Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.Ungehaltene Rede eines Nichtgemählten Und Wie Jemine d'Are vernahm ich einen Ruf, dem zu folgen ich mich nicht Entschiedenheit in Wort und That wurde dermaleinst auch mit dem Schlag- Hier haben Sie knapp und klar mein Programm. Und nun zur Sache! Als über die untere Altersgrenze bei den Wahlen für die Gewerbegerichte Was thun jetzt seine Parteigenossen? Sie ereifern sich auch dagegen, daß Ungehaltene Rede eines Nichtgemählten Und Wie Jemine d'Are vernahm ich einen Ruf, dem zu folgen ich mich nicht Entschiedenheit in Wort und That wurde dermaleinst auch mit dem Schlag- Hier haben Sie knapp und klar mein Programm. Und nun zur Sache! Als über die untere Altersgrenze bei den Wahlen für die Gewerbegerichte Was thun jetzt seine Parteigenossen? Sie ereifern sich auch dagegen, daß <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0046" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/207983"/> <fw type="header" place="top"> Ungehaltene Rede eines Nichtgemählten</fw><lb/> <p xml:id="ID_88" prev="#ID_87"> Und Wie Jemine d'Are vernahm ich einen Ruf, dem zu folgen ich mich nicht<lb/> weigern truü. Ich rücke wieder in die Schlachtlinie ein, ich bilde ganz allein<lb/> eine neue Fraktion, die Fraktion des Entschiedensten. Schon dieses Beispiel<lb/> wird hoffentlich eine neue Epoche einleiten. Denn so lange nicht jeder einzelne<lb/> Abgeordnete eine besondre Partei bildet, so lange wird die Charte nicht eine<lb/> Wahrheit werden, wie Louis Philippe sagte.</p><lb/> <p xml:id="ID_89"> Entschiedenheit in Wort und That wurde dermaleinst auch mit dem Schlag-<lb/> worte Lairs xlir.280 charakterisirt. Heutzutage sind wir in der Erkenntnis weiter<lb/> vorgedrungen. Was ist die Freiheit ohne Phrasenklang? Ich werf sie hin,<lb/> da ihr Gehalt verloren! Gerade wo die entschiedenste Entschiedenheit besteht,<lb/> da stellt die Phrase stets zur rechten Zeit sich ein. Ja, es kann vorkommen,<lb/> daß nach Abwicklung aller Phrasen vou der ganzen Entschiedenheit nichts<lb/> übrig bleibt.</p><lb/> <p xml:id="ID_90"> Hier haben Sie knapp und klar mein Programm. Und nun zur Sache!</p><lb/> <p xml:id="ID_91"> Als über die untere Altersgrenze bei den Wahlen für die Gewerbegerichte<lb/> gestritten wurde, stellte der hochverehrte Kollege Witzel-Meyer eiuen Satz auf,<lb/> der in Gvldschrift über die Thür jedes Hauses geschrieben werde» sollte, in<lb/> den, mau Gesetze berät: „Gesetze sollen so eingerichtet werden, daß sie den Be¬<lb/> teiligten gefallen." Nur die Schlichtheit und Anspruchslosigkeit, mit der dieser<lb/> schöpferische Gedanke ausgesprochen wurde, kaun es verschulden, daß nicht das<lb/> ganze Haus in den begeisterten Ruf ausbrach: „Ein Daniel!" Ich dachte<lb/> schon daran, zu beantragen, daß die ganze Gesetzsammlung dem Redner mit<lb/> dem Ersuchen, sie nach jenem Prinzip umzuarbeiten, ins Haus geschickt würde.<lb/> Denn wir sind ja leider so reich an Gesetzen, die gar keinem Beteiligten ge¬<lb/> fallen, lind an andern, mit deuen nur ein Teil der Beteiligten einverstanden<lb/> ist. Das Strafgesetzbuch, die Gesetze über Rechtsstreitigkeiten lind so viele<lb/> andre werden von Grund aus umgestaltet werden müssen. Leicht wird es uicht<lb/> sein, z. B. die Gesetze zum Schutze des Eigentums so einzurichten, daß sie auch<lb/> den Herren Einbrechern gefallen. Aber für den Abgeordneten Daniel wäre<lb/> das offenbar eine Kleinigkeit.</p><lb/> <p xml:id="ID_92" next="#ID_93"> Was thun jetzt seine Parteigenossen? Sie ereifern sich auch dagegen, daß<lb/> die Wählbarkeit erst mit dem dreißigsten Jahr eintrete» soll, »ud verlange»<lb/> dafür das fünflliidzlvnnzigste. Wo bleibt da die Konsequenz? Das würde<lb/> allen unter fünfundzwanzig Jahren nicht gefallen. Herr Rickert bezog sich<lb/> darauf, daß sehr hervorragende Staatsmänner, wie Gras Wilhelm Bismarck,<lb/> mit fünfundzwanzig Jahren im Reichstage gesessen habe». Das Beispiel war<lb/> nicht ehe» glücklich gewählt. Sprach er im Ernst, so hätte gerade er doch<lb/> Grund genug, den Unterschied zwischen einem tüchtigen Verwaltungsbeamten<lb/> und einem hervorragende» Staatsmmm anzuerkennen. Und wollte er »ur die<lb/> Gelegenheit benutze», um den frühern Reichskanzler ein wenig zu kitzeln, so<lb/> fiel das wieder schüchtern aus. Da ist Herr Auer tapferer, der einige Tage</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0046]
Ungehaltene Rede eines Nichtgemählten
Und Wie Jemine d'Are vernahm ich einen Ruf, dem zu folgen ich mich nicht
weigern truü. Ich rücke wieder in die Schlachtlinie ein, ich bilde ganz allein
eine neue Fraktion, die Fraktion des Entschiedensten. Schon dieses Beispiel
wird hoffentlich eine neue Epoche einleiten. Denn so lange nicht jeder einzelne
Abgeordnete eine besondre Partei bildet, so lange wird die Charte nicht eine
Wahrheit werden, wie Louis Philippe sagte.
Entschiedenheit in Wort und That wurde dermaleinst auch mit dem Schlag-
worte Lairs xlir.280 charakterisirt. Heutzutage sind wir in der Erkenntnis weiter
vorgedrungen. Was ist die Freiheit ohne Phrasenklang? Ich werf sie hin,
da ihr Gehalt verloren! Gerade wo die entschiedenste Entschiedenheit besteht,
da stellt die Phrase stets zur rechten Zeit sich ein. Ja, es kann vorkommen,
daß nach Abwicklung aller Phrasen vou der ganzen Entschiedenheit nichts
übrig bleibt.
Hier haben Sie knapp und klar mein Programm. Und nun zur Sache!
Als über die untere Altersgrenze bei den Wahlen für die Gewerbegerichte
gestritten wurde, stellte der hochverehrte Kollege Witzel-Meyer eiuen Satz auf,
der in Gvldschrift über die Thür jedes Hauses geschrieben werde» sollte, in
den, mau Gesetze berät: „Gesetze sollen so eingerichtet werden, daß sie den Be¬
teiligten gefallen." Nur die Schlichtheit und Anspruchslosigkeit, mit der dieser
schöpferische Gedanke ausgesprochen wurde, kaun es verschulden, daß nicht das
ganze Haus in den begeisterten Ruf ausbrach: „Ein Daniel!" Ich dachte
schon daran, zu beantragen, daß die ganze Gesetzsammlung dem Redner mit
dem Ersuchen, sie nach jenem Prinzip umzuarbeiten, ins Haus geschickt würde.
Denn wir sind ja leider so reich an Gesetzen, die gar keinem Beteiligten ge¬
fallen, lind an andern, mit deuen nur ein Teil der Beteiligten einverstanden
ist. Das Strafgesetzbuch, die Gesetze über Rechtsstreitigkeiten lind so viele
andre werden von Grund aus umgestaltet werden müssen. Leicht wird es uicht
sein, z. B. die Gesetze zum Schutze des Eigentums so einzurichten, daß sie auch
den Herren Einbrechern gefallen. Aber für den Abgeordneten Daniel wäre
das offenbar eine Kleinigkeit.
Was thun jetzt seine Parteigenossen? Sie ereifern sich auch dagegen, daß
die Wählbarkeit erst mit dem dreißigsten Jahr eintrete» soll, »ud verlange»
dafür das fünflliidzlvnnzigste. Wo bleibt da die Konsequenz? Das würde
allen unter fünfundzwanzig Jahren nicht gefallen. Herr Rickert bezog sich
darauf, daß sehr hervorragende Staatsmänner, wie Gras Wilhelm Bismarck,
mit fünfundzwanzig Jahren im Reichstage gesessen habe». Das Beispiel war
nicht ehe» glücklich gewählt. Sprach er im Ernst, so hätte gerade er doch
Grund genug, den Unterschied zwischen einem tüchtigen Verwaltungsbeamten
und einem hervorragende» Staatsmmm anzuerkennen. Und wollte er »ur die
Gelegenheit benutze», um den frühern Reichskanzler ein wenig zu kitzeln, so
fiel das wieder schüchtern aus. Da ist Herr Auer tapferer, der einige Tage
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