Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.Eduard von Bauernfeld Spottes, die feinen und die groben Sticheleien um so natürlicher und ergötzlicher
So wettert er gegen das Konkordat, gegen Papst und Unfehlbarkeit, gegen Wiener frondiren und spötteln gar gern -- so ruht mir ein Stück auch, So hat er selbst von sich gesagt. Als Wiener und als Frondeur haben Eduard von Bauernfeld Spottes, die feinen und die groben Sticheleien um so natürlicher und ergötzlicher
So wettert er gegen das Konkordat, gegen Papst und Unfehlbarkeit, gegen Wiener frondiren und spötteln gar gern — so ruht mir ein Stück auch, So hat er selbst von sich gesagt. Als Wiener und als Frondeur haben <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0463" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/208400"/> <fw type="header" place="top"> Eduard von Bauernfeld</fw><lb/> <p xml:id="ID_1422" prev="#ID_1421" next="#ID_1423"> Spottes, die feinen und die groben Sticheleien um so natürlicher und ergötzlicher<lb/> hervor. Und es gab viel zu bespötteln in dem Österreich vor Achtuudvierzig<lb/> und noch etwas darüber hinaus, aber der Spott mußte geistreich versteckt sein,<lb/> sollten ihm nicht die Spürhunde der Zensur den Garaus machen. Über sie<lb/> und die andern Träger des „Systems" hat Banernfeld unbarmherzig seine<lb/> Pfeile allsgeschüttet, nud heilte noch, wo wir jenen Zeiten wie einem bösen<lb/> Traum entrückt sind, haben sie ihre heitere Kraft nicht eingebüßt, so die<lb/> Schlußstrophe eines Gedichtes an Castelli, der von den Verfolgungen des<lb/> allmächtigen Sedluitzky arg zu leiden hatte:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_28" type="poem"> <l> Du hieltest dir auch zwei Hunde —<lb/> Die Rache nenne ich süß<lb/> Wovon der eine „Seti,"<lb/> Der andre „Nihki" hleß-</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_1423" prev="#ID_1422"> So wettert er gegen das Konkordat, gegen Papst und Unfehlbarkeit, gegen<lb/> Metternich, gegen die Wiener Schlaffheit und verschont mit seinem Zorn auch<lb/> die höchsten Stellen nicht, denen er gelegentlich auch in der Sammlung „Alt-<lb/> und Neuwien" in der Prosa näher rückt. Offenbar ist Heine dabei sein Bor¬<lb/> bild gewesen, in ähnlich leicht geschürzten, volksliedartige» Rhythmen sind die<lb/> meisten seiner Spottlieder und Epigramme geschrieben, so sehr er auch an<lb/> andern Orten über das junge Deutschland gespottet hat. Nicht selten, z. B.<lb/> in den aristvphanisch-gvethisch angehauchten Stücken „Die Reichsversammlung<lb/> der Tiere," „Der politische Wanderer," hat er in Witz und Ton Heine voll¬<lb/> ständig erreicht, wird aber dennoch wahrscheinlich nie so liebevoll gewürdigt<lb/> werde»; das macht, er stand im Bannkreise des Stephansturmes. In allgemein<lb/> deutschen Fragen aber hat er manch kräftiges Wörtlein angesprochen, und aus<lb/> seiner unerschütterten Liebe zum deutschen Volke sind ganze Schauspiele hervor-<lb/> gegangen.</p><lb/> <quote> Wiener frondiren und spötteln gar gern — so ruht mir ein Stück auch,<lb/> Und ein erkleckliches zwar, Wienerinn! selbst in der Brust.</quote><lb/> <p xml:id="ID_1424" next="#ID_1425"> So hat er selbst von sich gesagt. Als Wiener und als Frondeur haben<lb/> wir Bauernfeld anch in seinen Lustspielen zu betrachten. Wem, der nord¬<lb/> deutsche einen guten Teil seiner Verstaudeskrnfte an der beißenden Betrachtung<lb/> fremder Schwächen lind Gebreche» zu scharfe,, pflegt, so ist der Österreicher<lb/> von jeher, mit leider nnr mit allzu viel Grund, el» Selbstqnüler gewesen.<lb/> "Näsonniren" oder „raunzen" nennt man diese im übrigen ungefährliche Eigen¬<lb/> schaft, hinter der im Grunde die wärmste Liebe zu dem gescholtenen Vater-<lb/> lande glüht. Bauernfeld ist so el» ewiger Plänkler, der Adel und Bürger¬<lb/> stand, Liberale n»d Reaktionäre, Philister und Phantasten zornig und gutmütig<lb/> spottend verfolgt. Aber es sind nur die Spezialitäten, die in Österreich ge¬<lb/> deihen, in der eigentümlichen Ausbildung, wie sie die Doimuluft erzeugt. „Man<lb/> hat mir — sagt Vauerufeld — häufig den Vorwurf gemacht, daß meine Lust-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0463]
Eduard von Bauernfeld
Spottes, die feinen und die groben Sticheleien um so natürlicher und ergötzlicher
hervor. Und es gab viel zu bespötteln in dem Österreich vor Achtuudvierzig
und noch etwas darüber hinaus, aber der Spott mußte geistreich versteckt sein,
sollten ihm nicht die Spürhunde der Zensur den Garaus machen. Über sie
und die andern Träger des „Systems" hat Banernfeld unbarmherzig seine
Pfeile allsgeschüttet, nud heilte noch, wo wir jenen Zeiten wie einem bösen
Traum entrückt sind, haben sie ihre heitere Kraft nicht eingebüßt, so die
Schlußstrophe eines Gedichtes an Castelli, der von den Verfolgungen des
allmächtigen Sedluitzky arg zu leiden hatte:
Du hieltest dir auch zwei Hunde —
Die Rache nenne ich süß
Wovon der eine „Seti,"
Der andre „Nihki" hleß-
So wettert er gegen das Konkordat, gegen Papst und Unfehlbarkeit, gegen
Metternich, gegen die Wiener Schlaffheit und verschont mit seinem Zorn auch
die höchsten Stellen nicht, denen er gelegentlich auch in der Sammlung „Alt-
und Neuwien" in der Prosa näher rückt. Offenbar ist Heine dabei sein Bor¬
bild gewesen, in ähnlich leicht geschürzten, volksliedartige» Rhythmen sind die
meisten seiner Spottlieder und Epigramme geschrieben, so sehr er auch an
andern Orten über das junge Deutschland gespottet hat. Nicht selten, z. B.
in den aristvphanisch-gvethisch angehauchten Stücken „Die Reichsversammlung
der Tiere," „Der politische Wanderer," hat er in Witz und Ton Heine voll¬
ständig erreicht, wird aber dennoch wahrscheinlich nie so liebevoll gewürdigt
werde»; das macht, er stand im Bannkreise des Stephansturmes. In allgemein
deutschen Fragen aber hat er manch kräftiges Wörtlein angesprochen, und aus
seiner unerschütterten Liebe zum deutschen Volke sind ganze Schauspiele hervor-
gegangen.
Wiener frondiren und spötteln gar gern — so ruht mir ein Stück auch,
Und ein erkleckliches zwar, Wienerinn! selbst in der Brust.
So hat er selbst von sich gesagt. Als Wiener und als Frondeur haben
wir Bauernfeld anch in seinen Lustspielen zu betrachten. Wem, der nord¬
deutsche einen guten Teil seiner Verstaudeskrnfte an der beißenden Betrachtung
fremder Schwächen lind Gebreche» zu scharfe,, pflegt, so ist der Österreicher
von jeher, mit leider nnr mit allzu viel Grund, el» Selbstqnüler gewesen.
"Näsonniren" oder „raunzen" nennt man diese im übrigen ungefährliche Eigen¬
schaft, hinter der im Grunde die wärmste Liebe zu dem gescholtenen Vater-
lande glüht. Bauernfeld ist so el» ewiger Plänkler, der Adel und Bürger¬
stand, Liberale n»d Reaktionäre, Philister und Phantasten zornig und gutmütig
spottend verfolgt. Aber es sind nur die Spezialitäten, die in Österreich ge¬
deihen, in der eigentümlichen Ausbildung, wie sie die Doimuluft erzeugt. „Man
hat mir — sagt Vauerufeld — häufig den Vorwurf gemacht, daß meine Lust-
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