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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

allen Streiks ihre Berechtigung abgesprochen werden, wohl aber denen, die init
Vertragsbruch ins Werk gesetzt werde", und das sind leider die meisten, weil die
Gesellen das, was ihren Forderungen an innerer Berechtigung mangelt, durch den
Druck der Geschäftslage zu ersetzen suchen, z. B. die Bmihandwerker beim Beginn
"er'Sommerbauzeit, die Schneider beim Beginn der neuen "Saison" u. s. w. Nur
d>e Gesellen oder Gewerbegehilfen werden mit Einhaltung der gesetzlichen Kündigungs-
l^lst die Arbeit niederlegen, die sich der vollen Gerechtigkeit ihrer Forderungen
bewußt siud und deshalb die Überzeugung haben dürfen, das; an ihrer Stelle
"wmaud anders die freigewordene Arbeit übernehmen wird, wenigstens niemand,
der den Meister oder Arbeitgeber befriedigen kann. Mag aber nun eine - Arbeits¬
einstellung berechtigt sei" oder nicht, jedenfalls besitzen die ausstehenden Gesellen
"lehr, als sie zum Lebensunterhalt brauchen, da sie ohne das ihre Stellung uicht
aufgeben und eiuer ungewissen Zukunft entgegengehen könnten; sie sind also jeden-
scills keine bedürftigen Wandrer; für solche allein aber ist die Wohlthatigkeitseiu-
^chtung der Berpflegungsstationeu geschaffen. Durch die Unterstützung seitens dieser
Stationen werden die Gesellen nun in die Lage gesetzt, ihren Lohnkampf länger zu
mhrcu, als wenn sie ans ihre eignen Kräfte angewiesen wären, und es ist wiederum
^e Frage berechtigt, ob es Zweck der Mildthätigkeit sei, in derartige" Lohnkämpfen
nirch Unterstützung eines Teils gewissermaßen Partei zu ergreife". Hin und wieder
Finnen daher die Berpflegungsstationeu den Gewerbegchilfen, deren Genossen am
'-->rde der Station oder an einem benachbarten Orte streiken, die Verpflegung zu
'erweigern. Im Juteresse der Stationen aber liegt es, daß sie von der unbewußter
vcer bewußten Teilnahme an den Lohnkämpfen befreit werden; wer praktisch mit
Maden Stationen befaßt ist, wird das sicher bestätigen. Eine Abhilfe in dieser
Züchtung wird sich Wohl auf dieselbe Weise schaffe" lasse", wie mau den Stations-
'uiumler bekämpfen Null: durch Einführung einer Legitimation und durch Be-
ichrnuknng des Rechtes auf Verpflegung auf eine gewisse Zeit überhaupt oder doch
Unndestens ans die Zeit, während deren die Unmöglichkeit, Arbeit zu erlangen,
urch Beibringung einer Bescheinigung, sei es der einzelnen Berpflegungsstatioueu,
le> es der Ortspvlizeibehörden, nachgewiesen werden kann. Mochten sich die Freunde
er Verpflegungsstationeu bemühen, eine angemessene Abhilfe zu erdenken.


Zur Schulreform.

In den "Mitteilungen des Vereins für Schulreform"
^ 5) bespricht Direktor Krumme in Braunschweig die "Änderungen im höhern
c>chulwesc" einiger außerdeutschen Staaten Europas währeud der letzten zwanzig
^U)re." verdient gewiß alles die sorgfältigste Beachtung, was in andern
unten auf diesem Gebiete geschieht; Nur dürfen nicht zu stolz sein, von den Ans-
'stern zu lernen. Aber es wäre doch Wohl übertriebene Bescheidenheit, wenn
^' uns den Ausspruch des Norwegers Ullmann sehr zu Herzen nehmen wollten:
" aL deutsche Schulwesen ist meiner Meinung nach nicht vorzüglich. Im Gegen-
' ^ wird zum große" Teil in einer geistlosen Richtung geleitet, sodaß ich
^ usche, eilte guten Mächte wollen uns davor bewahre" vom deutschem Schulwesen
N..^"fre Lande noch mehr einzuführen, als wir schon haben." Die gegenwärtige
^ NeZverfcissnng der Skandinavier, Franzosen, Schweizer und Ungarn, über deren
^^^eforiueu Krumme berichtet, ist nicht darnach angethan, uns mit besondern!
"n's^^ SU ihren Erziehungsgrundsätzen zu erfüllen. Es scheint diesen Völkern
heit ^^^"^ ^ uns an gewissen Eigenschaften zu fehlen, die zur geistigen Gesund-
^ .^hören, und die zu erhalten das Studium der altklassischeu Litteratur und
"M besouders geeignet ist. Was die Alten auszeichnet, das ist Heiterkeit des


Maßgebliches und Unmaßgebliches

allen Streiks ihre Berechtigung abgesprochen werden, wohl aber denen, die init
Vertragsbruch ins Werk gesetzt werde», und das sind leider die meisten, weil die
Gesellen das, was ihren Forderungen an innerer Berechtigung mangelt, durch den
Druck der Geschäftslage zu ersetzen suchen, z. B. die Bmihandwerker beim Beginn
»er'Sommerbauzeit, die Schneider beim Beginn der neuen „Saison" u. s. w. Nur
d>e Gesellen oder Gewerbegehilfen werden mit Einhaltung der gesetzlichen Kündigungs-
l^lst die Arbeit niederlegen, die sich der vollen Gerechtigkeit ihrer Forderungen
bewußt siud und deshalb die Überzeugung haben dürfen, das; an ihrer Stelle
"wmaud anders die freigewordene Arbeit übernehmen wird, wenigstens niemand,
der den Meister oder Arbeitgeber befriedigen kann. Mag aber nun eine - Arbeits¬
einstellung berechtigt sei« oder nicht, jedenfalls besitzen die ausstehenden Gesellen
»lehr, als sie zum Lebensunterhalt brauchen, da sie ohne das ihre Stellung uicht
aufgeben und eiuer ungewissen Zukunft entgegengehen könnten; sie sind also jeden-
scills keine bedürftigen Wandrer; für solche allein aber ist die Wohlthatigkeitseiu-
^chtung der Berpflegungsstationeu geschaffen. Durch die Unterstützung seitens dieser
Stationen werden die Gesellen nun in die Lage gesetzt, ihren Lohnkampf länger zu
mhrcu, als wenn sie ans ihre eignen Kräfte angewiesen wären, und es ist wiederum
^e Frage berechtigt, ob es Zweck der Mildthätigkeit sei, in derartige» Lohnkämpfen
nirch Unterstützung eines Teils gewissermaßen Partei zu ergreife». Hin und wieder
Finnen daher die Berpflegungsstationeu den Gewerbegchilfen, deren Genossen am
'-->rde der Station oder an einem benachbarten Orte streiken, die Verpflegung zu
'erweigern. Im Juteresse der Stationen aber liegt es, daß sie von der unbewußter
vcer bewußten Teilnahme an den Lohnkämpfen befreit werden; wer praktisch mit
Maden Stationen befaßt ist, wird das sicher bestätigen. Eine Abhilfe in dieser
Züchtung wird sich Wohl auf dieselbe Weise schaffe« lasse», wie mau den Stations-
'uiumler bekämpfen Null: durch Einführung einer Legitimation und durch Be-
ichrnuknng des Rechtes auf Verpflegung auf eine gewisse Zeit überhaupt oder doch
Unndestens ans die Zeit, während deren die Unmöglichkeit, Arbeit zu erlangen,
urch Beibringung einer Bescheinigung, sei es der einzelnen Berpflegungsstatioueu,
le> es der Ortspvlizeibehörden, nachgewiesen werden kann. Mochten sich die Freunde
er Verpflegungsstationeu bemühen, eine angemessene Abhilfe zu erdenken.


Zur Schulreform.

In den „Mitteilungen des Vereins für Schulreform"
^ 5) bespricht Direktor Krumme in Braunschweig die „Änderungen im höhern
c>chulwesc» einiger außerdeutschen Staaten Europas währeud der letzten zwanzig
^U)re." verdient gewiß alles die sorgfältigste Beachtung, was in andern
unten auf diesem Gebiete geschieht; Nur dürfen nicht zu stolz sein, von den Ans-
'stern zu lernen. Aber es wäre doch Wohl übertriebene Bescheidenheit, wenn
^' uns den Ausspruch des Norwegers Ullmann sehr zu Herzen nehmen wollten:
" aL deutsche Schulwesen ist meiner Meinung nach nicht vorzüglich. Im Gegen-
' ^ wird zum große« Teil in einer geistlosen Richtung geleitet, sodaß ich
^ usche, eilte guten Mächte wollen uns davor bewahre» vom deutschem Schulwesen
N..^"fre Lande noch mehr einzuführen, als wir schon haben." Die gegenwärtige
^ NeZverfcissnng der Skandinavier, Franzosen, Schweizer und Ungarn, über deren
^^^eforiueu Krumme berichtet, ist nicht darnach angethan, uns mit besondern!
»n's^^ SU ihren Erziehungsgrundsätzen zu erfüllen. Es scheint diesen Völkern
heit ^^^"^ ^ uns an gewissen Eigenschaften zu fehlen, die zur geistigen Gesund-
^ .^hören, und die zu erhalten das Studium der altklassischeu Litteratur und
"M besouders geeignet ist. Was die Alten auszeichnet, das ist Heiterkeit des


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[0333] Maßgebliches und Unmaßgebliches allen Streiks ihre Berechtigung abgesprochen werden, wohl aber denen, die init Vertragsbruch ins Werk gesetzt werde», und das sind leider die meisten, weil die Gesellen das, was ihren Forderungen an innerer Berechtigung mangelt, durch den Druck der Geschäftslage zu ersetzen suchen, z. B. die Bmihandwerker beim Beginn »er'Sommerbauzeit, die Schneider beim Beginn der neuen „Saison" u. s. w. Nur d>e Gesellen oder Gewerbegehilfen werden mit Einhaltung der gesetzlichen Kündigungs- l^lst die Arbeit niederlegen, die sich der vollen Gerechtigkeit ihrer Forderungen bewußt siud und deshalb die Überzeugung haben dürfen, das; an ihrer Stelle "wmaud anders die freigewordene Arbeit übernehmen wird, wenigstens niemand, der den Meister oder Arbeitgeber befriedigen kann. Mag aber nun eine - Arbeits¬ einstellung berechtigt sei« oder nicht, jedenfalls besitzen die ausstehenden Gesellen »lehr, als sie zum Lebensunterhalt brauchen, da sie ohne das ihre Stellung uicht aufgeben und eiuer ungewissen Zukunft entgegengehen könnten; sie sind also jeden- scills keine bedürftigen Wandrer; für solche allein aber ist die Wohlthatigkeitseiu- ^chtung der Berpflegungsstationeu geschaffen. Durch die Unterstützung seitens dieser Stationen werden die Gesellen nun in die Lage gesetzt, ihren Lohnkampf länger zu mhrcu, als wenn sie ans ihre eignen Kräfte angewiesen wären, und es ist wiederum ^e Frage berechtigt, ob es Zweck der Mildthätigkeit sei, in derartige» Lohnkämpfen nirch Unterstützung eines Teils gewissermaßen Partei zu ergreife». Hin und wieder Finnen daher die Berpflegungsstationeu den Gewerbegchilfen, deren Genossen am '-->rde der Station oder an einem benachbarten Orte streiken, die Verpflegung zu 'erweigern. Im Juteresse der Stationen aber liegt es, daß sie von der unbewußter vcer bewußten Teilnahme an den Lohnkämpfen befreit werden; wer praktisch mit Maden Stationen befaßt ist, wird das sicher bestätigen. Eine Abhilfe in dieser Züchtung wird sich Wohl auf dieselbe Weise schaffe« lasse», wie mau den Stations- 'uiumler bekämpfen Null: durch Einführung einer Legitimation und durch Be- ichrnuknng des Rechtes auf Verpflegung auf eine gewisse Zeit überhaupt oder doch Unndestens ans die Zeit, während deren die Unmöglichkeit, Arbeit zu erlangen, urch Beibringung einer Bescheinigung, sei es der einzelnen Berpflegungsstatioueu, le> es der Ortspvlizeibehörden, nachgewiesen werden kann. Mochten sich die Freunde er Verpflegungsstationeu bemühen, eine angemessene Abhilfe zu erdenken. Zur Schulreform. In den „Mitteilungen des Vereins für Schulreform" ^ 5) bespricht Direktor Krumme in Braunschweig die „Änderungen im höhern c>chulwesc» einiger außerdeutschen Staaten Europas währeud der letzten zwanzig ^U)re." verdient gewiß alles die sorgfältigste Beachtung, was in andern unten auf diesem Gebiete geschieht; Nur dürfen nicht zu stolz sein, von den Ans- 'stern zu lernen. Aber es wäre doch Wohl übertriebene Bescheidenheit, wenn ^' uns den Ausspruch des Norwegers Ullmann sehr zu Herzen nehmen wollten: " aL deutsche Schulwesen ist meiner Meinung nach nicht vorzüglich. Im Gegen- ' ^ wird zum große« Teil in einer geistlosen Richtung geleitet, sodaß ich ^ usche, eilte guten Mächte wollen uns davor bewahre» vom deutschem Schulwesen N..^"fre Lande noch mehr einzuführen, als wir schon haben." Die gegenwärtige ^ NeZverfcissnng der Skandinavier, Franzosen, Schweizer und Ungarn, über deren ^^^eforiueu Krumme berichtet, ist nicht darnach angethan, uns mit besondern! »n's^^ SU ihren Erziehungsgrundsätzen zu erfüllen. Es scheint diesen Völkern heit ^^^"^ ^ uns an gewissen Eigenschaften zu fehlen, die zur geistigen Gesund- ^ .^hören, und die zu erhalten das Studium der altklassischeu Litteratur und "M besouders geeignet ist. Was die Alten auszeichnet, das ist Heiterkeit des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/333>, abgerufen am 27.12.2024.