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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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hergestellt, der freilich das Geld, nicht aber den Sohn zu Gnaden angenommen
hat. Die Kreise seiner Familie und seiner ehemaligen Standesgenossen bleiben
ihm verschlossen; aber er verlangt auch nicht nach ihnen, er kann ihre Gesellschaft
und ihren Gruß entbehren. Überall bewegt er sich mit der Sicherheit eines
weitgereisten, auf fester Grundlage stehenden Weidmanns, beherrscht alle Ver¬
hältnisse und imponirt allen Personen, mit denen er in Berührung kommt.
Die eiteln Lassen, die dem ehemaligen, mit Schmach entlassenen Kameraden
gegenüber ihren Offiziersstandpunkt vertreten wollen, fertigt er mit weltgewandter
Überlegenheit ab und bietet einem jungen Freunde, den er seit seiner in Indien
vor Jahren angeknüpften Bekanntschaft stets mit Rat und That in ausgiebigster
Weise unterstützt und nun mich Europa begleitet hat, in dem kritischen Augen¬
blick, wo dieser durch die peinlichsten Familienzustände und das heikle Ver¬
hältnis, in das sie ihn zu seinem Prinzipal gebracht haben, an den Rand
der Verzweiflung gedrängt wird, die Möglichkeit, alle-Fesseln von sich zu
schleudern und als Sieger aus dem Konflikt hervorzugehen, in den ihn sein
Ehrgefühl mit seiner Familie und seinem Brodherrn verwickelt hatte.

Dieser ganze Konflikt nun, der, mit ergreifender Wahrheit geschildert, im
Vordergrunde der Begebenheiten steht, beleuchtet mit grellem Licht die eigen¬
tümlichen Auffassungen, die die einzelnen Personen je nach ihrem Stande von
der Ehre haben, und bietet dein Grafen die mannichfachfte Gelegenheit, die
Wertlosigkeit jener Auffassungen aufzudecken, seine eignen zu begründen und zu
bethätigen. So steht dieser Trust von Saarberg im Mittelpunkte des Schau¬
spiels, die Fäden der Handlung in fester Hand haltend, ein praktischer Philo¬
soph, der allen abstrakten Theorien seind, jede, selbst die leiseste Regung von
Schwärmerei mit kühler Vornehmheit ablehnend, nur die Schule des bewegten
Lebens anerkennen und vertreten will. Und in der That geben uns seine Aus¬
sprüche viel zu denken; sie erhalten durch die geschickte Verbindung, in die sie
mit den Einzelheiten der fesselnden Handlung gebracht sind, zum Teil eine
unwiderstehliche Überzeugungskraft. Gewiß sollen wir den Mut finden, aus
Kreisen, die unsern sittlichen Anforderungen nicht genügen und ihnen unzu¬
gänglich bleiben, auszuscheiden, selbst wenn sie uns die liebsten waren; es ist
eine Amputation, die weh thut, die aber unser eignes sittliches Gesamtbefinden ^
notwendig macht. Man kann der Abfertigung nur beistimmen, die Graf Trask
jenen Gecken zu teil werden läßt, die in flacher Unbedeutendheit ihr Leben ver¬
zetteln und sich für die Creme der Gesellschaft halten; ihr Ehrbegriff erscheint
uns ebenso leer wie der des geldstolzen Kommerzienrates, der dem Vorteil und
dem Ansetzn seines Hauses alle andern Rücksichten unterordnet, und für den
der pflichtgetreue Kommis aus dem Hinterhause nur eine Ware ist, die ihren
Kaufpreis hat. Und sicherlich ist es altmodisch, die Ehre einer sittlich Ver¬
lornen Schwester durch einen Kugelwechsel mit einem ihrer Liebhaber wieder
herstellen zu wollen, oder vielmehr -- es ist nie Mode gewesen.


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hergestellt, der freilich das Geld, nicht aber den Sohn zu Gnaden angenommen
hat. Die Kreise seiner Familie und seiner ehemaligen Standesgenossen bleiben
ihm verschlossen; aber er verlangt auch nicht nach ihnen, er kann ihre Gesellschaft
und ihren Gruß entbehren. Überall bewegt er sich mit der Sicherheit eines
weitgereisten, auf fester Grundlage stehenden Weidmanns, beherrscht alle Ver¬
hältnisse und imponirt allen Personen, mit denen er in Berührung kommt.
Die eiteln Lassen, die dem ehemaligen, mit Schmach entlassenen Kameraden
gegenüber ihren Offiziersstandpunkt vertreten wollen, fertigt er mit weltgewandter
Überlegenheit ab und bietet einem jungen Freunde, den er seit seiner in Indien
vor Jahren angeknüpften Bekanntschaft stets mit Rat und That in ausgiebigster
Weise unterstützt und nun mich Europa begleitet hat, in dem kritischen Augen¬
blick, wo dieser durch die peinlichsten Familienzustände und das heikle Ver¬
hältnis, in das sie ihn zu seinem Prinzipal gebracht haben, an den Rand
der Verzweiflung gedrängt wird, die Möglichkeit, alle-Fesseln von sich zu
schleudern und als Sieger aus dem Konflikt hervorzugehen, in den ihn sein
Ehrgefühl mit seiner Familie und seinem Brodherrn verwickelt hatte.

Dieser ganze Konflikt nun, der, mit ergreifender Wahrheit geschildert, im
Vordergrunde der Begebenheiten steht, beleuchtet mit grellem Licht die eigen¬
tümlichen Auffassungen, die die einzelnen Personen je nach ihrem Stande von
der Ehre haben, und bietet dein Grafen die mannichfachfte Gelegenheit, die
Wertlosigkeit jener Auffassungen aufzudecken, seine eignen zu begründen und zu
bethätigen. So steht dieser Trust von Saarberg im Mittelpunkte des Schau¬
spiels, die Fäden der Handlung in fester Hand haltend, ein praktischer Philo¬
soph, der allen abstrakten Theorien seind, jede, selbst die leiseste Regung von
Schwärmerei mit kühler Vornehmheit ablehnend, nur die Schule des bewegten
Lebens anerkennen und vertreten will. Und in der That geben uns seine Aus¬
sprüche viel zu denken; sie erhalten durch die geschickte Verbindung, in die sie
mit den Einzelheiten der fesselnden Handlung gebracht sind, zum Teil eine
unwiderstehliche Überzeugungskraft. Gewiß sollen wir den Mut finden, aus
Kreisen, die unsern sittlichen Anforderungen nicht genügen und ihnen unzu¬
gänglich bleiben, auszuscheiden, selbst wenn sie uns die liebsten waren; es ist
eine Amputation, die weh thut, die aber unser eignes sittliches Gesamtbefinden ^
notwendig macht. Man kann der Abfertigung nur beistimmen, die Graf Trask
jenen Gecken zu teil werden läßt, die in flacher Unbedeutendheit ihr Leben ver¬
zetteln und sich für die Creme der Gesellschaft halten; ihr Ehrbegriff erscheint
uns ebenso leer wie der des geldstolzen Kommerzienrates, der dem Vorteil und
dem Ansetzn seines Hauses alle andern Rücksichten unterordnet, und für den
der pflichtgetreue Kommis aus dem Hinterhause nur eine Ware ist, die ihren
Kaufpreis hat. Und sicherlich ist es altmodisch, die Ehre einer sittlich Ver¬
lornen Schwester durch einen Kugelwechsel mit einem ihrer Liebhaber wieder
herstellen zu wollen, oder vielmehr — es ist nie Mode gewesen.


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[0318] Sie Lhre hergestellt, der freilich das Geld, nicht aber den Sohn zu Gnaden angenommen hat. Die Kreise seiner Familie und seiner ehemaligen Standesgenossen bleiben ihm verschlossen; aber er verlangt auch nicht nach ihnen, er kann ihre Gesellschaft und ihren Gruß entbehren. Überall bewegt er sich mit der Sicherheit eines weitgereisten, auf fester Grundlage stehenden Weidmanns, beherrscht alle Ver¬ hältnisse und imponirt allen Personen, mit denen er in Berührung kommt. Die eiteln Lassen, die dem ehemaligen, mit Schmach entlassenen Kameraden gegenüber ihren Offiziersstandpunkt vertreten wollen, fertigt er mit weltgewandter Überlegenheit ab und bietet einem jungen Freunde, den er seit seiner in Indien vor Jahren angeknüpften Bekanntschaft stets mit Rat und That in ausgiebigster Weise unterstützt und nun mich Europa begleitet hat, in dem kritischen Augen¬ blick, wo dieser durch die peinlichsten Familienzustände und das heikle Ver¬ hältnis, in das sie ihn zu seinem Prinzipal gebracht haben, an den Rand der Verzweiflung gedrängt wird, die Möglichkeit, alle-Fesseln von sich zu schleudern und als Sieger aus dem Konflikt hervorzugehen, in den ihn sein Ehrgefühl mit seiner Familie und seinem Brodherrn verwickelt hatte. Dieser ganze Konflikt nun, der, mit ergreifender Wahrheit geschildert, im Vordergrunde der Begebenheiten steht, beleuchtet mit grellem Licht die eigen¬ tümlichen Auffassungen, die die einzelnen Personen je nach ihrem Stande von der Ehre haben, und bietet dein Grafen die mannichfachfte Gelegenheit, die Wertlosigkeit jener Auffassungen aufzudecken, seine eignen zu begründen und zu bethätigen. So steht dieser Trust von Saarberg im Mittelpunkte des Schau¬ spiels, die Fäden der Handlung in fester Hand haltend, ein praktischer Philo¬ soph, der allen abstrakten Theorien seind, jede, selbst die leiseste Regung von Schwärmerei mit kühler Vornehmheit ablehnend, nur die Schule des bewegten Lebens anerkennen und vertreten will. Und in der That geben uns seine Aus¬ sprüche viel zu denken; sie erhalten durch die geschickte Verbindung, in die sie mit den Einzelheiten der fesselnden Handlung gebracht sind, zum Teil eine unwiderstehliche Überzeugungskraft. Gewiß sollen wir den Mut finden, aus Kreisen, die unsern sittlichen Anforderungen nicht genügen und ihnen unzu¬ gänglich bleiben, auszuscheiden, selbst wenn sie uns die liebsten waren; es ist eine Amputation, die weh thut, die aber unser eignes sittliches Gesamtbefinden ^ notwendig macht. Man kann der Abfertigung nur beistimmen, die Graf Trask jenen Gecken zu teil werden läßt, die in flacher Unbedeutendheit ihr Leben ver¬ zetteln und sich für die Creme der Gesellschaft halten; ihr Ehrbegriff erscheint uns ebenso leer wie der des geldstolzen Kommerzienrates, der dem Vorteil und dem Ansetzn seines Hauses alle andern Rücksichten unterordnet, und für den der pflichtgetreue Kommis aus dem Hinterhause nur eine Ware ist, die ihren Kaufpreis hat. Und sicherlich ist es altmodisch, die Ehre einer sittlich Ver¬ lornen Schwester durch einen Kugelwechsel mit einem ihrer Liebhaber wieder herstellen zu wollen, oder vielmehr — es ist nie Mode gewesen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/318>, abgerufen am 28.12.2024.