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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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halb dem Wortlaute nach nicht unter das Verbot fallen, die aber wirtschaftlich
genau fo wirken, wie das verbotene Rechtsgeschäft. Statt die Mobilien sich
verpfänden zu lassen, kauft sie der Gläubiger von seinem Schuldner für einen
der Schuld gleichkommenden Preis, läßt sich das "Eigentum" daran über¬
tragen, beläßt aber den Besitz dem "Verkäufer," und dieser bedingt sich ans,
daß, wenn er den "Kaufpreis" (d. h. die Schuld) zurückzahle, das Eigentum
wieder auf ihn übergehe. Vielleicht wird auch, um den Schein noch voll¬
ständiger zu machen, für die Benutzung der Mobilien ein vom Besitzer zu
zählendes "Mietgeld" vereinbart, das genau dem Betrage der für die Schuld
zu zahlenden Zinsen entspricht. Damit ist ein Verhältnis hergestellt, das dem
Gläubiger eine der Verpfändung ganz gleichkommende dingliche Sicherheit ge¬
währt, während es für das Publikum den täuschenden Schein aufrecht hält,
daß der im Besitz des Mobiliars verbleibende Schuldner ein durchaus kredit¬
würdiger Mann sei. Durch den Abschluß von Geschäften dieser Art ist das
gesetzliche Verbot einer Hhpothek um Mobilien lahm gelegt. Wollen andre
Gläubiger sich aus dem Mobiliar bezahlt machen, so tritt der Gläubiger, der
sich in dieser Weise vorgesehen hat, gegen sie auf. Er kann zwar nicht sagen:
Mir find die Mobilien schon verpfändet. Aber er sagt: Mir gehören die
Mobilien als Eigentum, und deshalb Hand ab!

Die Gerichte haben nun großenteils solche Geschäfte für rechtswirksam
erklärt. Zwar wurde in den zahlreichen Prozessen, die über Rechtsfälle dieser
Art anhängig waren, öfters die Frage gestellt, ob nicht ein solches Geschäft
"nur zum Schein" abgeschlossen sei. Man fand aber den Gegensatz zu einem
"Scheingeschüft" (oder, wie man auch sagt, einem "simulirter" Geschäft) nnr
in einem ernstlich abgeschlossenen Geschäfte. Ernstlich abgeschlossen sind nun
solche Geschäfte unzweifelhaft. Es ist den Beteiligten bittrer Ernst damit, dem
Gesetz ein Schnippchen zu schlagen, indem mau an die Stelle der Verpfändung
einen Kauf unter Vorbehalt des Rückkaufs setzt.

Gleichwohl wären die Gerichte in der Lage gewesen, diese Geschäfte für
uugiltig zu erklären. Denn es giebt noch einen andern Begriff von Schein¬
geschäften: Geschäfte, die zwar völlig ernstlich gemeint, aber doch insofern nnr
"zum äußern Schein" abgeschlossen sind, als sie unter einer Rechtsform, die
dem Namen nach nicht unter ein gesetzliches Verbot fällt, einen wirtschaftlichen
Zweck verfolgen, der vollkommen dem Zwecke eines andern, vom Gesetze ver¬
botenen Geschäftes entspricht. Wer sich in dem gedachten Falle das Eigentum
uuter Belastung des Besitzes bei dem Veräußerer und vorbehaltlich der Ver¬
pflichtung zum Nückverkauf übertrage" läßt, der will ja das Eigentum uicht
erwerben, um es zu nutzen und zu genießen, sondern er null in dem Eigentum,
dessen Nutzung er in den Händen des Veräußerers läßt, nur eine Sicherheit
für seine Forderung erlangen, die ihm in der Form der Hypothek sich bestellen
zu lassen verboten ist. Im Rechte werden Geschäfte dieser Art aw zur Um--


halb dem Wortlaute nach nicht unter das Verbot fallen, die aber wirtschaftlich
genau fo wirken, wie das verbotene Rechtsgeschäft. Statt die Mobilien sich
verpfänden zu lassen, kauft sie der Gläubiger von seinem Schuldner für einen
der Schuld gleichkommenden Preis, läßt sich das „Eigentum" daran über¬
tragen, beläßt aber den Besitz dem „Verkäufer," und dieser bedingt sich ans,
daß, wenn er den „Kaufpreis" (d. h. die Schuld) zurückzahle, das Eigentum
wieder auf ihn übergehe. Vielleicht wird auch, um den Schein noch voll¬
ständiger zu machen, für die Benutzung der Mobilien ein vom Besitzer zu
zählendes „Mietgeld" vereinbart, das genau dem Betrage der für die Schuld
zu zahlenden Zinsen entspricht. Damit ist ein Verhältnis hergestellt, das dem
Gläubiger eine der Verpfändung ganz gleichkommende dingliche Sicherheit ge¬
währt, während es für das Publikum den täuschenden Schein aufrecht hält,
daß der im Besitz des Mobiliars verbleibende Schuldner ein durchaus kredit¬
würdiger Mann sei. Durch den Abschluß von Geschäften dieser Art ist das
gesetzliche Verbot einer Hhpothek um Mobilien lahm gelegt. Wollen andre
Gläubiger sich aus dem Mobiliar bezahlt machen, so tritt der Gläubiger, der
sich in dieser Weise vorgesehen hat, gegen sie auf. Er kann zwar nicht sagen:
Mir find die Mobilien schon verpfändet. Aber er sagt: Mir gehören die
Mobilien als Eigentum, und deshalb Hand ab!

Die Gerichte haben nun großenteils solche Geschäfte für rechtswirksam
erklärt. Zwar wurde in den zahlreichen Prozessen, die über Rechtsfälle dieser
Art anhängig waren, öfters die Frage gestellt, ob nicht ein solches Geschäft
„nur zum Schein" abgeschlossen sei. Man fand aber den Gegensatz zu einem
„Scheingeschüft" (oder, wie man auch sagt, einem „simulirter" Geschäft) nnr
in einem ernstlich abgeschlossenen Geschäfte. Ernstlich abgeschlossen sind nun
solche Geschäfte unzweifelhaft. Es ist den Beteiligten bittrer Ernst damit, dem
Gesetz ein Schnippchen zu schlagen, indem mau an die Stelle der Verpfändung
einen Kauf unter Vorbehalt des Rückkaufs setzt.

Gleichwohl wären die Gerichte in der Lage gewesen, diese Geschäfte für
uugiltig zu erklären. Denn es giebt noch einen andern Begriff von Schein¬
geschäften: Geschäfte, die zwar völlig ernstlich gemeint, aber doch insofern nnr
„zum äußern Schein" abgeschlossen sind, als sie unter einer Rechtsform, die
dem Namen nach nicht unter ein gesetzliches Verbot fällt, einen wirtschaftlichen
Zweck verfolgen, der vollkommen dem Zwecke eines andern, vom Gesetze ver¬
botenen Geschäftes entspricht. Wer sich in dem gedachten Falle das Eigentum
uuter Belastung des Besitzes bei dem Veräußerer und vorbehaltlich der Ver¬
pflichtung zum Nückverkauf übertrage» läßt, der will ja das Eigentum uicht
erwerben, um es zu nutzen und zu genießen, sondern er null in dem Eigentum,
dessen Nutzung er in den Händen des Veräußerers läßt, nur eine Sicherheit
für seine Forderung erlangen, die ihm in der Form der Hypothek sich bestellen
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[0068] halb dem Wortlaute nach nicht unter das Verbot fallen, die aber wirtschaftlich genau fo wirken, wie das verbotene Rechtsgeschäft. Statt die Mobilien sich verpfänden zu lassen, kauft sie der Gläubiger von seinem Schuldner für einen der Schuld gleichkommenden Preis, läßt sich das „Eigentum" daran über¬ tragen, beläßt aber den Besitz dem „Verkäufer," und dieser bedingt sich ans, daß, wenn er den „Kaufpreis" (d. h. die Schuld) zurückzahle, das Eigentum wieder auf ihn übergehe. Vielleicht wird auch, um den Schein noch voll¬ ständiger zu machen, für die Benutzung der Mobilien ein vom Besitzer zu zählendes „Mietgeld" vereinbart, das genau dem Betrage der für die Schuld zu zahlenden Zinsen entspricht. Damit ist ein Verhältnis hergestellt, das dem Gläubiger eine der Verpfändung ganz gleichkommende dingliche Sicherheit ge¬ währt, während es für das Publikum den täuschenden Schein aufrecht hält, daß der im Besitz des Mobiliars verbleibende Schuldner ein durchaus kredit¬ würdiger Mann sei. Durch den Abschluß von Geschäften dieser Art ist das gesetzliche Verbot einer Hhpothek um Mobilien lahm gelegt. Wollen andre Gläubiger sich aus dem Mobiliar bezahlt machen, so tritt der Gläubiger, der sich in dieser Weise vorgesehen hat, gegen sie auf. Er kann zwar nicht sagen: Mir find die Mobilien schon verpfändet. Aber er sagt: Mir gehören die Mobilien als Eigentum, und deshalb Hand ab! Die Gerichte haben nun großenteils solche Geschäfte für rechtswirksam erklärt. Zwar wurde in den zahlreichen Prozessen, die über Rechtsfälle dieser Art anhängig waren, öfters die Frage gestellt, ob nicht ein solches Geschäft „nur zum Schein" abgeschlossen sei. Man fand aber den Gegensatz zu einem „Scheingeschüft" (oder, wie man auch sagt, einem „simulirter" Geschäft) nnr in einem ernstlich abgeschlossenen Geschäfte. Ernstlich abgeschlossen sind nun solche Geschäfte unzweifelhaft. Es ist den Beteiligten bittrer Ernst damit, dem Gesetz ein Schnippchen zu schlagen, indem mau an die Stelle der Verpfändung einen Kauf unter Vorbehalt des Rückkaufs setzt. Gleichwohl wären die Gerichte in der Lage gewesen, diese Geschäfte für uugiltig zu erklären. Denn es giebt noch einen andern Begriff von Schein¬ geschäften: Geschäfte, die zwar völlig ernstlich gemeint, aber doch insofern nnr „zum äußern Schein" abgeschlossen sind, als sie unter einer Rechtsform, die dem Namen nach nicht unter ein gesetzliches Verbot fällt, einen wirtschaftlichen Zweck verfolgen, der vollkommen dem Zwecke eines andern, vom Gesetze ver¬ botenen Geschäftes entspricht. Wer sich in dem gedachten Falle das Eigentum uuter Belastung des Besitzes bei dem Veräußerer und vorbehaltlich der Ver¬ pflichtung zum Nückverkauf übertrage» läßt, der will ja das Eigentum uicht erwerben, um es zu nutzen und zu genießen, sondern er null in dem Eigentum, dessen Nutzung er in den Händen des Veräußerers läßt, nur eine Sicherheit für seine Forderung erlangen, die ihm in der Form der Hypothek sich bestellen zu lassen verboten ist. Im Rechte werden Geschäfte dieser Art aw zur Um--

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/68>, abgerufen am 03.07.2024.