Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.Ans Elsaß-Lothringen gehalten hat, durch den diese Wahlergebnisse überhaupt ermöglicht wurden Ans Elsaß-Lothringen gehalten hat, durch den diese Wahlergebnisse überhaupt ermöglicht wurden <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0267" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/208204"/> <fw type="header" place="top"> Ans Elsaß-Lothringen</fw><lb/> <p xml:id="ID_708" prev="#ID_707" next="#ID_709"> gehalten hat, durch den diese Wahlergebnisse überhaupt ermöglicht wurden<lb/> waren. Es ist ferner nur eine Täuschung der öffentlichen Meinung, wenn<lb/> geklagt wird, daß der Paßzwang auf die in der Blütenentwicklung begriffene<lb/> Stimmung gewirkt habe, wie die Eisheiligen in einer Frühlingsnacht, Der<lb/> Paßzwang ist eingeführt worden, nachdem man die Überzeugung gewonnen<lb/> hatte, daß der ungehinderte Verkehr mit Frankreich eine fortgesetzte Störung<lb/> der ruhigen Entwicklung der Dinge bewirke. Da war nichts weiter zu ver¬<lb/> derben. Von uns Deutschen hatte auch von solcher Vlütenpracht niemand<lb/> etwas bemerkt. Der Paßzwang wird beibehalten; die bisher schon gewährten<lb/> Erleichterungen sollen fortbestehen, und weitere Erleichterungen sind inzwischen<lb/> bezüglich des internationalen Durchgangsverkehrs gemacht worden. Bezüglich<lb/> des Verkehrs zwischen Frankreich und dem Reichslande aber dürfte unter<lb/> grundsätzlicher Währung der Notwendigkeit der Maßnahmen als internationale<lb/> Sicherung nur in der Ausführung ein Zugeständnis gemacht werden. Man<lb/> weiß jetzt, daß der Paßzwang nicht eingeführt worden wäre, wenn man nicht<lb/> einen dauernden Zustand Hütte schaffen wollen; als vorübergehende Maßregel<lb/> würde der Paßzwang höchstens die Bedeutung einer Demütigung Frankreichs<lb/> gehabt haben, aber den gewollten Zweck nicht erfüllen, die Grenze zu vertiefen.<lb/> Der Paßzwang gehört zu jenen Dingen, c^ins non xvs8mit lAuäiu-i, nisi<lb/> xur^vt-g,. Würde er plötzlich wieder aufgegeben, obgleich sich um den Be¬<lb/> ziehungen zu Frankreich nichts geändert hat, so müßte dies als das Bekenntnis<lb/> einer Übereilung oder einer pessimistischen Auffassung verurteilt werden. Wird<lb/> aber der vom Reichskanzler als Ziel bezeichnete Zweck, die Germanisirung,<lb/> erreicht werden? Der teutschgesinnte Reichstagsabgeordnete Höffel, dessen<lb/> Zeugnis uns wichtiger erscheint, als die damit übereinstimmende Ansicht der<lb/> Vertreter andrer Richtungen, stellt dies entschiede« in Abrede. Wir Deutschen<lb/> sind nun aber so lange im Lande, daß unser Urteil auch Anspruch auf An¬<lb/> hörung erheben darf. Unter den eingewanderten Deutschen ist die Meinung<lb/> vorwiegend, daß der Paßzwang trotz der unleugbaren Verstimmung, die anch<lb/> unter Gutgesinnten hervorgerufen wurde, deshalb schließlich den besten Erfolg<lb/> haben werde, weil der Paßzwang das untrüglichste Mittel ist, die nationale<lb/> Dvppelart der Elsüsser, denen diese Untugend wie allen Grenzvölkern eigen¬<lb/> tümlich ist, zu bekehren und die Leute zur Erkenntnis des Ernstes der Lage<lb/> zu bringen. Weit bedenklicher noch als die offenkundige Anhänglichkeit an<lb/> Frankreich ist diese altererbte Fähigkeit zur nationalen Halbheit, die immer<lb/> weiter dauern würde, wenn ihr nicht einmal ein Ende gesteckt würde. Diese<lb/> Halbheit der Gesinnung wird aber weit weniger durch die Anwesenheit von<lb/> Franzosen im Reichslande als dnrch die Auswanderung aus dem Reichslande<lb/> nach Frankreich bestimmt. Diese Erfahrung kann man in jedem Grenzlande<lb/> machen, dessen Berkehrsbedingungen zum Auslande neigen. Eine solche Neigung<lb/> wird aber dadurch abgeschnitten, daß die Leute zur endgiltigen Entscheidung</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0267]
Ans Elsaß-Lothringen
gehalten hat, durch den diese Wahlergebnisse überhaupt ermöglicht wurden
waren. Es ist ferner nur eine Täuschung der öffentlichen Meinung, wenn
geklagt wird, daß der Paßzwang auf die in der Blütenentwicklung begriffene
Stimmung gewirkt habe, wie die Eisheiligen in einer Frühlingsnacht, Der
Paßzwang ist eingeführt worden, nachdem man die Überzeugung gewonnen
hatte, daß der ungehinderte Verkehr mit Frankreich eine fortgesetzte Störung
der ruhigen Entwicklung der Dinge bewirke. Da war nichts weiter zu ver¬
derben. Von uns Deutschen hatte auch von solcher Vlütenpracht niemand
etwas bemerkt. Der Paßzwang wird beibehalten; die bisher schon gewährten
Erleichterungen sollen fortbestehen, und weitere Erleichterungen sind inzwischen
bezüglich des internationalen Durchgangsverkehrs gemacht worden. Bezüglich
des Verkehrs zwischen Frankreich und dem Reichslande aber dürfte unter
grundsätzlicher Währung der Notwendigkeit der Maßnahmen als internationale
Sicherung nur in der Ausführung ein Zugeständnis gemacht werden. Man
weiß jetzt, daß der Paßzwang nicht eingeführt worden wäre, wenn man nicht
einen dauernden Zustand Hütte schaffen wollen; als vorübergehende Maßregel
würde der Paßzwang höchstens die Bedeutung einer Demütigung Frankreichs
gehabt haben, aber den gewollten Zweck nicht erfüllen, die Grenze zu vertiefen.
Der Paßzwang gehört zu jenen Dingen, c^ins non xvs8mit lAuäiu-i, nisi
xur^vt-g,. Würde er plötzlich wieder aufgegeben, obgleich sich um den Be¬
ziehungen zu Frankreich nichts geändert hat, so müßte dies als das Bekenntnis
einer Übereilung oder einer pessimistischen Auffassung verurteilt werden. Wird
aber der vom Reichskanzler als Ziel bezeichnete Zweck, die Germanisirung,
erreicht werden? Der teutschgesinnte Reichstagsabgeordnete Höffel, dessen
Zeugnis uns wichtiger erscheint, als die damit übereinstimmende Ansicht der
Vertreter andrer Richtungen, stellt dies entschiede« in Abrede. Wir Deutschen
sind nun aber so lange im Lande, daß unser Urteil auch Anspruch auf An¬
hörung erheben darf. Unter den eingewanderten Deutschen ist die Meinung
vorwiegend, daß der Paßzwang trotz der unleugbaren Verstimmung, die anch
unter Gutgesinnten hervorgerufen wurde, deshalb schließlich den besten Erfolg
haben werde, weil der Paßzwang das untrüglichste Mittel ist, die nationale
Dvppelart der Elsüsser, denen diese Untugend wie allen Grenzvölkern eigen¬
tümlich ist, zu bekehren und die Leute zur Erkenntnis des Ernstes der Lage
zu bringen. Weit bedenklicher noch als die offenkundige Anhänglichkeit an
Frankreich ist diese altererbte Fähigkeit zur nationalen Halbheit, die immer
weiter dauern würde, wenn ihr nicht einmal ein Ende gesteckt würde. Diese
Halbheit der Gesinnung wird aber weit weniger durch die Anwesenheit von
Franzosen im Reichslande als dnrch die Auswanderung aus dem Reichslande
nach Frankreich bestimmt. Diese Erfahrung kann man in jedem Grenzlande
machen, dessen Berkehrsbedingungen zum Auslande neigen. Eine solche Neigung
wird aber dadurch abgeschnitten, daß die Leute zur endgiltigen Entscheidung
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