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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Die antiken Sarkophage

Stoffe, Holz oder Thon. Neste sehr schöner und kunstvoll verzierter Holzsärge
sind unter andern in den Gräbern der griechischen Pflanzstädte in Südruß-
land gefunden worden; ihre Gestalt kennen wir auch aus Darstellungen auf
Thongefäßen: es sind ziemlich hohe, viereckige Kisten oder Truhen, mit flachen
Deckel und untergesetzten Füßen und mit Verzierungen, die entweder aufgemalt
oder ins Holz eingelegt sind. Die Gestalt dieser Holzsärge ist also ganz ver¬
schieden von der, die wir an den Marmorsnrkophageu zu sehen gewöhnt sind.
Und dies gilt auch von deu ältesten Thvnsärgen, die zum Beispiel aus Athen
zahlreich bekannt sind: niedrige, aus einzelnen Ziegeln oder größer" Thon¬
platten zusammengefügte Behälter, im Durchschnitt entweder ein Dreieck oder
eine flache Mulde bildend, nur eben Raum genug bietend für die Leiche und
die ihr beigefügten Liebesgaben.

Die frühesten griechischen Särge, an denen wir die später allgemein übliche
Sarkophagform sehen, sind die bereits erwähnten klazvmcnischen Thonsarko¬
phage ans dem sechsten Jahrhundert. Der Fundort, die Stadt Klazomenä,
liegt uicht im eigentlichen Griechenland, sondern im kleinasiatischen Besiedluugs-
gcbiet; und Sarkophage von ganz ähnlicher Gestalt sind in Phönizien, ans
Chpern und in den etrurischen Tvtenstädten gefunden worden. Schon dies
deutet darauf hiu, daß diese Snrkvphagfvrm bei den Griechen nicht ursprüng¬
lich, sondern aus dem Auslande zu ihnen gekommen ist. Die äußere Form
dieser Thousärge ist deu Phöniziern entlehnt. Die Gestalt, die von nun an
bis zu den christlichen Sarkophagen herab mit geringen Umänderungen dieselbe
blieb, ist die des viereckige" Hauses mit einem Dach, das auf beiden Lang¬
seiten schräg abfällt, a" de" Schmalseiten durch einen Giebel abgeschlossen ist.
Der Sarg galt also auch den Griechen als Hans, als letzte Wohnung des Ab-
geschiednen. Und der Wunsch, diese zu schmücken, führte wie in Phönizien dazu,
die glatten Thonflächen zu bemalen, mit Vilderu von Reitern und gerüsteten
Kriegern, wie sie gleicherweise auf den Thongefäßen jener Zeit wiederkehren.
Im Waffenspiel und in der Nossezucht sah der vornehme Grieche seine Ehre
und Freude.

Marmorsarkvphage mit Reliefschmnck scheinen in Griechenland erst gegen
Ausgang des vierten vorchristlichen Jahrhunderts gearbeitet worden zu sein.
Der älteste und zugleich schönste ist wohl ein Sarkophag mit Amazoueu-
darstellungeu in Wien. Vorzügliche Beispiele sind ferner die vor einiger Zeit
in Phönizien (Sidon) gefundenen Sarkophage mit Darstellungen von Jagden
und Perserkämpfen. Sonderbarerweise wurde, als diese Funde gemacht wurden,
in den meisten Tagesblättern verkündet, man habe den Sarg Alexanders des
Großen wiedergefunden. Nur das bekannte Arbeiten mit der Schere kann die
Verbreitung einer so thörichten Nachricht erklären; wir wissen genau, wie und
wo der große.König beerdigt worden ist. Aber das ist ja richtig: diese Sarko¬
phage gehören noch der hellenistischen Zeit an und sind für uns besonders


Die antiken Sarkophage

Stoffe, Holz oder Thon. Neste sehr schöner und kunstvoll verzierter Holzsärge
sind unter andern in den Gräbern der griechischen Pflanzstädte in Südruß-
land gefunden worden; ihre Gestalt kennen wir auch aus Darstellungen auf
Thongefäßen: es sind ziemlich hohe, viereckige Kisten oder Truhen, mit flachen
Deckel und untergesetzten Füßen und mit Verzierungen, die entweder aufgemalt
oder ins Holz eingelegt sind. Die Gestalt dieser Holzsärge ist also ganz ver¬
schieden von der, die wir an den Marmorsnrkophageu zu sehen gewöhnt sind.
Und dies gilt auch von deu ältesten Thvnsärgen, die zum Beispiel aus Athen
zahlreich bekannt sind: niedrige, aus einzelnen Ziegeln oder größer» Thon¬
platten zusammengefügte Behälter, im Durchschnitt entweder ein Dreieck oder
eine flache Mulde bildend, nur eben Raum genug bietend für die Leiche und
die ihr beigefügten Liebesgaben.

Die frühesten griechischen Särge, an denen wir die später allgemein übliche
Sarkophagform sehen, sind die bereits erwähnten klazvmcnischen Thonsarko¬
phage ans dem sechsten Jahrhundert. Der Fundort, die Stadt Klazomenä,
liegt uicht im eigentlichen Griechenland, sondern im kleinasiatischen Besiedluugs-
gcbiet; und Sarkophage von ganz ähnlicher Gestalt sind in Phönizien, ans
Chpern und in den etrurischen Tvtenstädten gefunden worden. Schon dies
deutet darauf hiu, daß diese Snrkvphagfvrm bei den Griechen nicht ursprüng¬
lich, sondern aus dem Auslande zu ihnen gekommen ist. Die äußere Form
dieser Thousärge ist deu Phöniziern entlehnt. Die Gestalt, die von nun an
bis zu den christlichen Sarkophagen herab mit geringen Umänderungen dieselbe
blieb, ist die des viereckige» Hauses mit einem Dach, das auf beiden Lang¬
seiten schräg abfällt, a» de» Schmalseiten durch einen Giebel abgeschlossen ist.
Der Sarg galt also auch den Griechen als Hans, als letzte Wohnung des Ab-
geschiednen. Und der Wunsch, diese zu schmücken, führte wie in Phönizien dazu,
die glatten Thonflächen zu bemalen, mit Vilderu von Reitern und gerüsteten
Kriegern, wie sie gleicherweise auf den Thongefäßen jener Zeit wiederkehren.
Im Waffenspiel und in der Nossezucht sah der vornehme Grieche seine Ehre
und Freude.

Marmorsarkvphage mit Reliefschmnck scheinen in Griechenland erst gegen
Ausgang des vierten vorchristlichen Jahrhunderts gearbeitet worden zu sein.
Der älteste und zugleich schönste ist wohl ein Sarkophag mit Amazoueu-
darstellungeu in Wien. Vorzügliche Beispiele sind ferner die vor einiger Zeit
in Phönizien (Sidon) gefundenen Sarkophage mit Darstellungen von Jagden
und Perserkämpfen. Sonderbarerweise wurde, als diese Funde gemacht wurden,
in den meisten Tagesblättern verkündet, man habe den Sarg Alexanders des
Großen wiedergefunden. Nur das bekannte Arbeiten mit der Schere kann die
Verbreitung einer so thörichten Nachricht erklären; wir wissen genau, wie und
wo der große.König beerdigt worden ist. Aber das ist ja richtig: diese Sarko¬
phage gehören noch der hellenistischen Zeit an und sind für uns besonders


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[0566] Die antiken Sarkophage Stoffe, Holz oder Thon. Neste sehr schöner und kunstvoll verzierter Holzsärge sind unter andern in den Gräbern der griechischen Pflanzstädte in Südruß- land gefunden worden; ihre Gestalt kennen wir auch aus Darstellungen auf Thongefäßen: es sind ziemlich hohe, viereckige Kisten oder Truhen, mit flachen Deckel und untergesetzten Füßen und mit Verzierungen, die entweder aufgemalt oder ins Holz eingelegt sind. Die Gestalt dieser Holzsärge ist also ganz ver¬ schieden von der, die wir an den Marmorsnrkophageu zu sehen gewöhnt sind. Und dies gilt auch von deu ältesten Thvnsärgen, die zum Beispiel aus Athen zahlreich bekannt sind: niedrige, aus einzelnen Ziegeln oder größer» Thon¬ platten zusammengefügte Behälter, im Durchschnitt entweder ein Dreieck oder eine flache Mulde bildend, nur eben Raum genug bietend für die Leiche und die ihr beigefügten Liebesgaben. Die frühesten griechischen Särge, an denen wir die später allgemein übliche Sarkophagform sehen, sind die bereits erwähnten klazvmcnischen Thonsarko¬ phage ans dem sechsten Jahrhundert. Der Fundort, die Stadt Klazomenä, liegt uicht im eigentlichen Griechenland, sondern im kleinasiatischen Besiedluugs- gcbiet; und Sarkophage von ganz ähnlicher Gestalt sind in Phönizien, ans Chpern und in den etrurischen Tvtenstädten gefunden worden. Schon dies deutet darauf hiu, daß diese Snrkvphagfvrm bei den Griechen nicht ursprüng¬ lich, sondern aus dem Auslande zu ihnen gekommen ist. Die äußere Form dieser Thousärge ist deu Phöniziern entlehnt. Die Gestalt, die von nun an bis zu den christlichen Sarkophagen herab mit geringen Umänderungen dieselbe blieb, ist die des viereckige» Hauses mit einem Dach, das auf beiden Lang¬ seiten schräg abfällt, a» de» Schmalseiten durch einen Giebel abgeschlossen ist. Der Sarg galt also auch den Griechen als Hans, als letzte Wohnung des Ab- geschiednen. Und der Wunsch, diese zu schmücken, führte wie in Phönizien dazu, die glatten Thonflächen zu bemalen, mit Vilderu von Reitern und gerüsteten Kriegern, wie sie gleicherweise auf den Thongefäßen jener Zeit wiederkehren. Im Waffenspiel und in der Nossezucht sah der vornehme Grieche seine Ehre und Freude. Marmorsarkvphage mit Reliefschmnck scheinen in Griechenland erst gegen Ausgang des vierten vorchristlichen Jahrhunderts gearbeitet worden zu sein. Der älteste und zugleich schönste ist wohl ein Sarkophag mit Amazoueu- darstellungeu in Wien. Vorzügliche Beispiele sind ferner die vor einiger Zeit in Phönizien (Sidon) gefundenen Sarkophage mit Darstellungen von Jagden und Perserkämpfen. Sonderbarerweise wurde, als diese Funde gemacht wurden, in den meisten Tagesblättern verkündet, man habe den Sarg Alexanders des Großen wiedergefunden. Nur das bekannte Arbeiten mit der Schere kann die Verbreitung einer so thörichten Nachricht erklären; wir wissen genau, wie und wo der große.König beerdigt worden ist. Aber das ist ja richtig: diese Sarko¬ phage gehören noch der hellenistischen Zeit an und sind für uns besonders

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/566>, abgerufen am 01.10.2024.