bestimmten Punkten weilen will. In voller Farbenpracht streckt sich jenseits der Umfassungsmauer Roms, die man von hier oben in laugen Linien und weiten Bogen übersehen kann, die wellige Ebne hin, meist noch so frisch und grün, wie wir sie während der ersten Wochen in Rom gesehen haben, aber hie und da doch schon sounengebräunter, dunkler. Wunder¬ bare blaue Schatten weben um die Anßenkirchen, die Pachthöfe in alten Burg¬ mauern, die baumbewachsenen Grabhügel, die Aquädukte, die zum Teil die Eisenstraßen wie die Fahrstraßen verdecken. Über die Tavolatavertiefuug hin scheinen die Albanerberge mit ihren Städtchen, Schlössern und Dörfern ganz nahe zu rücken, deutlich und hell treten ihre Weißen Häuser auf dem dunklen Wald-, dem farbigen Felshintergrunde hervor, Castel Gandolfo, Grotta Ferrata, Frascati und Rocca ti Papa lassen sich gut unterscheiden, gegen Südost hin verliert das herrliche Bild an Deutlichkeit, wahrscheinlich sind es Nebel aus den sumpfigen Niederungen des Tiberthals und der Selven, die sich dort verdichten. Die Hauptsache von alledem aber: das entzückende Jneinanderspiel der Farben, die leisen feinen Übergänge der Fläche zu den Bergen, den kräftig vor- und emporspringenden Punkten, den malerischen Vanmgruppeu, die un- merklichen und nach je einer Viertelstunde doch merkbaren Veränderungen innerhalb des weitgespannten Nahmens, dies alles malt kein Pinsel, geschweige denn eine Feder. Sucht der Blick nach einem Ruhepunkte, so senkt er sich unwillkürlich auf die Fülle des umgebenden Laubes und zurück in das Halb¬ dunkel grüner Gänge, die von einzelnen Sonuenstreifen durchzittert sind und aus der Weite wieder in die Enge locken. Der Wechsel fesselnder Fern- und Rundsichten und der träumerischen Abgeschlossenheit zwischen dichten Hecken und bis zum Boden belaubten Stämmen ist wohl allen diesen Villen eigen, ich habe ihn nirgends voller genossen, als im Garten der Villa Mattei.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/135
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/135>, abgerufen am 23.07.2024.