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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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nur allmählich in lohnender Fülle entstehen. Ihre Entstehung ober hängt ub
von dem Vorhandensein bedeutender Geldmittel für die gesamte administrative
Entwicklung der Kolonie, die ihrer Natur uach keinen unmittelbaren Gewinn
abwerfen kaun, und es ist kaum zu hoffen, daß diese allein schon dnrch Be¬
teiligung des inländischen Kapitals in so reichlicher Menge werden aufgebracht
werden, daß eine Verstärkung aus eignen Einnahmequellen der Kolonie, als
welche vorerst nur Zolleinkünfte in Betracht komme", entbehrt werden könnte.
Wir denken hierbei vornehmlich an unsre wichtigste Kolonie, um Ostafrika.

Noch eine andre Vorfrage müssen Nur stelle" und beantworten, nämlich
die: In welcher Rechtslage traten die beiden Mächte in die Verhandlung ein?
War sie gleich oder verschieden? Unsers Wissens konnte England nur die von
Stanley mit eingebornen Häuptlingen vereinbarten Schutzverträge vorweisen,
die sich auf die von seiner Marschlinie durchzogenen südlichen Umgebungslande
des Albert Nhanza beziehen. Dagegen besaß Deutschland besonders in frühern
Verträgen und Unternehmungen der Deutsch-Ostasrikauischen Gesellschaft wohl-
begründete Rechtsansprüche an weite Gebietsteile im Somalilande; auch konnte
es die hinlänglich verbürgte Thatsache zu einiger Geltung bringen, daß Dr.
Peters auf seiner letzten Expedition am Nordufer des Tana dnrch zahlreiche
Vertrüge den Anschluß nu das deutsche Schutzgebiet vorzubereiten gesucht hat,
während seine gleichartigen Bestrebungen und Erfolge in Uganda allerdings
nur in der Form eines noch unverbürgten Gerüchtes bekannt geworden sind.
Doch glauben wir kaum, daß man überhaupt Wert darauf gelegt hat, diese
beiderseitigen Besitzausprüche gegen einander abzuwägen. Man hat die alten
Grenzen einfach auf der Karte verändert und erweitert, ohne sich im mindesten
um die Meinung der Eingebornen zu kümmern. Im wesentlichen befinden sich
demnach beide Mächte in der gleichen Rechtslage, sodaß wir etwa eine
Halbteilung des fraglichen Gebietes erwarten konnten, wenn anders wir so
unbescheiden sein dürfen, uns mit unsern Vettern jenseits des Kanals auf die
gleiche Stufe zu stellen.

Was ist nun geschehen? Über die weniger wichtigen Grenzbestimmungen
im Togolande können wir rasch und befriedigt hinweggehen. Hier scheint der
Grundsatz der Gleichberechtigung auf deutscher Seite genügend zur Geltung
gebracht worden zu sein.

Ungünstiger liegt die Sache für uns schon hinsichtlich des südwestafri-
kanischeu Schutzgebietes. In frühern Verabredungen mit England war hier
die Ostgrenze nur bis zur Nordwestecke des Betschuaueulaudes gezogen worden,
wogegen der nördliche Teil unsers Schutzgebietes einer östlichen Begrenzung
entbehrte und somit eine noch weitere Ausdehnung ins Innere offen ließ. Jetzt
ist dieser Ausdehnung in dem 21. Längengrad eine feste Schranke gesetzt und
die bisher bestehende Möglichkeit einer Einbeziehung der Umgebnngslande des
Ngamisees endgiltig zu Englands Gunsten uns genommen. Der Schluß des


nur allmählich in lohnender Fülle entstehen. Ihre Entstehung ober hängt ub
von dem Vorhandensein bedeutender Geldmittel für die gesamte administrative
Entwicklung der Kolonie, die ihrer Natur uach keinen unmittelbaren Gewinn
abwerfen kaun, und es ist kaum zu hoffen, daß diese allein schon dnrch Be¬
teiligung des inländischen Kapitals in so reichlicher Menge werden aufgebracht
werden, daß eine Verstärkung aus eignen Einnahmequellen der Kolonie, als
welche vorerst nur Zolleinkünfte in Betracht komme», entbehrt werden könnte.
Wir denken hierbei vornehmlich an unsre wichtigste Kolonie, um Ostafrika.

Noch eine andre Vorfrage müssen Nur stelle» und beantworten, nämlich
die: In welcher Rechtslage traten die beiden Mächte in die Verhandlung ein?
War sie gleich oder verschieden? Unsers Wissens konnte England nur die von
Stanley mit eingebornen Häuptlingen vereinbarten Schutzverträge vorweisen,
die sich auf die von seiner Marschlinie durchzogenen südlichen Umgebungslande
des Albert Nhanza beziehen. Dagegen besaß Deutschland besonders in frühern
Verträgen und Unternehmungen der Deutsch-Ostasrikauischen Gesellschaft wohl-
begründete Rechtsansprüche an weite Gebietsteile im Somalilande; auch konnte
es die hinlänglich verbürgte Thatsache zu einiger Geltung bringen, daß Dr.
Peters auf seiner letzten Expedition am Nordufer des Tana dnrch zahlreiche
Vertrüge den Anschluß nu das deutsche Schutzgebiet vorzubereiten gesucht hat,
während seine gleichartigen Bestrebungen und Erfolge in Uganda allerdings
nur in der Form eines noch unverbürgten Gerüchtes bekannt geworden sind.
Doch glauben wir kaum, daß man überhaupt Wert darauf gelegt hat, diese
beiderseitigen Besitzausprüche gegen einander abzuwägen. Man hat die alten
Grenzen einfach auf der Karte verändert und erweitert, ohne sich im mindesten
um die Meinung der Eingebornen zu kümmern. Im wesentlichen befinden sich
demnach beide Mächte in der gleichen Rechtslage, sodaß wir etwa eine
Halbteilung des fraglichen Gebietes erwarten konnten, wenn anders wir so
unbescheiden sein dürfen, uns mit unsern Vettern jenseits des Kanals auf die
gleiche Stufe zu stellen.

Was ist nun geschehen? Über die weniger wichtigen Grenzbestimmungen
im Togolande können wir rasch und befriedigt hinweggehen. Hier scheint der
Grundsatz der Gleichberechtigung auf deutscher Seite genügend zur Geltung
gebracht worden zu sein.

Ungünstiger liegt die Sache für uns schon hinsichtlich des südwestafri-
kanischeu Schutzgebietes. In frühern Verabredungen mit England war hier
die Ostgrenze nur bis zur Nordwestecke des Betschuaueulaudes gezogen worden,
wogegen der nördliche Teil unsers Schutzgebietes einer östlichen Begrenzung
entbehrte und somit eine noch weitere Ausdehnung ins Innere offen ließ. Jetzt
ist dieser Ausdehnung in dem 21. Längengrad eine feste Schranke gesetzt und
die bisher bestehende Möglichkeit einer Einbeziehung der Umgebnngslande des
Ngamisees endgiltig zu Englands Gunsten uns genommen. Der Schluß des


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[0613] nur allmählich in lohnender Fülle entstehen. Ihre Entstehung ober hängt ub von dem Vorhandensein bedeutender Geldmittel für die gesamte administrative Entwicklung der Kolonie, die ihrer Natur uach keinen unmittelbaren Gewinn abwerfen kaun, und es ist kaum zu hoffen, daß diese allein schon dnrch Be¬ teiligung des inländischen Kapitals in so reichlicher Menge werden aufgebracht werden, daß eine Verstärkung aus eignen Einnahmequellen der Kolonie, als welche vorerst nur Zolleinkünfte in Betracht komme», entbehrt werden könnte. Wir denken hierbei vornehmlich an unsre wichtigste Kolonie, um Ostafrika. Noch eine andre Vorfrage müssen Nur stelle» und beantworten, nämlich die: In welcher Rechtslage traten die beiden Mächte in die Verhandlung ein? War sie gleich oder verschieden? Unsers Wissens konnte England nur die von Stanley mit eingebornen Häuptlingen vereinbarten Schutzverträge vorweisen, die sich auf die von seiner Marschlinie durchzogenen südlichen Umgebungslande des Albert Nhanza beziehen. Dagegen besaß Deutschland besonders in frühern Verträgen und Unternehmungen der Deutsch-Ostasrikauischen Gesellschaft wohl- begründete Rechtsansprüche an weite Gebietsteile im Somalilande; auch konnte es die hinlänglich verbürgte Thatsache zu einiger Geltung bringen, daß Dr. Peters auf seiner letzten Expedition am Nordufer des Tana dnrch zahlreiche Vertrüge den Anschluß nu das deutsche Schutzgebiet vorzubereiten gesucht hat, während seine gleichartigen Bestrebungen und Erfolge in Uganda allerdings nur in der Form eines noch unverbürgten Gerüchtes bekannt geworden sind. Doch glauben wir kaum, daß man überhaupt Wert darauf gelegt hat, diese beiderseitigen Besitzausprüche gegen einander abzuwägen. Man hat die alten Grenzen einfach auf der Karte verändert und erweitert, ohne sich im mindesten um die Meinung der Eingebornen zu kümmern. Im wesentlichen befinden sich demnach beide Mächte in der gleichen Rechtslage, sodaß wir etwa eine Halbteilung des fraglichen Gebietes erwarten konnten, wenn anders wir so unbescheiden sein dürfen, uns mit unsern Vettern jenseits des Kanals auf die gleiche Stufe zu stellen. Was ist nun geschehen? Über die weniger wichtigen Grenzbestimmungen im Togolande können wir rasch und befriedigt hinweggehen. Hier scheint der Grundsatz der Gleichberechtigung auf deutscher Seite genügend zur Geltung gebracht worden zu sein. Ungünstiger liegt die Sache für uns schon hinsichtlich des südwestafri- kanischeu Schutzgebietes. In frühern Verabredungen mit England war hier die Ostgrenze nur bis zur Nordwestecke des Betschuaueulaudes gezogen worden, wogegen der nördliche Teil unsers Schutzgebietes einer östlichen Begrenzung entbehrte und somit eine noch weitere Ausdehnung ins Innere offen ließ. Jetzt ist dieser Ausdehnung in dem 21. Längengrad eine feste Schranke gesetzt und die bisher bestehende Möglichkeit einer Einbeziehung der Umgebnngslande des Ngamisees endgiltig zu Englands Gunsten uns genommen. Der Schluß des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/613>, abgerufen am 04.07.2024.