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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Aus den Jugendjahren der Sozialdemokratie

wurden, weigerte er sich, ihnen nachzukommen. Der Minister der öffentlichen
Arbeiten niber, Trelat, enthob ihn hierauf seines Amtes und ließ ihn in einen
Postwagen setzen und nach Bordeaux schaffen. Die Kunde hiervon rief unter
Arbeiter" der Nationalwerkstätten große Aufregung hervor und sie ver¬
legten den Minister, als er ihnen Vorstellungen machte. Abends rotteten sie
>^es auf den Boulevards zusammen, sie wurden aber durch Polizei zersprengt
""d ihre "Klubs der Verzweiflung," die Paris seit Wochen schon geängstigt
hatten, auseinandergetrieben. Am 20. Juni verlangte Trslat von der National-
^rsmnmlung noch einmal einen Kredit von drei Millionen für die Werkstätten.
^ wurde zwar bewilligt, aber die Verhandlung darüber zeigte deutlich, daß
ne Volksvertretung nur auf eine Gelegenheit wartete, die Werkstätten zu
Wichen. Dazu kam, daß der "Moniteur" ankündigte, die Regierung werde
^"nächst dazu schreiten, die dienstfähigen Arbeiter der Anstalten dem Heere
Wizuverleibeu.

Die Regierung hatte sich aufs äußerste vorbereitet. Sie hatte die Be-
^dung von Paris auf 25 000 Manu Linientruppen gebracht und einen Teil
^ gegen Savohen aufgestellten Alpenheeres der Hauptstadt genähert, die
^vbilgnrde und die neue Polizei (die alte, Caussidivres Montagnards und
^Me republikanische Garde, war inzwischen aufgelöst worden) zählten zusammen
^geu 20000 Maun, und endlich war zuversichtlich auf eiuen beträchtlichen
^eil der Nationalgarde zu rechnen. General Cavaignac, aus Algerien berufen
^ zum Kriegsminister ernannt, hatte einen förmlichen Feldzugsplan zur Be-
'"pfttng des erwarteten Lvsbruchs entworfen. So glaubte man sich genügend
Rüstet, um die Mitglieder der Nationalwerkstätten, als um 22. Juni eine Ab-
^o"ung derselben im Palast Luxemburg erschien, um die Vollziehuugskommission
"ege" der Anzeige des "Moniteurs" zur Rede zu stellen, schroff abweisen zu
"^N- Marie ließ die Deputation vor, wechselte mit Pujol, deren Sprecher,
^' tige Worte und erklärte schließlich mit Bestimmtheit, wenn die Arbeiter nicht
' ^'N'dem, so würde die Regierung sie zu zwingen wissen. Das versetzte die
^ußen harrenden Massen in Wild. Abends fand auf dem Rathausplatze
große Volksversammlung statt, in der man beschloß, sich am folgenden
^ge" nieder bewaffnet einzufinden und dann mit der Regierung und National-
^sanunlung Abrechnung zu halten. In der Nacht organisirte sich der Auf-
Und^ Arbeitern der Nationalwerkstätten ihre Einteilung in Brigaden
dus ^"^"uuiuschaften und das militärisch geschulte Element zu gute kamen,
N ^""^ Auflösung der Montagnards und der republikanischen Garde in den
^uvnalwerkstätten Veschäftiguug gesucht und gefunden hatte. Am frühen
^rge" des 23. Juni strömten die Arbeiter bewaffnet nach dem Pantheons-
kiii/^' Pujol sie nach dem Bastillenplatze fiihrte, um sie hier nieder-
^^^^ und eine Anrede an die Geister der an dieser Stätte gefallenen
"llltivnskümpfer zu halten, die mit den Worten "Freiheit oder Tod" schloß


Aus den Jugendjahren der Sozialdemokratie

wurden, weigerte er sich, ihnen nachzukommen. Der Minister der öffentlichen
Arbeiten niber, Trelat, enthob ihn hierauf seines Amtes und ließ ihn in einen
Postwagen setzen und nach Bordeaux schaffen. Die Kunde hiervon rief unter
Arbeiter« der Nationalwerkstätten große Aufregung hervor und sie ver¬
legten den Minister, als er ihnen Vorstellungen machte. Abends rotteten sie
>^es auf den Boulevards zusammen, sie wurden aber durch Polizei zersprengt
""d ihre „Klubs der Verzweiflung," die Paris seit Wochen schon geängstigt
hatten, auseinandergetrieben. Am 20. Juni verlangte Trslat von der National-
^rsmnmlung noch einmal einen Kredit von drei Millionen für die Werkstätten.
^ wurde zwar bewilligt, aber die Verhandlung darüber zeigte deutlich, daß
ne Volksvertretung nur auf eine Gelegenheit wartete, die Werkstätten zu
Wichen. Dazu kam, daß der „Moniteur" ankündigte, die Regierung werde
^"nächst dazu schreiten, die dienstfähigen Arbeiter der Anstalten dem Heere
Wizuverleibeu.

Die Regierung hatte sich aufs äußerste vorbereitet. Sie hatte die Be-
^dung von Paris auf 25 000 Manu Linientruppen gebracht und einen Teil
^ gegen Savohen aufgestellten Alpenheeres der Hauptstadt genähert, die
^vbilgnrde und die neue Polizei (die alte, Caussidivres Montagnards und
^Me republikanische Garde, war inzwischen aufgelöst worden) zählten zusammen
^geu 20000 Maun, und endlich war zuversichtlich auf eiuen beträchtlichen
^eil der Nationalgarde zu rechnen. General Cavaignac, aus Algerien berufen
^ zum Kriegsminister ernannt, hatte einen förmlichen Feldzugsplan zur Be-
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Rüstet, um die Mitglieder der Nationalwerkstätten, als um 22. Juni eine Ab-
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"ege» der Anzeige des „Moniteurs" zur Rede zu stellen, schroff abweisen zu
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^' tige Worte und erklärte schließlich mit Bestimmtheit, wenn die Arbeiter nicht
' ^'N'dem, so würde die Regierung sie zu zwingen wissen. Das versetzte die
^ußen harrenden Massen in Wild. Abends fand auf dem Rathausplatze
große Volksversammlung statt, in der man beschloß, sich am folgenden
^ge„ nieder bewaffnet einzufinden und dann mit der Regierung und National-
^sanunlung Abrechnung zu halten. In der Nacht organisirte sich der Auf-
Und^ Arbeitern der Nationalwerkstätten ihre Einteilung in Brigaden
dus ^"^"uuiuschaften und das militärisch geschulte Element zu gute kamen,
N ^""^ Auflösung der Montagnards und der republikanischen Garde in den
^uvnalwerkstätten Veschäftiguug gesucht und gefunden hatte. Am frühen
^rge» des 23. Juni strömten die Arbeiter bewaffnet nach dem Pantheons-
kiii/^' Pujol sie nach dem Bastillenplatze fiihrte, um sie hier nieder-
^^^^ und eine Anrede an die Geister der an dieser Stätte gefallenen
"llltivnskümpfer zu halten, die mit den Worten „Freiheit oder Tod" schloß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/311>, abgerufen am 22.07.2024.