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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Die antiken Sarkophage

nur die große Masse des Volkes, dem die Feuerbestattung zu kostspielig war,
auch einige der edelsten Geschlechter der Stadt hielten an der ursprünglichen
Sitte fest. Ausdrücklich wird es von Cicero für das reiche und altadliche
Geschlecht der Cornelier bezeugt, und wie eine glückliche Bestätigung dieser
Nachricht hat uns der Zufall als ältesten römischen Sarkophag gerade den
eines Corneliers erhalten: des L. Cornelius Scipio Barbatus, Konsul im
Jahre 298 v. Chr. Das ehrwürdige Denkmal, das den Besuchern des Vatikans
wohl bekannt sein dürfte, ist aus Peperin gearbeitet, in Altarform, nur mit
architektonischer Gliederung, ohne jeden Figureuschmuck. Auch der zweite im
Seipionengrab gefundene, aus Travertin gearbeitete Sarkophag der Unita
Cvruelin ist lediglich architektonisch gegliedert.

Marmorsarkvphage mit Neliefschmuck scheinen in Rom überhaupt erst in
der mittlern Kaiserzeit bekannt, nun aber auch schnell beliebt geworden zu sein.
Was eigentlich ihre Einführung in Rom veranlaßt hat, ist schwer zu sagen.
Das Eindringen orientalischer Gottesdienste und Gebräuche, durch die das
Beerdigen wieder bei den vornehmen Geschlechtern Sitte wurde, war wohl
ebenso einflußreich, wie der wachsende Luxus, der diese reich verzierten Stein¬
särge zu einem prachtvollen Schmuck der Grabkammer umgestaltete; nicht am
wenigsten aber wirkte auch hier die berückende Gewalt, die von jeder neuen
Mode ausgeht. Mit der Schnelligkeit einer Mode verbreitete sich seit der Zeit
der Antonine, also etwa seit der Mitte des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts,
die Sitte des Beerdigens in Marmvrsarkophagen. Zu Hunderten, ja zu tausenden
sind diese Denkmäler wiedergefunden worden. Man schützt die vollständig oder
in größern Stücken erhaltenen auf dreitausend; davon sind die Hälfte etwa in
Rom, die übrigen in den kleinern Städten Italiens und in den nordischen
Sammlungen.

Die Vorbilder der römischen Steinmetzen -- denn Steinmetzarbeiten sind
diese Marmorsärge, nur wenige sind Schöpfungen eines wirklichen Künstlers --
waren griechische und etrurische Sarkophage. Die Grundform des römischen
Sarkophags ist ebenfalls viereckig; wenige Beispiele zeigen eine mulden- oder
wannenförmige Gestalt. Während aber noch in Etrurien am architektonischen
Aufbau des Sarkophags festgehalten wurde, ist er in Rom zu einem bloßen
Prnnkstück der Grabkammer geworden. Die Gliederung des Unterbaues und
des Gesimses wird immer schwächlicher, die Dachform des Deckels schwindet,
die Marmorflächen werden mit Figureuschmuck überladen; zuweilen trägt auch
noch der Deckel ein schmäleres Reliefband. Auch sind am römischen Sarkophag
die vier Seiten nicht mehr gleichwertig, sondern da das Denkmal gegen die
Wand der Grabkammer gerückt ist, so wird für den Beschauer die eine Lang¬
seite zur Vorderseite, die beiden Schmalseiten werden zu Nebenseiten, und die
zweite Langseite war überhaupt uicht sichtbar; dem entspricht es, daß sich der
Fignrenschmnck häufig auf die Vorderseite beschränkt, oder die Verzierung der


Die antiken Sarkophage

nur die große Masse des Volkes, dem die Feuerbestattung zu kostspielig war,
auch einige der edelsten Geschlechter der Stadt hielten an der ursprünglichen
Sitte fest. Ausdrücklich wird es von Cicero für das reiche und altadliche
Geschlecht der Cornelier bezeugt, und wie eine glückliche Bestätigung dieser
Nachricht hat uns der Zufall als ältesten römischen Sarkophag gerade den
eines Corneliers erhalten: des L. Cornelius Scipio Barbatus, Konsul im
Jahre 298 v. Chr. Das ehrwürdige Denkmal, das den Besuchern des Vatikans
wohl bekannt sein dürfte, ist aus Peperin gearbeitet, in Altarform, nur mit
architektonischer Gliederung, ohne jeden Figureuschmuck. Auch der zweite im
Seipionengrab gefundene, aus Travertin gearbeitete Sarkophag der Unita
Cvruelin ist lediglich architektonisch gegliedert.

Marmorsarkvphage mit Neliefschmuck scheinen in Rom überhaupt erst in
der mittlern Kaiserzeit bekannt, nun aber auch schnell beliebt geworden zu sein.
Was eigentlich ihre Einführung in Rom veranlaßt hat, ist schwer zu sagen.
Das Eindringen orientalischer Gottesdienste und Gebräuche, durch die das
Beerdigen wieder bei den vornehmen Geschlechtern Sitte wurde, war wohl
ebenso einflußreich, wie der wachsende Luxus, der diese reich verzierten Stein¬
särge zu einem prachtvollen Schmuck der Grabkammer umgestaltete; nicht am
wenigsten aber wirkte auch hier die berückende Gewalt, die von jeder neuen
Mode ausgeht. Mit der Schnelligkeit einer Mode verbreitete sich seit der Zeit
der Antonine, also etwa seit der Mitte des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts,
die Sitte des Beerdigens in Marmvrsarkophagen. Zu Hunderten, ja zu tausenden
sind diese Denkmäler wiedergefunden worden. Man schützt die vollständig oder
in größern Stücken erhaltenen auf dreitausend; davon sind die Hälfte etwa in
Rom, die übrigen in den kleinern Städten Italiens und in den nordischen
Sammlungen.

Die Vorbilder der römischen Steinmetzen — denn Steinmetzarbeiten sind
diese Marmorsärge, nur wenige sind Schöpfungen eines wirklichen Künstlers —
waren griechische und etrurische Sarkophage. Die Grundform des römischen
Sarkophags ist ebenfalls viereckig; wenige Beispiele zeigen eine mulden- oder
wannenförmige Gestalt. Während aber noch in Etrurien am architektonischen
Aufbau des Sarkophags festgehalten wurde, ist er in Rom zu einem bloßen
Prnnkstück der Grabkammer geworden. Die Gliederung des Unterbaues und
des Gesimses wird immer schwächlicher, die Dachform des Deckels schwindet,
die Marmorflächen werden mit Figureuschmuck überladen; zuweilen trägt auch
noch der Deckel ein schmäleres Reliefband. Auch sind am römischen Sarkophag
die vier Seiten nicht mehr gleichwertig, sondern da das Denkmal gegen die
Wand der Grabkammer gerückt ist, so wird für den Beschauer die eine Lang¬
seite zur Vorderseite, die beiden Schmalseiten werden zu Nebenseiten, und die
zweite Langseite war überhaupt uicht sichtbar; dem entspricht es, daß sich der
Fignrenschmnck häufig auf die Vorderseite beschränkt, oder die Verzierung der


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[0568] Die antiken Sarkophage nur die große Masse des Volkes, dem die Feuerbestattung zu kostspielig war, auch einige der edelsten Geschlechter der Stadt hielten an der ursprünglichen Sitte fest. Ausdrücklich wird es von Cicero für das reiche und altadliche Geschlecht der Cornelier bezeugt, und wie eine glückliche Bestätigung dieser Nachricht hat uns der Zufall als ältesten römischen Sarkophag gerade den eines Corneliers erhalten: des L. Cornelius Scipio Barbatus, Konsul im Jahre 298 v. Chr. Das ehrwürdige Denkmal, das den Besuchern des Vatikans wohl bekannt sein dürfte, ist aus Peperin gearbeitet, in Altarform, nur mit architektonischer Gliederung, ohne jeden Figureuschmuck. Auch der zweite im Seipionengrab gefundene, aus Travertin gearbeitete Sarkophag der Unita Cvruelin ist lediglich architektonisch gegliedert. Marmorsarkvphage mit Neliefschmuck scheinen in Rom überhaupt erst in der mittlern Kaiserzeit bekannt, nun aber auch schnell beliebt geworden zu sein. Was eigentlich ihre Einführung in Rom veranlaßt hat, ist schwer zu sagen. Das Eindringen orientalischer Gottesdienste und Gebräuche, durch die das Beerdigen wieder bei den vornehmen Geschlechtern Sitte wurde, war wohl ebenso einflußreich, wie der wachsende Luxus, der diese reich verzierten Stein¬ särge zu einem prachtvollen Schmuck der Grabkammer umgestaltete; nicht am wenigsten aber wirkte auch hier die berückende Gewalt, die von jeder neuen Mode ausgeht. Mit der Schnelligkeit einer Mode verbreitete sich seit der Zeit der Antonine, also etwa seit der Mitte des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts, die Sitte des Beerdigens in Marmvrsarkophagen. Zu Hunderten, ja zu tausenden sind diese Denkmäler wiedergefunden worden. Man schützt die vollständig oder in größern Stücken erhaltenen auf dreitausend; davon sind die Hälfte etwa in Rom, die übrigen in den kleinern Städten Italiens und in den nordischen Sammlungen. Die Vorbilder der römischen Steinmetzen — denn Steinmetzarbeiten sind diese Marmorsärge, nur wenige sind Schöpfungen eines wirklichen Künstlers — waren griechische und etrurische Sarkophage. Die Grundform des römischen Sarkophags ist ebenfalls viereckig; wenige Beispiele zeigen eine mulden- oder wannenförmige Gestalt. Während aber noch in Etrurien am architektonischen Aufbau des Sarkophags festgehalten wurde, ist er in Rom zu einem bloßen Prnnkstück der Grabkammer geworden. Die Gliederung des Unterbaues und des Gesimses wird immer schwächlicher, die Dachform des Deckels schwindet, die Marmorflächen werden mit Figureuschmuck überladen; zuweilen trägt auch noch der Deckel ein schmäleres Reliefband. Auch sind am römischen Sarkophag die vier Seiten nicht mehr gleichwertig, sondern da das Denkmal gegen die Wand der Grabkammer gerückt ist, so wird für den Beschauer die eine Lang¬ seite zur Vorderseite, die beiden Schmalseiten werden zu Nebenseiten, und die zweite Langseite war überhaupt uicht sichtbar; dem entspricht es, daß sich der Fignrenschmnck häufig auf die Vorderseite beschränkt, oder die Verzierung der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/568>, abgerufen am 22.07.2024.