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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Die leitenden Grundzüge in der Politik des VnntUsx ^laximug

übrigen Konfessionen bei ihren" Rechte zu schützen. Wenn es aber dieser Schutz
verlangt, die Kirche der Hierarchie nicht so stark werden zu lassen, daß sie die
Angehörigen des Staates, worunter sich selbst die der eignen Kirche befinden
können und in der That oft genug befinden, mit der harten Fessel des Dogmas
knebelt, so muß der Staat darauf bedacht sein, nicht an Forinbegriffen, wie dem
der Parität, zu Grunde zu gehen, währeud er die wahre Gerechtigkeit, auf
der sich der moderne, zumal der preußische Staat auferbaut hat, verleugnet.

Dieser Schutz gegen eine Macht, die alle Geister knebelt, sobald sie Freiheit
hat, ist für den modernen Staat ganz unerläßlich. Und da in dieser Welt das
Geld Macht ist, so ist es, um einen demnächst der Entscheidung vorliegenden
Fall zu erwähnen, notwendig, die Sperrgclder, die ja an den Staat verfallene
Strafgelder sind, nicht denen auszuliefern, die mit Fug und Recht init der
Strafe belegt wurden. Der Staat kann nicht den Ungehorsam auch noch zu
guter letzt belohnen, will er sich nicht selbst aufgeben. Jedes Zurückweichen
des Staates in der Sache der Sperrgelder bedeutet neue Stärkung der römischen
Macht, und Stärkung der Macht heißt bei der Hierarchie jederzeit Steigerung
der Ansprüche. Das zeigt der durch die Thorheit der Liberalen versumpfte
Kulturkampf zur Genüge, dessen Beendigung uns anstatt des Friedens sofort
den neuen Kampf um die Schule in Aussicht stellte, der jetzt auch bereits im
Anzüge scheint und "gegen deu -- wie Windthorst erklärte -- aller bisherige
Kampf nur ein Kinderspiel sein wird." Nach dem Ergebnis der letzten Wahlen,
die weiter nichts als die elende deutsche Zerfahrenheit zu Tage gefordert haben,
kann unsre Hoffnung gegenüber einer neuen Majorität Windthorst-Richter-
Grillenberger in allen kirchenpolitischen Fragen nur darin bestehen, daß wir
eine Negierung haben, die sich im Willen ebenso stark erweist, als sie maßvoll
aber bestimmt in ihren Zielen ist.

Zu diesen Zielen kann aber eine Stärkung der päpstlichen Macht nicht
gehören, wie sie die siebzehn Millionen Sperrgelder mit sich bringen würden,
U'eun man diese der katholischen Kirche zu freier Verfügung überließe. Und
da ebenso wenig daran zu denken ist, daß eine Maßregel zur Beruhigung der
katholischen Gemüter beitragen würde, die etwa eine Verteilung dieser Gelder
an die katholische und die evangelische Kirche zugleich, je nach der Zahl ihrer
^gehörigem in Preußen, verfügte, überhaupt eine Ausstattung irgend einer
Kirche mit festen Fonds vonseiten des Staates kaum ratsam ist, da eine solche
"ur kirchlichen Abschließung und Verfestigung führt, so wäre wohl eine Ver¬
wendung der Art am Platze, daß die dem Staate verfallenen Strafgelder zu
Eichen humanen Zwecken angelegt würden, die auf dem staatlich-gesellschaftlichen
Gebiete zu verwirklichen sind. Da aber im Vordergrund aller öffentlichen
Bestrebungen heutzutage die Verwirklichung der sozialpolitischen Gesetzgebung
^'de und der Staat mit aller Macht daran arbeiten muß, die Mittel dafür auf¬
zubringen, so kann es keine vernünftigere nud befriedigendere Verwendung der


Grenzboten 11 1890 "
Die leitenden Grundzüge in der Politik des VnntUsx ^laximug

übrigen Konfessionen bei ihren» Rechte zu schützen. Wenn es aber dieser Schutz
verlangt, die Kirche der Hierarchie nicht so stark werden zu lassen, daß sie die
Angehörigen des Staates, worunter sich selbst die der eignen Kirche befinden
können und in der That oft genug befinden, mit der harten Fessel des Dogmas
knebelt, so muß der Staat darauf bedacht sein, nicht an Forinbegriffen, wie dem
der Parität, zu Grunde zu gehen, währeud er die wahre Gerechtigkeit, auf
der sich der moderne, zumal der preußische Staat auferbaut hat, verleugnet.

Dieser Schutz gegen eine Macht, die alle Geister knebelt, sobald sie Freiheit
hat, ist für den modernen Staat ganz unerläßlich. Und da in dieser Welt das
Geld Macht ist, so ist es, um einen demnächst der Entscheidung vorliegenden
Fall zu erwähnen, notwendig, die Sperrgclder, die ja an den Staat verfallene
Strafgelder sind, nicht denen auszuliefern, die mit Fug und Recht init der
Strafe belegt wurden. Der Staat kann nicht den Ungehorsam auch noch zu
guter letzt belohnen, will er sich nicht selbst aufgeben. Jedes Zurückweichen
des Staates in der Sache der Sperrgelder bedeutet neue Stärkung der römischen
Macht, und Stärkung der Macht heißt bei der Hierarchie jederzeit Steigerung
der Ansprüche. Das zeigt der durch die Thorheit der Liberalen versumpfte
Kulturkampf zur Genüge, dessen Beendigung uns anstatt des Friedens sofort
den neuen Kampf um die Schule in Aussicht stellte, der jetzt auch bereits im
Anzüge scheint und „gegen deu — wie Windthorst erklärte — aller bisherige
Kampf nur ein Kinderspiel sein wird." Nach dem Ergebnis der letzten Wahlen,
die weiter nichts als die elende deutsche Zerfahrenheit zu Tage gefordert haben,
kann unsre Hoffnung gegenüber einer neuen Majorität Windthorst-Richter-
Grillenberger in allen kirchenpolitischen Fragen nur darin bestehen, daß wir
eine Negierung haben, die sich im Willen ebenso stark erweist, als sie maßvoll
aber bestimmt in ihren Zielen ist.

Zu diesen Zielen kann aber eine Stärkung der päpstlichen Macht nicht
gehören, wie sie die siebzehn Millionen Sperrgelder mit sich bringen würden,
U'eun man diese der katholischen Kirche zu freier Verfügung überließe. Und
da ebenso wenig daran zu denken ist, daß eine Maßregel zur Beruhigung der
katholischen Gemüter beitragen würde, die etwa eine Verteilung dieser Gelder
an die katholische und die evangelische Kirche zugleich, je nach der Zahl ihrer
^gehörigem in Preußen, verfügte, überhaupt eine Ausstattung irgend einer
Kirche mit festen Fonds vonseiten des Staates kaum ratsam ist, da eine solche
»ur kirchlichen Abschließung und Verfestigung führt, so wäre wohl eine Ver¬
wendung der Art am Platze, daß die dem Staate verfallenen Strafgelder zu
Eichen humanen Zwecken angelegt würden, die auf dem staatlich-gesellschaftlichen
Gebiete zu verwirklichen sind. Da aber im Vordergrund aller öffentlichen
Bestrebungen heutzutage die Verwirklichung der sozialpolitischen Gesetzgebung
^'de und der Staat mit aller Macht daran arbeiten muß, die Mittel dafür auf¬
zubringen, so kann es keine vernünftigere nud befriedigendere Verwendung der


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[0065] Die leitenden Grundzüge in der Politik des VnntUsx ^laximug übrigen Konfessionen bei ihren» Rechte zu schützen. Wenn es aber dieser Schutz verlangt, die Kirche der Hierarchie nicht so stark werden zu lassen, daß sie die Angehörigen des Staates, worunter sich selbst die der eignen Kirche befinden können und in der That oft genug befinden, mit der harten Fessel des Dogmas knebelt, so muß der Staat darauf bedacht sein, nicht an Forinbegriffen, wie dem der Parität, zu Grunde zu gehen, währeud er die wahre Gerechtigkeit, auf der sich der moderne, zumal der preußische Staat auferbaut hat, verleugnet. Dieser Schutz gegen eine Macht, die alle Geister knebelt, sobald sie Freiheit hat, ist für den modernen Staat ganz unerläßlich. Und da in dieser Welt das Geld Macht ist, so ist es, um einen demnächst der Entscheidung vorliegenden Fall zu erwähnen, notwendig, die Sperrgclder, die ja an den Staat verfallene Strafgelder sind, nicht denen auszuliefern, die mit Fug und Recht init der Strafe belegt wurden. Der Staat kann nicht den Ungehorsam auch noch zu guter letzt belohnen, will er sich nicht selbst aufgeben. Jedes Zurückweichen des Staates in der Sache der Sperrgelder bedeutet neue Stärkung der römischen Macht, und Stärkung der Macht heißt bei der Hierarchie jederzeit Steigerung der Ansprüche. Das zeigt der durch die Thorheit der Liberalen versumpfte Kulturkampf zur Genüge, dessen Beendigung uns anstatt des Friedens sofort den neuen Kampf um die Schule in Aussicht stellte, der jetzt auch bereits im Anzüge scheint und „gegen deu — wie Windthorst erklärte — aller bisherige Kampf nur ein Kinderspiel sein wird." Nach dem Ergebnis der letzten Wahlen, die weiter nichts als die elende deutsche Zerfahrenheit zu Tage gefordert haben, kann unsre Hoffnung gegenüber einer neuen Majorität Windthorst-Richter- Grillenberger in allen kirchenpolitischen Fragen nur darin bestehen, daß wir eine Negierung haben, die sich im Willen ebenso stark erweist, als sie maßvoll aber bestimmt in ihren Zielen ist. Zu diesen Zielen kann aber eine Stärkung der päpstlichen Macht nicht gehören, wie sie die siebzehn Millionen Sperrgelder mit sich bringen würden, U'eun man diese der katholischen Kirche zu freier Verfügung überließe. Und da ebenso wenig daran zu denken ist, daß eine Maßregel zur Beruhigung der katholischen Gemüter beitragen würde, die etwa eine Verteilung dieser Gelder an die katholische und die evangelische Kirche zugleich, je nach der Zahl ihrer ^gehörigem in Preußen, verfügte, überhaupt eine Ausstattung irgend einer Kirche mit festen Fonds vonseiten des Staates kaum ratsam ist, da eine solche »ur kirchlichen Abschließung und Verfestigung führt, so wäre wohl eine Ver¬ wendung der Art am Platze, daß die dem Staate verfallenen Strafgelder zu Eichen humanen Zwecken angelegt würden, die auf dem staatlich-gesellschaftlichen Gebiete zu verwirklichen sind. Da aber im Vordergrund aller öffentlichen Bestrebungen heutzutage die Verwirklichung der sozialpolitischen Gesetzgebung ^'de und der Staat mit aller Macht daran arbeiten muß, die Mittel dafür auf¬ zubringen, so kann es keine vernünftigere nud befriedigendere Verwendung der Grenzboten 11 1890 »

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/65>, abgerufen am 22.07.2024.