Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.Alumneilmserinnerungen Wvchenparten. Arr sehn'ächstcn war es gewöhnlich um den Alt bestellt. Ich Mit einem besondern Nimbus waren natürlich die beiden Präfektenstellen Im Frühgottesdienst in der Kreuzkirche hatten nur die Amtsparten zu Alumneilmserinnerungen Wvchenparten. Arr sehn'ächstcn war es gewöhnlich um den Alt bestellt. Ich Mit einem besondern Nimbus waren natürlich die beiden Präfektenstellen Im Frühgottesdienst in der Kreuzkirche hatten nur die Amtsparten zu <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0132" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/208069"/> <fw type="header" place="top"> Alumneilmserinnerungen</fw><lb/> <p xml:id="ID_348" prev="#ID_347"> Wvchenparten. Arr sehn'ächstcn war es gewöhnlich um den Alt bestellt. Ich<lb/> glaube auch gar nicht, daß der Alt eine Knabeustiuune ist; eiuen wirklich<lb/> schönen Alt kann immer nur eine Frau singen. Ein Knabenalt ist nichts<lb/> weiter als ein heruntergequetschter Sopran oder ein hinaufgeschraubter Tenor,<lb/> »ud da auch im vierstimmigen Gesang, wenn er nicht figurirt ist, der Alt die<lb/> undankbarste Rolle hat, so war gewöhnlich zum Alt die geringste Neigung da;<lb/> am liebsten suchte man ihn zu überspringen.</p><lb/> <p xml:id="ID_349"> Mit einem besondern Nimbus waren natürlich die beiden Präfektenstellen<lb/> umgeben, besonders die erste. Der erste Präfekt hatte das Prafektenbnch in<lb/> seiner Verwahrung, einen alten Quartband, den er bei seinem Amtsantritt<lb/> vom Vorgänger gegen eine Kaution von fünf Thalern erhielt, um ihn später<lb/> ebenso an seinen Nachfolger weiterzugehen. Dieses Präfektenbuch wurde den<lb/> Augen der übrigen um keinen Preis gezeigt, sein Inhalt war tiefstes Ge¬<lb/> heimnis. Das war aber auch nötig, denn wenn der Nachfolger den Inhalt<lb/> vorher gekannt hätte, hätte er sich vielleicht geweigert, es zu übernehmen: es<lb/> stand nämlich weiter nichts drin als ein paar veraltete Bestimmungen und die<lb/> vollständige Reihe der ersten Prüfekten, zurück, wenn ich nicht irre, bis an<lb/> das Ende des siebzehnten Jahrhunderts, jeder von eigner Hand eingeschrieben.<lb/> Das war ja gewiß fünf Thaler wert, doch war die Schätzung immerhin<lb/> Gefühlssache, und darum war es klug, das Schicksal des Buches noch auf<lb/> andre Weise zu sichern.</p><lb/> <p xml:id="ID_350" next="#ID_351"> Im Frühgottesdienst in der Kreuzkirche hatten nur die Amtsparten zu<lb/> singen. Nur bei ihnen war man sicher, daß sie zu so früher Stunde pünktlich<lb/> und vollzählig zu haben waren. Aller drei Wochen also mußte der Alum¬<lb/> nus auch Sonntags frühzeitig ans den Federn, die beiden andern Sonntage<lb/> konnte er ausschlafen. Am schlimmsten waren auch hier wieder die Kleinen<lb/> dran. Der letzte in jeder Part hatte das Amt des „Aussteckers." Es war<lb/> das eine ganz abscheuliche Einrichtung. Die Aufgabe des kleinen Burschen<lb/> bestand darin, etwa eine Viertelstunde vor Beginn des Gottesdienstes in die<lb/> Sakristei zu gehen, dort deu „Liederzettel" zu holen, den der Kirchendiener (wir<lb/> bezeichneten ihn mit einem etwas despektirlichen Namen, den ich hier nicht<lb/> wiedergeben kann, den aber jeder „Letzte" in der Part, in der Kammer, wie<lb/> in der Schulklasse führte) vorher aus der Wohnung des Geistlichen geholt<lb/> hatte, und nun die Liederuummern an den schwarzen Tafeln, die auf der<lb/> Empvrkirche an mehreren Säulen angebracht waren, „aufzustecken." Diese<lb/> Tafeln waren drehbar. Um die Nummern auswechseln zu können, drehte man<lb/> die Tafel von der Säule herum bis nu die Emporenbrüstung, trat auf die<lb/> Brüstung und nahm nun die alten Ziffertäfelchen heraus, um die neuen ein¬<lb/> zuschieben. Nun denke man sich, daß diese so herumgeschlagene Tafel in keiner<lb/> Weise — etwa durch einen Haken — an der Brüstung befestigt werden konnte,<lb/> daß die Oberfläche der Brüstung etwas schräg war, um Gesangbücher darauf</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0132]
Alumneilmserinnerungen
Wvchenparten. Arr sehn'ächstcn war es gewöhnlich um den Alt bestellt. Ich
glaube auch gar nicht, daß der Alt eine Knabeustiuune ist; eiuen wirklich
schönen Alt kann immer nur eine Frau singen. Ein Knabenalt ist nichts
weiter als ein heruntergequetschter Sopran oder ein hinaufgeschraubter Tenor,
»ud da auch im vierstimmigen Gesang, wenn er nicht figurirt ist, der Alt die
undankbarste Rolle hat, so war gewöhnlich zum Alt die geringste Neigung da;
am liebsten suchte man ihn zu überspringen.
Mit einem besondern Nimbus waren natürlich die beiden Präfektenstellen
umgeben, besonders die erste. Der erste Präfekt hatte das Prafektenbnch in
seiner Verwahrung, einen alten Quartband, den er bei seinem Amtsantritt
vom Vorgänger gegen eine Kaution von fünf Thalern erhielt, um ihn später
ebenso an seinen Nachfolger weiterzugehen. Dieses Präfektenbuch wurde den
Augen der übrigen um keinen Preis gezeigt, sein Inhalt war tiefstes Ge¬
heimnis. Das war aber auch nötig, denn wenn der Nachfolger den Inhalt
vorher gekannt hätte, hätte er sich vielleicht geweigert, es zu übernehmen: es
stand nämlich weiter nichts drin als ein paar veraltete Bestimmungen und die
vollständige Reihe der ersten Prüfekten, zurück, wenn ich nicht irre, bis an
das Ende des siebzehnten Jahrhunderts, jeder von eigner Hand eingeschrieben.
Das war ja gewiß fünf Thaler wert, doch war die Schätzung immerhin
Gefühlssache, und darum war es klug, das Schicksal des Buches noch auf
andre Weise zu sichern.
Im Frühgottesdienst in der Kreuzkirche hatten nur die Amtsparten zu
singen. Nur bei ihnen war man sicher, daß sie zu so früher Stunde pünktlich
und vollzählig zu haben waren. Aller drei Wochen also mußte der Alum¬
nus auch Sonntags frühzeitig ans den Federn, die beiden andern Sonntage
konnte er ausschlafen. Am schlimmsten waren auch hier wieder die Kleinen
dran. Der letzte in jeder Part hatte das Amt des „Aussteckers." Es war
das eine ganz abscheuliche Einrichtung. Die Aufgabe des kleinen Burschen
bestand darin, etwa eine Viertelstunde vor Beginn des Gottesdienstes in die
Sakristei zu gehen, dort deu „Liederzettel" zu holen, den der Kirchendiener (wir
bezeichneten ihn mit einem etwas despektirlichen Namen, den ich hier nicht
wiedergeben kann, den aber jeder „Letzte" in der Part, in der Kammer, wie
in der Schulklasse führte) vorher aus der Wohnung des Geistlichen geholt
hatte, und nun die Liederuummern an den schwarzen Tafeln, die auf der
Empvrkirche an mehreren Säulen angebracht waren, „aufzustecken." Diese
Tafeln waren drehbar. Um die Nummern auswechseln zu können, drehte man
die Tafel von der Säule herum bis nu die Emporenbrüstung, trat auf die
Brüstung und nahm nun die alten Ziffertäfelchen heraus, um die neuen ein¬
zuschieben. Nun denke man sich, daß diese so herumgeschlagene Tafel in keiner
Weise — etwa durch einen Haken — an der Brüstung befestigt werden konnte,
daß die Oberfläche der Brüstung etwas schräg war, um Gesangbücher darauf
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