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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Zur Frage dar Besetzung des Bischofsstuhls i" Straschurg

Da die Kurie bei verschiednen Gelegenheiten, z. B. wenn die geltenden
Bestimmungen nicht ausreichten, auf das kanonische Recht wie auf ein snbsidicir
geltendes gemeines Recht zurückgegriffen hat (u. a, 1804, als es sich um
Wiederherstellung des Rechtes der Kapitel handelte, bei Erledigungen Kapitular-
vikare zu ernennen, welches Recht durch Dekret vom 28. Februar 1810 zuge¬
standen worden ist), so läge es auch für den Staat nahe, auf die Erörterungen
und Versuche zurückzugreifen, die früher aus kanonischen Recht geschöpft worden
sind. Doch hat der Staat noch niemals Glück gehabt, wenn er der Kurie
mit Waffen begegnen wollte, die ans den: kanonischen Arsenal geholt waren;
auch handelte es sich früher im Grnnde mir um Verweigerung der kanonischen
Institution gegeuüber der staatlichen Ernennung. Napoleon I. ließ z. B. das
Erzbistum Paris durch deu von Rom nicht anerkannten Erzbischof Maury als
Kapitularviknr verwalten, ähnlich wie Bossuet, als Rom sich 1682 bis 1693
eigensinnig verhielt, dem Könige geraten hatte, die Bistümer durch die er¬
nannten Prälaten als Kapitularvikare verwalten zu lassen. Der Papst könnte
aber mit Ernennung von apostolischen Vikaren oder Delegaten des heiligen
Stuhles antworten, wie dies 1811 geschehen ist. Alle diese Fälle sind nicht zu¬
treffend, weil das staatliche Ernennnngsrecht selbst, wie anerkannt ist, heute
nicht mehr besteht, und weil die Kapitel sich kaum gefügig zeigen dürften. Es
ist deshalb nicht abzusehen, welchen Erfolg z. B. Friedberg voraussah, als
er meinte, man müsse unter Umständen in Elsaß-Lothringen auf die Rechte
der Kapitel zurückgreifen. So weit wird es die Kurie nicht kommen lassen,
und deshalb'wäre es ein müßiges Unternehmen, für solche Fälle sich nach
kanonischen Waffen umzusehen, die wahrscheinlich versagen würden.

Wir müssen uns innerhalb der Herrschaftszeit und des Geltungsbereichs
des Konkordates halten. In Frankreich selbst kam die Angelegenheit zur Be¬
sprechung, als 1844 die Möglichkeit einer Regentschaft der Herzogin von
Orleans in Aussicht stand. Montalembert sprach damals die Meinung aus:
L'it avg.it uns i'og'iznos ocmllvs s. ckss rng-ins prot<Z8tgnt.v", it v imrg.it, usu
as rvnouvöler 1o eoiuzorägt,, beging also genau denselben vom Wunsche ge¬
tragenen Irrtum , den Kardinal Antvnelli in seinem ersten Schreiben vom
3. Januar 1872 ausgesprochen hat. Dupin bemerkt hierzu, indem er sich
auf einen Ausspruch Ludwigs XVIII. beruft, daß auch die Ernennung durch
einen Regenten uur on vvrim cku etroit, iubvrvut ü. ig, ocmronuv erfolgen könne.
Dieser einzige Fall der Erörterung der Frage in Frankreich ist nicht zu that¬
sächlichen Ergebnissen gediehen. Als die ehemaligen französischen rheinischen
Departements, in denen das Konkordat mit Dekret vom 14. Floreal des
Jahres X eingeführt worden war, vou Preußen übernommen wurden, kam
diese Frage nicht zur Austragung. Preußen ist wegen der Bistumsgrenzen
nicht ans Grund des Konkordates (Art. 17) mit der Kurie in Verhandlung
getreten. Zwischen der Bulle saints -i.umrg.rum vom 16. Juli 1821 und


Zur Frage dar Besetzung des Bischofsstuhls i» Straschurg

Da die Kurie bei verschiednen Gelegenheiten, z. B. wenn die geltenden
Bestimmungen nicht ausreichten, auf das kanonische Recht wie auf ein snbsidicir
geltendes gemeines Recht zurückgegriffen hat (u. a, 1804, als es sich um
Wiederherstellung des Rechtes der Kapitel handelte, bei Erledigungen Kapitular-
vikare zu ernennen, welches Recht durch Dekret vom 28. Februar 1810 zuge¬
standen worden ist), so läge es auch für den Staat nahe, auf die Erörterungen
und Versuche zurückzugreifen, die früher aus kanonischen Recht geschöpft worden
sind. Doch hat der Staat noch niemals Glück gehabt, wenn er der Kurie
mit Waffen begegnen wollte, die ans den: kanonischen Arsenal geholt waren;
auch handelte es sich früher im Grnnde mir um Verweigerung der kanonischen
Institution gegeuüber der staatlichen Ernennung. Napoleon I. ließ z. B. das
Erzbistum Paris durch deu von Rom nicht anerkannten Erzbischof Maury als
Kapitularviknr verwalten, ähnlich wie Bossuet, als Rom sich 1682 bis 1693
eigensinnig verhielt, dem Könige geraten hatte, die Bistümer durch die er¬
nannten Prälaten als Kapitularvikare verwalten zu lassen. Der Papst könnte
aber mit Ernennung von apostolischen Vikaren oder Delegaten des heiligen
Stuhles antworten, wie dies 1811 geschehen ist. Alle diese Fälle sind nicht zu¬
treffend, weil das staatliche Ernennnngsrecht selbst, wie anerkannt ist, heute
nicht mehr besteht, und weil die Kapitel sich kaum gefügig zeigen dürften. Es
ist deshalb nicht abzusehen, welchen Erfolg z. B. Friedberg voraussah, als
er meinte, man müsse unter Umständen in Elsaß-Lothringen auf die Rechte
der Kapitel zurückgreifen. So weit wird es die Kurie nicht kommen lassen,
und deshalb'wäre es ein müßiges Unternehmen, für solche Fälle sich nach
kanonischen Waffen umzusehen, die wahrscheinlich versagen würden.

Wir müssen uns innerhalb der Herrschaftszeit und des Geltungsbereichs
des Konkordates halten. In Frankreich selbst kam die Angelegenheit zur Be¬
sprechung, als 1844 die Möglichkeit einer Regentschaft der Herzogin von
Orleans in Aussicht stand. Montalembert sprach damals die Meinung aus:
L'it avg.it uns i'og'iznos ocmllvs s. ckss rng-ins prot<Z8tgnt.v«, it v imrg.it, usu
as rvnouvöler 1o eoiuzorägt,, beging also genau denselben vom Wunsche ge¬
tragenen Irrtum , den Kardinal Antvnelli in seinem ersten Schreiben vom
3. Januar 1872 ausgesprochen hat. Dupin bemerkt hierzu, indem er sich
auf einen Ausspruch Ludwigs XVIII. beruft, daß auch die Ernennung durch
einen Regenten uur on vvrim cku etroit, iubvrvut ü. ig, ocmronuv erfolgen könne.
Dieser einzige Fall der Erörterung der Frage in Frankreich ist nicht zu that¬
sächlichen Ergebnissen gediehen. Als die ehemaligen französischen rheinischen
Departements, in denen das Konkordat mit Dekret vom 14. Floreal des
Jahres X eingeführt worden war, vou Preußen übernommen wurden, kam
diese Frage nicht zur Austragung. Preußen ist wegen der Bistumsgrenzen
nicht ans Grund des Konkordates (Art. 17) mit der Kurie in Verhandlung
getreten. Zwischen der Bulle saints -i.umrg.rum vom 16. Juli 1821 und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/118>, abgerufen am 25.08.2024.