Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.^Inn socialen Flieder einzige Obliegenheit der Regierung habe man den Schutz des Eigentums übrig sein fester Glaube erfüllte ihn mit der Hoffnung, daß das Gute immer ^Inn socialen Flieder einzige Obliegenheit der Regierung habe man den Schutz des Eigentums übrig sein fester Glaube erfüllte ihn mit der Hoffnung, daß das Gute immer <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0587" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/208524"/> <fw type="header" place="top"> ^Inn socialen Flieder</fw><lb/> <p xml:id="ID_1823" prev="#ID_1822"> einzige Obliegenheit der Regierung habe man den Schutz des Eigentums übrig<lb/> gelassen; für die große Masse derer, die nichts besitzen, leiste der Staat gnr<lb/> nichts, sei also reine Plutokratie geworden. Die Aristokratie versündige sich<lb/> außerdem u, n. dadurch am Volke, daß sie einen großen Teil des Grund und<lb/> Bodens, der für deu Unterhalt dienen könnte, um des Jngdvergnngens willen<lb/> wüst liegen lasse. Das Parlament verbringe seine Zeit mit eitlem Geschwätz<lb/> über alle möglichen Frage»; nur die Frage nach der Lage des größten Teiles<lb/> des englischen Volkes bleibe unerörtert, obwohl davon die Existenz des Landes<lb/> abhänge. Das Parlamentsgeschwätz erregt Carlyles grimmigsten Unwillen;<lb/> namentlich hält er es für ein Unglück, daß Redefertigkeit zu hohen Staats¬<lb/> ämtern verhelfe. Diese Eigenschaft beweise im besten Falle gar nichts. Da<lb/> nnn einmal jene Gliederung der Gesellschaft verloren sei, durch die ehedem die<lb/> Befähigten auf die ihnen zukommende» Plätze gehoben worden seien, so schlägt<lb/> er spottend eine harmlosere Art der Auswahl vor, als die nach dem Grade<lb/> der Nedefertigkeit: die Bewerber könnten etwa um die hohen Staatsämter<lb/> würfeln oder sackhüpfen oder an eingeseiften Stangen wettkletteru. Nicht daß<lb/> er das Parlament an sich verworfen Hütte. Zwar als Schranke der Monarchen-<lb/> Willkür sei es nicht notwendig, denn auch der absolute Monarch werde durch<lb/> die Macht der Thatsache» genug beschränkt. Allein diese Thatsachen, die<lb/> Mächte des Widerstandes und der Unterstützung, kennen z» lerne», stünde»<lb/> dein absoluten Monarchen n»r sehr unvollkommene Mittel zu Gebote; die<lb/> Information durch Parlament und Presse sei jedenfalls der Methode des<lb/> Großherrn vorzuziehn, der die Unzufriedenheit seiner Unterthanen an der<lb/> Zahl der a» ihre» Ladcuthüren angenagelten Bäcker z» bemessen Pflege.<lb/> Aber regieren dürfe das Parlament nicht wollen, dazu sei es unfähig. Einer<lb/> seiner Ansicht nach so verdorbenen Gesellschaft gegenüber begrüßte er die<lb/> drohende soziale Revolution als die Zuchtrute Gottes; wenn sich eine gottlose<lb/> Gesellschaft eines ruhigen und sichern Bestandes erfreue» könnte, so würde er<lb/> den wiedergewv>l»e»e» Glaube» an Gott aufs neue verloren habe».</p><lb/> <p xml:id="ID_1824" next="#ID_1825"> sein fester Glaube erfüllte ihn mit der Hoffnung, daß das Gute immer<lb/> zuletzt siegen müsse, und zwar dachte er sich den Sieg nach der Art des Über¬<lb/> lebens des Passendsten im darwinischen Kampfe ums Dasein. Er erklärte<lb/> daher auch die Macht für Recht und sprach wehrlosen Völkern die Daseins¬<lb/> berechtigung ab in der Voraussetzung, daß im Laufe des Kultilrfvrtschrittes<lb/> an die Stelle der rohen Muskelkraft mehr und mehr die sittliche Macht einer<lb/> wohlorganisirten Gesellschaft treten werde. Da aber die zur Zeit durch Selbst¬<lb/> sucht zersetzte Gesellschaft nur durch deu Glauben wieder organisirt werden<lb/> könne, so sei es notwendig, an Stelle der wissenschaftlich überwundnen Glanbens-<lb/> formen (Symbole) neue ausfindig zu machen. Obwohl er deren Gestalt noch<lb/> nicht anzugeben vermag, glaubt er doch ihr allmähliches Werden wahrzunehmen,<lb/> und zwar in der deutschen Philosophie und in Goethe. Knut scheint ihm durch</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0587]
^Inn socialen Flieder
einzige Obliegenheit der Regierung habe man den Schutz des Eigentums übrig
gelassen; für die große Masse derer, die nichts besitzen, leiste der Staat gnr
nichts, sei also reine Plutokratie geworden. Die Aristokratie versündige sich
außerdem u, n. dadurch am Volke, daß sie einen großen Teil des Grund und
Bodens, der für deu Unterhalt dienen könnte, um des Jngdvergnngens willen
wüst liegen lasse. Das Parlament verbringe seine Zeit mit eitlem Geschwätz
über alle möglichen Frage»; nur die Frage nach der Lage des größten Teiles
des englischen Volkes bleibe unerörtert, obwohl davon die Existenz des Landes
abhänge. Das Parlamentsgeschwätz erregt Carlyles grimmigsten Unwillen;
namentlich hält er es für ein Unglück, daß Redefertigkeit zu hohen Staats¬
ämtern verhelfe. Diese Eigenschaft beweise im besten Falle gar nichts. Da
nnn einmal jene Gliederung der Gesellschaft verloren sei, durch die ehedem die
Befähigten auf die ihnen zukommende» Plätze gehoben worden seien, so schlägt
er spottend eine harmlosere Art der Auswahl vor, als die nach dem Grade
der Nedefertigkeit: die Bewerber könnten etwa um die hohen Staatsämter
würfeln oder sackhüpfen oder an eingeseiften Stangen wettkletteru. Nicht daß
er das Parlament an sich verworfen Hütte. Zwar als Schranke der Monarchen-
Willkür sei es nicht notwendig, denn auch der absolute Monarch werde durch
die Macht der Thatsache» genug beschränkt. Allein diese Thatsachen, die
Mächte des Widerstandes und der Unterstützung, kennen z» lerne», stünde»
dein absoluten Monarchen n»r sehr unvollkommene Mittel zu Gebote; die
Information durch Parlament und Presse sei jedenfalls der Methode des
Großherrn vorzuziehn, der die Unzufriedenheit seiner Unterthanen an der
Zahl der a» ihre» Ladcuthüren angenagelten Bäcker z» bemessen Pflege.
Aber regieren dürfe das Parlament nicht wollen, dazu sei es unfähig. Einer
seiner Ansicht nach so verdorbenen Gesellschaft gegenüber begrüßte er die
drohende soziale Revolution als die Zuchtrute Gottes; wenn sich eine gottlose
Gesellschaft eines ruhigen und sichern Bestandes erfreue» könnte, so würde er
den wiedergewv>l»e»e» Glaube» an Gott aufs neue verloren habe».
sein fester Glaube erfüllte ihn mit der Hoffnung, daß das Gute immer
zuletzt siegen müsse, und zwar dachte er sich den Sieg nach der Art des Über¬
lebens des Passendsten im darwinischen Kampfe ums Dasein. Er erklärte
daher auch die Macht für Recht und sprach wehrlosen Völkern die Daseins¬
berechtigung ab in der Voraussetzung, daß im Laufe des Kultilrfvrtschrittes
an die Stelle der rohen Muskelkraft mehr und mehr die sittliche Macht einer
wohlorganisirten Gesellschaft treten werde. Da aber die zur Zeit durch Selbst¬
sucht zersetzte Gesellschaft nur durch deu Glauben wieder organisirt werden
könne, so sei es notwendig, an Stelle der wissenschaftlich überwundnen Glanbens-
formen (Symbole) neue ausfindig zu machen. Obwohl er deren Gestalt noch
nicht anzugeben vermag, glaubt er doch ihr allmähliches Werden wahrzunehmen,
und zwar in der deutschen Philosophie und in Goethe. Knut scheint ihm durch
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