Eisstücken schlvanuncn. Daß das am Abend in die Becken gegossene Wasser früh zu vollständigen Schollen gefroren war, die am Ofen herausgethaut werden mußten, war keine Seltenheit, Leider benahmen sich die "Obern," die doch den "Untern" in solcher Zeit mit guten, Beispiel hatten vorangehen sollen, oft recht memmenhaft; sie wuschen sich im großen Auditorium hinterm Ofen und überließen die kalten Kammern den Kleinen.
Das Verhältnis der "Obern" zu den "Untern" war überhaupt in mancher Beziehung nichts Schönes. Die Kreuzschule hatte damals nenn Klassen: die Primn einfach, die andern Klassen von der Sekunda bis zur Quinta doppelt. Wer in einer der drei obersten Klassen saß: in Prima, in Ober- oder in Unter¬ sekunda, zählte auf dem Alumneum zu den Ober!?, alle übrigen zu den Untern. Die Obern konnten befehle", konnten die Untern zu allerhaud Dienstleistungen heranziehen, Wege besorgen lassen u. s. w., die Untern hatten zu gehorchen. Die Obern hatten auch Strafgewalt liber die Untern. Wer nicht gehorchte, wer sich irgend einen Verstoß gegen die Ordnung zu Schulden kommen ließ, den konnte der Obere, der ihn dabei betraf, mit einem Pensum (Auswendig¬ lernen eines Cäsarkapitels oder dergleichen), sogar mit Entziehung des Mittag¬ essens bestrafen. Natürlich nahm die Fähigkeit und das Recht, zu strafen, nach obenhin, die Fähigkeit und das Recht, bestraft zu werden, nach untenhiu zu. Wenn sich ein neubackener Oberer, ein Uutersekuudauer, Hütte heraus¬ nehmen wollen, einen Obertertianer zu bestrafen, es wäre ja die reine Lächerlich¬ keit gewesen, er mußte sich jüngere Opfer aussuchen, wenn er seine Strafgewalt erproben wollte; der Primaner aber konnte sich selbst am Obertertianer ver¬ greifen. Schön, wie gesagt, war die ganze Einrichtung nicht, sie führte zu mancherlei Mißbräuchen, eine Berufung an eine höhere Instanz -- etwa den Inspektor - - war bei Ungerechtigkeit und Willkür so gut wie ausgeschlossen, denn sie hätte dem Beschwerdeführer mehr geschadet als genützt, und so er¬ trug mau manches stumm und tröstete sich mit der Hoffnung, auch einmal hinaufzukommen und Oberer zu werden.
Ein ganz gefährlicher Kunde, der förmlich dans ausging, etwas auszu¬ schnüffeln, damit er etwas zu, bestrafen oder anzuzeigen hatte, war die Hunde- mama mit ihrer lange", spitzen Nase. Wir hatten einmal, drei Obertertianer, am Sylvesterabend zu unserm Glase Grog einen Skat riskirt -- im großen Auditorium! Die Kleinen schliefen, die Großen waren noch nicht zu Hanse. Da erschien unerwartet zeitig die Hnndemama, "klappte" uns, nahm uns die Karten weg und -- trug sie andern Tages hinein zum Kollaborator! Es folgten für uus ein paar sehr unruhige Tage. Der Kollaborator ging an eine noch höhere Instanz, er zeigte nach den Weihnachtsferien das fürchterliche Ver¬ brechen dem Rektor um. Der Rektor, unser guter, lieber Rektor, den, nichts widerwärtiger war als solche Klatscherei, ließ uns in der Freiviertelstunde herunterkommen, verhörte uus, gab jedem einen Patsch ins Gesicht -- eine
Alttmiwumsermnermlgen
Eisstücken schlvanuncn. Daß das am Abend in die Becken gegossene Wasser früh zu vollständigen Schollen gefroren war, die am Ofen herausgethaut werden mußten, war keine Seltenheit, Leider benahmen sich die „Obern," die doch den „Untern" in solcher Zeit mit guten, Beispiel hatten vorangehen sollen, oft recht memmenhaft; sie wuschen sich im großen Auditorium hinterm Ofen und überließen die kalten Kammern den Kleinen.
Das Verhältnis der „Obern" zu den „Untern" war überhaupt in mancher Beziehung nichts Schönes. Die Kreuzschule hatte damals nenn Klassen: die Primn einfach, die andern Klassen von der Sekunda bis zur Quinta doppelt. Wer in einer der drei obersten Klassen saß: in Prima, in Ober- oder in Unter¬ sekunda, zählte auf dem Alumneum zu den Ober!?, alle übrigen zu den Untern. Die Obern konnten befehle», konnten die Untern zu allerhaud Dienstleistungen heranziehen, Wege besorgen lassen u. s. w., die Untern hatten zu gehorchen. Die Obern hatten auch Strafgewalt liber die Untern. Wer nicht gehorchte, wer sich irgend einen Verstoß gegen die Ordnung zu Schulden kommen ließ, den konnte der Obere, der ihn dabei betraf, mit einem Pensum (Auswendig¬ lernen eines Cäsarkapitels oder dergleichen), sogar mit Entziehung des Mittag¬ essens bestrafen. Natürlich nahm die Fähigkeit und das Recht, zu strafen, nach obenhin, die Fähigkeit und das Recht, bestraft zu werden, nach untenhiu zu. Wenn sich ein neubackener Oberer, ein Uutersekuudauer, Hütte heraus¬ nehmen wollen, einen Obertertianer zu bestrafen, es wäre ja die reine Lächerlich¬ keit gewesen, er mußte sich jüngere Opfer aussuchen, wenn er seine Strafgewalt erproben wollte; der Primaner aber konnte sich selbst am Obertertianer ver¬ greifen. Schön, wie gesagt, war die ganze Einrichtung nicht, sie führte zu mancherlei Mißbräuchen, eine Berufung an eine höhere Instanz — etwa den Inspektor - - war bei Ungerechtigkeit und Willkür so gut wie ausgeschlossen, denn sie hätte dem Beschwerdeführer mehr geschadet als genützt, und so er¬ trug mau manches stumm und tröstete sich mit der Hoffnung, auch einmal hinaufzukommen und Oberer zu werden.
Ein ganz gefährlicher Kunde, der förmlich dans ausging, etwas auszu¬ schnüffeln, damit er etwas zu, bestrafen oder anzuzeigen hatte, war die Hunde- mama mit ihrer lange», spitzen Nase. Wir hatten einmal, drei Obertertianer, am Sylvesterabend zu unserm Glase Grog einen Skat riskirt — im großen Auditorium! Die Kleinen schliefen, die Großen waren noch nicht zu Hanse. Da erschien unerwartet zeitig die Hnndemama, „klappte" uns, nahm uns die Karten weg und — trug sie andern Tages hinein zum Kollaborator! Es folgten für uus ein paar sehr unruhige Tage. Der Kollaborator ging an eine noch höhere Instanz, er zeigte nach den Weihnachtsferien das fürchterliche Ver¬ brechen dem Rektor um. Der Rektor, unser guter, lieber Rektor, den, nichts widerwärtiger war als solche Klatscherei, ließ uns in der Freiviertelstunde herunterkommen, verhörte uus, gab jedem einen Patsch ins Gesicht — eine
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Alttmiwumsermnermlgen
Eisstücken schlvanuncn. Daß das am Abend in die Becken gegossene Wasser früh
zu vollständigen Schollen gefroren war, die am Ofen herausgethaut werden
mußten, war keine Seltenheit, Leider benahmen sich die „Obern," die doch den
„Untern" in solcher Zeit mit guten, Beispiel hatten vorangehen sollen, oft
recht memmenhaft; sie wuschen sich im großen Auditorium hinterm Ofen und
überließen die kalten Kammern den Kleinen.
Das Verhältnis der „Obern" zu den „Untern" war überhaupt in mancher
Beziehung nichts Schönes. Die Kreuzschule hatte damals nenn Klassen: die
Primn einfach, die andern Klassen von der Sekunda bis zur Quinta doppelt.
Wer in einer der drei obersten Klassen saß: in Prima, in Ober- oder in Unter¬
sekunda, zählte auf dem Alumneum zu den Ober!?, alle übrigen zu den Untern.
Die Obern konnten befehle», konnten die Untern zu allerhaud Dienstleistungen
heranziehen, Wege besorgen lassen u. s. w., die Untern hatten zu gehorchen.
Die Obern hatten auch Strafgewalt liber die Untern. Wer nicht gehorchte,
wer sich irgend einen Verstoß gegen die Ordnung zu Schulden kommen ließ,
den konnte der Obere, der ihn dabei betraf, mit einem Pensum (Auswendig¬
lernen eines Cäsarkapitels oder dergleichen), sogar mit Entziehung des Mittag¬
essens bestrafen. Natürlich nahm die Fähigkeit und das Recht, zu strafen,
nach obenhin, die Fähigkeit und das Recht, bestraft zu werden, nach untenhiu
zu. Wenn sich ein neubackener Oberer, ein Uutersekuudauer, Hütte heraus¬
nehmen wollen, einen Obertertianer zu bestrafen, es wäre ja die reine Lächerlich¬
keit gewesen, er mußte sich jüngere Opfer aussuchen, wenn er seine Strafgewalt
erproben wollte; der Primaner aber konnte sich selbst am Obertertianer ver¬
greifen. Schön, wie gesagt, war die ganze Einrichtung nicht, sie führte zu
mancherlei Mißbräuchen, eine Berufung an eine höhere Instanz — etwa den
Inspektor - - war bei Ungerechtigkeit und Willkür so gut wie ausgeschlossen,
denn sie hätte dem Beschwerdeführer mehr geschadet als genützt, und so er¬
trug mau manches stumm und tröstete sich mit der Hoffnung, auch einmal
hinaufzukommen und Oberer zu werden.
Ein ganz gefährlicher Kunde, der förmlich dans ausging, etwas auszu¬
schnüffeln, damit er etwas zu, bestrafen oder anzuzeigen hatte, war die Hunde-
mama mit ihrer lange», spitzen Nase. Wir hatten einmal, drei Obertertianer,
am Sylvesterabend zu unserm Glase Grog einen Skat riskirt — im großen
Auditorium! Die Kleinen schliefen, die Großen waren noch nicht zu Hanse.
Da erschien unerwartet zeitig die Hnndemama, „klappte" uns, nahm uns die
Karten weg und — trug sie andern Tages hinein zum Kollaborator! Es
folgten für uus ein paar sehr unruhige Tage. Der Kollaborator ging an eine
noch höhere Instanz, er zeigte nach den Weihnachtsferien das fürchterliche Ver¬
brechen dem Rektor um. Der Rektor, unser guter, lieber Rektor, den, nichts
widerwärtiger war als solche Klatscherei, ließ uns in der Freiviertelstunde
herunterkommen, verhörte uus, gab jedem einen Patsch ins Gesicht — eine
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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/101>, abgerufen am 24.01.2025.
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