Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.Zur Lehre von der strafrechtlichen Zurechnungsfähigkeit Die gegenwärtige Erörterung bezweckt, diese Sätze um der Hand des Ge¬ Das Strafgesetzbuch bestimmt: § 81. Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn der Thäter zur 8 52, Abs. 1. Eine strafbare Handlung ist uicht vorhanden, wenn der Beiden Bestimmungen gemeinsam ist die Voraussetzung, daß die sreie Willens- Zur Beantwortung dieser Fragen muß auf die Entstehungsgeschichte des II 11,'^ Ä IU <,'!'!>>:>'. ni Zölle, 1ors<zus is xrüvsmr 6kalt "Zir leg>t As äsllionoö Z 40 des preußischen Strafgesetzbuchs: Ein Verbrechen oder Bergeheu ist nicht vorhanden, wenn der Thäter zur Zeit Gegen die letzte Bestimmung wurde geltend gemacht, daß sie zu eng sei, Zur Lehre von der strafrechtlichen Zurechnungsfähigkeit Die gegenwärtige Erörterung bezweckt, diese Sätze um der Hand des Ge¬ Das Strafgesetzbuch bestimmt: § 81. Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn der Thäter zur 8 52, Abs. 1. Eine strafbare Handlung ist uicht vorhanden, wenn der Beiden Bestimmungen gemeinsam ist die Voraussetzung, daß die sreie Willens- Zur Beantwortung dieser Fragen muß auf die Entstehungsgeschichte des II 11,'^ Ä IU <,'!'!>>:>'. ni Zölle, 1ors<zus is xrüvsmr 6kalt «Zir leg>t As äsllionoö Z 40 des preußischen Strafgesetzbuchs: Ein Verbrechen oder Bergeheu ist nicht vorhanden, wenn der Thäter zur Zeit Gegen die letzte Bestimmung wurde geltend gemacht, daß sie zu eng sei, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0066" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/208003"/> <fw type="header" place="top"> Zur Lehre von der strafrechtlichen Zurechnungsfähigkeit</fw><lb/> <p xml:id="ID_153"> Die gegenwärtige Erörterung bezweckt, diese Sätze um der Hand des Ge¬<lb/> setzes zu prüfen, und wird sich in diesen Grenzen halten.</p><lb/> <p xml:id="ID_154"> Das Strafgesetzbuch bestimmt:</p><lb/> <p xml:id="ID_155"> § 81. Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn der Thäter zur<lb/> Zeit der Begehung der Handlung sich in einem Zustande von Bewußtlosigkeit oder<lb/> krankhafter Störung der Geistesthätigkeit befand, durch welchen seine freie Willens-<lb/> bestimmnng ausgeschlossen war.</p><lb/> <p xml:id="ID_156"> 8 52, Abs. 1. Eine strafbare Handlung ist uicht vorhanden, wenn der<lb/> Thäter durch unwiderstehliche Gewalt oder durch eine Drohung, welche mit eiuer<lb/> gegenwärtigen, aus andre Weise nicht abwendbaren Gefahr für Leib und Leben<lb/> seiner selbst oder eines Angehörigen verbunden war, zu der Handlung genötigt<lb/> worden ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_157"> Beiden Bestimmungen gemeinsam ist die Voraussetzung, daß die sreie Willens-<lb/> bestimmung des Thäters ausgeschlossen sei; und man sollte meinen, daß<lb/> es hierauf allein und uicht auf die Ursachen des Ausschlusses ankomme. Es<lb/> entsteht daher die Frage, ob das Gesetz auch dann anzuwenden ist, wenn wegen<lb/> geistiger Mängel die freie Willensbestimmung des Thäters ausgeschlossen war,<lb/> er sich aber weder in einem Zustande von Bewußtlosigkeit, noch in einem Zu¬<lb/> stande krankhafter Störung der Geistesthätigkeit befunden hat. Weiter entsteht<lb/> die Frage, was unter Bewußtlosigkeit und krankhafter Störung der Geistes¬<lb/> thätigkeit zu verstehen ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_158"> Zur Beantwortung dieser Fragen muß auf die Entstehungsgeschichte des<lb/> Gesetzes zurückgegangen werden. Dem Gesetze liegt das preußische Strafgesetz¬<lb/> buch, diesem wieder der französische ^oäs xkrml zu gründe. Art. 64 des lüoels<lb/> pong.1 lautet:</p><lb/> <p xml:id="ID_159"> II 11,'^ Ä IU <,'!'!>>:>'. ni Zölle, 1ors<zus is xrüvsmr 6kalt «Zir leg>t As äsllionoö<lb/> SU <BM,P8 ü<z 1'aotion, VN lorsqu'it Ä 6t6 vontiA-int xai' ruf korvs Ä Ill^uÄls it<lb/> ki'n pu I'SListor.</p><lb/> <p xml:id="ID_160"> Z 40 des preußischen Strafgesetzbuchs:</p><lb/> <p xml:id="ID_161"> Ein Verbrechen oder Bergeheu ist nicht vorhanden, wenn der Thäter zur Zeit<lb/> der That wahnsinnig oder blödsinnig, oder die freie Willeusbestimmung desselben<lb/> durch Gewalt oder durch Drohung ausgeschlossen war.</p><lb/> <p xml:id="ID_162"> Gegen die letzte Bestimmung wurde geltend gemacht, daß sie zu eng sei,<lb/> weil es außer Wahnsinn und Blödsinn noch Seelenzustände gebe, die die straf¬<lb/> rechtliche Zurechnungsfühigkeit ausschlossen. In der Rechtsprechung habe man<lb/> unter den Begriff des Wahnsinns und Blödsinns Krankheitsformen eingezwängt,<lb/> die nach Annahme der medizinischen Wissenschaft nicht wohl darunter zu be¬<lb/> greifen wären, außerdem fasse das Landrecht den Begriff des Wahnsinns und<lb/> Blödsinns anders auf als die medizinische Wissenschaft, und zum Teil anders<lb/> als das preußische Strafgesetzbuch. Die statt der preußischen Vorschriften in<lb/> dem ersten Entwurf des jetzigen Strafgesetzbuchs vorgeschlagene Bestimmung<lb/> lautete daher:</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0066]
Zur Lehre von der strafrechtlichen Zurechnungsfähigkeit
Die gegenwärtige Erörterung bezweckt, diese Sätze um der Hand des Ge¬
setzes zu prüfen, und wird sich in diesen Grenzen halten.
Das Strafgesetzbuch bestimmt:
§ 81. Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn der Thäter zur
Zeit der Begehung der Handlung sich in einem Zustande von Bewußtlosigkeit oder
krankhafter Störung der Geistesthätigkeit befand, durch welchen seine freie Willens-
bestimmnng ausgeschlossen war.
8 52, Abs. 1. Eine strafbare Handlung ist uicht vorhanden, wenn der
Thäter durch unwiderstehliche Gewalt oder durch eine Drohung, welche mit eiuer
gegenwärtigen, aus andre Weise nicht abwendbaren Gefahr für Leib und Leben
seiner selbst oder eines Angehörigen verbunden war, zu der Handlung genötigt
worden ist.
Beiden Bestimmungen gemeinsam ist die Voraussetzung, daß die sreie Willens-
bestimmung des Thäters ausgeschlossen sei; und man sollte meinen, daß
es hierauf allein und uicht auf die Ursachen des Ausschlusses ankomme. Es
entsteht daher die Frage, ob das Gesetz auch dann anzuwenden ist, wenn wegen
geistiger Mängel die freie Willensbestimmung des Thäters ausgeschlossen war,
er sich aber weder in einem Zustande von Bewußtlosigkeit, noch in einem Zu¬
stande krankhafter Störung der Geistesthätigkeit befunden hat. Weiter entsteht
die Frage, was unter Bewußtlosigkeit und krankhafter Störung der Geistes¬
thätigkeit zu verstehen ist.
Zur Beantwortung dieser Fragen muß auf die Entstehungsgeschichte des
Gesetzes zurückgegangen werden. Dem Gesetze liegt das preußische Strafgesetz¬
buch, diesem wieder der französische ^oäs xkrml zu gründe. Art. 64 des lüoels
pong.1 lautet:
II 11,'^ Ä IU <,'!'!>>:>'. ni Zölle, 1ors<zus is xrüvsmr 6kalt «Zir leg>t As äsllionoö
SU <BM,P8 ü<z 1'aotion, VN lorsqu'it Ä 6t6 vontiA-int xai' ruf korvs Ä Ill^uÄls it
ki'n pu I'SListor.
Z 40 des preußischen Strafgesetzbuchs:
Ein Verbrechen oder Bergeheu ist nicht vorhanden, wenn der Thäter zur Zeit
der That wahnsinnig oder blödsinnig, oder die freie Willeusbestimmung desselben
durch Gewalt oder durch Drohung ausgeschlossen war.
Gegen die letzte Bestimmung wurde geltend gemacht, daß sie zu eng sei,
weil es außer Wahnsinn und Blödsinn noch Seelenzustände gebe, die die straf¬
rechtliche Zurechnungsfühigkeit ausschlossen. In der Rechtsprechung habe man
unter den Begriff des Wahnsinns und Blödsinns Krankheitsformen eingezwängt,
die nach Annahme der medizinischen Wissenschaft nicht wohl darunter zu be¬
greifen wären, außerdem fasse das Landrecht den Begriff des Wahnsinns und
Blödsinns anders auf als die medizinische Wissenschaft, und zum Teil anders
als das preußische Strafgesetzbuch. Die statt der preußischen Vorschriften in
dem ersten Entwurf des jetzigen Strafgesetzbuchs vorgeschlagene Bestimmung
lautete daher:
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