Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.Eduard von Baiwrnfeld schiednen und sehr wechselnden Umständen ob, ob eine böse That zur Kenntnis Gduard von Bauernfeld eit Jahren schon wütet ein Sturm im Dichterwalde deS dentschen Freilich ist unser Schmerz, wenn wir Bauernfelds Hingang betrauern, Eduard von Baiwrnfeld schiednen und sehr wechselnden Umständen ob, ob eine böse That zur Kenntnis Gduard von Bauernfeld eit Jahren schon wütet ein Sturm im Dichterwalde deS dentschen Freilich ist unser Schmerz, wenn wir Bauernfelds Hingang betrauern, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0461" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/208398"/> <fw type="header" place="top"> Eduard von Baiwrnfeld</fw><lb/> <p xml:id="ID_1416" prev="#ID_1415"> schiednen und sehr wechselnden Umständen ob, ob eine böse That zur Kenntnis<lb/> des Richters kommt oder nicht: vom Gesetzbuch, von der Handhabung der<lb/> Gesetze und davon, ob sie entdeckt wird. Endlich schwinden und kommen ganze<lb/> Klassen von Verbrechen mit den sie hervorrufenden Ursachen. Kleine Diebstähle<lb/> aus Not werden nur dort begangen, wo Not herrscht; in einem gntgeordneten<lb/> Staate ist das Stehlen überhaupt ein so erbärmliches Geschäft, daß es ein<lb/> entsetzlich armer oder ein entsetzlich dummer Tropf sein muß, der sich darauf<lb/> verlegt, zumal da es ja unzählige höchst anständige und lohnende Arten des<lb/> unrechtmäßigen Gelderwerbes giebt. Ein Teil der Spitzbuben gehört allerdings<lb/> zu der Klasse jener gewerbsmäßigen Verbrecher, denen das Verbrechen zur<lb/> andern Natur geworden ist. Eben diese aber sind ein Erzeugnis der höhern<lb/> Zivilisation und ihrer verwickelten Gesellschaftszustände; in einfachen Lebens-<lb/> verhältnissen kommeu sie nicht vor. Die Verfeinerung des sittlichen Empfindens<lb/> und Wnltens endlich vermag mich nichts beizutragen zu einer günstigen Bilanz,<lb/> weil ihr die schon angedeutete Verfeinerung des Verbrechens das Gleichgewicht<lb/> hält. Die Reisenden erzählen uns von manchem ehrwürdigen Khan mit weißem<lb/> Vart und sanftmütigen Angen, der Allah fürchtet und den Fremdling gastfrei<lb/> bewirtet, der aber sein Vermögen als Näuberhanptmmm erworben und manchem<lb/> andern Fremdling den Hals abgeschnitten hat. Solche ehrwürdige Hals¬<lb/> abschneider zu sehen braucht man nicht bis nach Turkestan zu reisen, wir finden<lb/> ihrer in unsrer Mitte; freilich ist bei diesen das Halsnbschneiden nur bildlich<lb/> zu verstehen. Sie haben die Moral der Turkmenen, plus schöne Redensarten<lb/> von Humanität minus persönliche Tapferkeit.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Gduard von Bauernfeld</head><lb/> <p xml:id="ID_1417"> eit Jahren schon wütet ein Sturm im Dichterwalde deS dentschen<lb/> Österreichs, und schon hat er eine stattliche Reihe hvchstrebender<lb/> Stämme geknickt. Bald nach Lenen, Halm und Grillparzer<lb/> wurden Anastasius Grün und Mvsenthal abgerufen, und wahrend<lb/> ^wir noch an den frischen Gräbern Meißners und Hamerlings<lb/> trauern, schreitet Wien abermals zwei Särgen nach, in denen der Stolz der<lb/> österreichischen Bühne ruht: Anzengrnber und Bauernfeld.</p><lb/> <p xml:id="ID_1418" next="#ID_1419"> Freilich ist unser Schmerz, wenn wir Bauernfelds Hingang betrauern,<lb/> so zu sagen mehr ein ästhetischer. Dein Leben und Sterben eines Mannes,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0461]
Eduard von Baiwrnfeld
schiednen und sehr wechselnden Umständen ob, ob eine böse That zur Kenntnis
des Richters kommt oder nicht: vom Gesetzbuch, von der Handhabung der
Gesetze und davon, ob sie entdeckt wird. Endlich schwinden und kommen ganze
Klassen von Verbrechen mit den sie hervorrufenden Ursachen. Kleine Diebstähle
aus Not werden nur dort begangen, wo Not herrscht; in einem gntgeordneten
Staate ist das Stehlen überhaupt ein so erbärmliches Geschäft, daß es ein
entsetzlich armer oder ein entsetzlich dummer Tropf sein muß, der sich darauf
verlegt, zumal da es ja unzählige höchst anständige und lohnende Arten des
unrechtmäßigen Gelderwerbes giebt. Ein Teil der Spitzbuben gehört allerdings
zu der Klasse jener gewerbsmäßigen Verbrecher, denen das Verbrechen zur
andern Natur geworden ist. Eben diese aber sind ein Erzeugnis der höhern
Zivilisation und ihrer verwickelten Gesellschaftszustände; in einfachen Lebens-
verhältnissen kommeu sie nicht vor. Die Verfeinerung des sittlichen Empfindens
und Wnltens endlich vermag mich nichts beizutragen zu einer günstigen Bilanz,
weil ihr die schon angedeutete Verfeinerung des Verbrechens das Gleichgewicht
hält. Die Reisenden erzählen uns von manchem ehrwürdigen Khan mit weißem
Vart und sanftmütigen Angen, der Allah fürchtet und den Fremdling gastfrei
bewirtet, der aber sein Vermögen als Näuberhanptmmm erworben und manchem
andern Fremdling den Hals abgeschnitten hat. Solche ehrwürdige Hals¬
abschneider zu sehen braucht man nicht bis nach Turkestan zu reisen, wir finden
ihrer in unsrer Mitte; freilich ist bei diesen das Halsnbschneiden nur bildlich
zu verstehen. Sie haben die Moral der Turkmenen, plus schöne Redensarten
von Humanität minus persönliche Tapferkeit.
Gduard von Bauernfeld
eit Jahren schon wütet ein Sturm im Dichterwalde deS dentschen
Österreichs, und schon hat er eine stattliche Reihe hvchstrebender
Stämme geknickt. Bald nach Lenen, Halm und Grillparzer
wurden Anastasius Grün und Mvsenthal abgerufen, und wahrend
^wir noch an den frischen Gräbern Meißners und Hamerlings
trauern, schreitet Wien abermals zwei Särgen nach, in denen der Stolz der
österreichischen Bühne ruht: Anzengrnber und Bauernfeld.
Freilich ist unser Schmerz, wenn wir Bauernfelds Hingang betrauern,
so zu sagen mehr ein ästhetischer. Dein Leben und Sterben eines Mannes,
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