Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.klaffe" in der Lage, ihre Kinder in den entscheidenden Entwicklungsjahren in In der Schulbildung steht Elsaß-Lothringen noch weit zurück gegen das Durch die Einwirkung des Klerus, dessen Sympathie sich Frankreich zu¬ Eine Verordnung der Bezirkspräsidenten aus dem Jahre 1887 sucht einem Eine wesentliche Förderung würde die Germanisirung Elsaß-Lothringens Grenzbote" 111 18S0 14
klaffe» in der Lage, ihre Kinder in den entscheidenden Entwicklungsjahren in In der Schulbildung steht Elsaß-Lothringen noch weit zurück gegen das Durch die Einwirkung des Klerus, dessen Sympathie sich Frankreich zu¬ Eine Verordnung der Bezirkspräsidenten aus dem Jahre 1887 sucht einem Eine wesentliche Förderung würde die Germanisirung Elsaß-Lothringens Grenzbote» 111 18S0 14
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0113" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/208050"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_298" prev="#ID_297"> klaffe» in der Lage, ihre Kinder in den entscheidenden Entwicklungsjahren in<lb/> Frankreich ausbilden zu lasten.</p><lb/> <p xml:id="ID_299"> In der Schulbildung steht Elsaß-Lothringen noch weit zurück gegen das<lb/> Maß von Kenntnissen, das in Altdeutschland fast jeder besitzt. Unter den<lb/> Landleuten find nicht wenige, die Nieder schreiben noch lesen können. Hier<lb/> liegt noch eine große Aufgabe für den Lehrerstand, der durch Zuziehung be¬<lb/> währter altdeutscher Kräfte noch gestärkt werden niüßte, damit die Kinder nicht<lb/> das erlernte Deutsch gar zu schnell wieder vergessen.</p><lb/> <p xml:id="ID_300"> Durch die Einwirkung des Klerus, dessen Sympathie sich Frankreich zu¬<lb/> wendet, ist die Schulfrage freilich besonders heilet geworden. In der fran¬<lb/> zösischen Zeit sollen umgekehrt die katholischen Geistlichen im deutschen Interesse,<lb/> namentlich sür Erhaltung der deutschen Sprache gewirkt haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_301"> Eine Verordnung der Bezirkspräsidenten aus dem Jahre 1887 sucht einem<lb/> Mißstände zu steuern, der namentlich bei den Fremden den Eindruck erwecken<lb/> könnte, als ob das Reichsland wirklich verwelscht worden sei. Es find das<lb/> die Schilder und Inschriften der Geschäfte und Läden, die selbst an solchen<lb/> Orten in französischer Sprache abgefaßt sind, wo sonst die Bewohner nicht<lb/> mehr, als einige in den Dialekt eingedrungene Brocken französisch verstehe».<lb/> Wer Straßburg keimt, weiß, daß überall das Gewerbe oder der Beruf des<lb/> Gewerbetreibenden in französischer Bezeichnung angebracht ist. Da liest man<lb/> als Aufschriften der kleinsten Läden torti-mtiEr, bonvlierio, olmroutsriL, von-<lb/> <iumoiiilIoriL, obwohl die Inhaber nur ihr clsässer „Dieses" reden.<lb/> Noch mehr fällt dieser Mißstand in den kleinern Städten und Gemeinden auf.<lb/> Mit der Durchführung der erwähnten Verordnungen, die allerdings keine rück¬<lb/> wirkende Kraft haben und das Bestehende unberührt lassen, wird diese welsche<lb/> Außenseite von der Oberflüche verschwinden.</p><lb/> <p xml:id="ID_302" next="#ID_303"> Eine wesentliche Förderung würde die Germanisirung Elsaß-Lothringens<lb/> durch eine Hebung der wechselseitigen Beziehungen zwischen dem Reichsland<lb/> und Altdeutschland erfahren; die Vollendung der in Aussicht genommenen<lb/> Wasserstraße zwischen Straßburg und Ludwigshafen mich dein schiffbaren Rhein<lb/> wird diesen Anschluß an den Osten begünstigen. Der altdeutsche Kaufmann<lb/> und Grundbesitzer zeigt sich außerordentlich zurückhaltend, und es ist darin nicht<lb/> die letzte Ursache zu suchen, weshalb die einheimischen industriellen Kreise wie<lb/> die Guteigentümer ihrer frühern Gewohnheit nach an Paris festhalten. Man<lb/> bringt den hiesigen Verhältnissen ein Mißtrauen entgegen, das nach der kraft¬<lb/> vollen wie friedfertigen Politik des deutschen Reiches als unbegründet bezeichnet<lb/> werden muß. Man sollte in der Kolonisirung ähnlich vorgehen, wie es Preußen<lb/> in Posen gethan hat. Vermögende und angesehene Kaufleute und Fabrikanten<lb/> sollten es wagen, sich in Elsaß-Lothringen niederzulassen. Gewiß würde der<lb/> Kampf und die Konkurrenz mit den Eingeborenen nicht leicht sein, aber unser<lb/> Kaufmannsstand klebt heute uicht mehr so an der Scholle, er ist stark und</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzbote» 111 18S0 14</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0113]
klaffe» in der Lage, ihre Kinder in den entscheidenden Entwicklungsjahren in
Frankreich ausbilden zu lasten.
In der Schulbildung steht Elsaß-Lothringen noch weit zurück gegen das
Maß von Kenntnissen, das in Altdeutschland fast jeder besitzt. Unter den
Landleuten find nicht wenige, die Nieder schreiben noch lesen können. Hier
liegt noch eine große Aufgabe für den Lehrerstand, der durch Zuziehung be¬
währter altdeutscher Kräfte noch gestärkt werden niüßte, damit die Kinder nicht
das erlernte Deutsch gar zu schnell wieder vergessen.
Durch die Einwirkung des Klerus, dessen Sympathie sich Frankreich zu¬
wendet, ist die Schulfrage freilich besonders heilet geworden. In der fran¬
zösischen Zeit sollen umgekehrt die katholischen Geistlichen im deutschen Interesse,
namentlich sür Erhaltung der deutschen Sprache gewirkt haben.
Eine Verordnung der Bezirkspräsidenten aus dem Jahre 1887 sucht einem
Mißstände zu steuern, der namentlich bei den Fremden den Eindruck erwecken
könnte, als ob das Reichsland wirklich verwelscht worden sei. Es find das
die Schilder und Inschriften der Geschäfte und Läden, die selbst an solchen
Orten in französischer Sprache abgefaßt sind, wo sonst die Bewohner nicht
mehr, als einige in den Dialekt eingedrungene Brocken französisch verstehe».
Wer Straßburg keimt, weiß, daß überall das Gewerbe oder der Beruf des
Gewerbetreibenden in französischer Bezeichnung angebracht ist. Da liest man
als Aufschriften der kleinsten Läden torti-mtiEr, bonvlierio, olmroutsriL, von-
<iumoiiilIoriL, obwohl die Inhaber nur ihr clsässer „Dieses" reden.
Noch mehr fällt dieser Mißstand in den kleinern Städten und Gemeinden auf.
Mit der Durchführung der erwähnten Verordnungen, die allerdings keine rück¬
wirkende Kraft haben und das Bestehende unberührt lassen, wird diese welsche
Außenseite von der Oberflüche verschwinden.
Eine wesentliche Förderung würde die Germanisirung Elsaß-Lothringens
durch eine Hebung der wechselseitigen Beziehungen zwischen dem Reichsland
und Altdeutschland erfahren; die Vollendung der in Aussicht genommenen
Wasserstraße zwischen Straßburg und Ludwigshafen mich dein schiffbaren Rhein
wird diesen Anschluß an den Osten begünstigen. Der altdeutsche Kaufmann
und Grundbesitzer zeigt sich außerordentlich zurückhaltend, und es ist darin nicht
die letzte Ursache zu suchen, weshalb die einheimischen industriellen Kreise wie
die Guteigentümer ihrer frühern Gewohnheit nach an Paris festhalten. Man
bringt den hiesigen Verhältnissen ein Mißtrauen entgegen, das nach der kraft¬
vollen wie friedfertigen Politik des deutschen Reiches als unbegründet bezeichnet
werden muß. Man sollte in der Kolonisirung ähnlich vorgehen, wie es Preußen
in Posen gethan hat. Vermögende und angesehene Kaufleute und Fabrikanten
sollten es wagen, sich in Elsaß-Lothringen niederzulassen. Gewiß würde der
Kampf und die Konkurrenz mit den Eingeborenen nicht leicht sein, aber unser
Kaufmannsstand klebt heute uicht mehr so an der Scholle, er ist stark und
Grenzbote» 111 18S0 14
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