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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Lessings Amtsgeiwsse in we>lfe"l'redet

esu ohne gegebene Ursache des Abends in seiner Wohnung turbiren wollte!
!!ut ich als ein Fürstlicher Bedienter sollte mich ganz gelassen von Leuten
geringster Gattung, als Tagelöhnern und ihren Weibern, die sich auf Anstiftung
eines gegenseitigen Urwalds rin Gewalt in mein Haus eingedrungen haben,
nuf die Schimpflichste Art prostituieren und tnrbiren lassen nud länger schweigen
können, ohne ein Unglück vorauszusehen? Das wäre von mir selbst zu viel
Erlangt! Durchlauchtigster Herzog! Ich bitte nicht um eine Gnade! Schutz,
Hülfe und Gerechtigkeit ist es, worum ich unterthänigst anflehen muß, weil ich
^' vorhersehe, daß ich in dessen Verweigerung in die unglücklichste Noth¬
wendigkeit versetzet werde, mir selbsten Hülfe und Schutz mit der Pistole in
^er Hand zu verschaffen: gegen zwey baumstarke Kerls und zwey Weiber, die
Satan auf offenem Felde Hetzen, kann kein anderer Wortwechsel geführet
werden, sobald sie Miene machen, mich oder meine Sachen anzugreifen."

Es entspann sich nun ein hartnäckiger, mit äußerster Erbitterung geführter
Kampf zwischen dem Bibliotheksekretär nud dem Advokaten, wobei sich das
Sprichwort bewährte, daß zwei harte Mühlsteine schlecht mahlen. Beschwerden,
Prvmemorias, Eingaben und Berichte flogen hinüber und herüber. Cichin,
!chou von Natur schreib- und streitlustig, war unermüdlich in dem Bestreben,
^e ungebetenen, lästigen und unverschämten Gäste aus seiner Wohnung wieder
^6 zu werden, Dedekind ebenso entschlossen und hartnäckig, sie nicht eher
Zurückzuziehen, als bis die Forderungen seiner Klientin bis ans den Pfennig
berichtigt wären. In langen, fast täglichen Beschwerdeschriften über die Bvs-
seiner Feinde, das ihm widerfahrene Unrecht, die unerträgliche Lage, in
^ er sich infolge des rechtswidrigen gegen ihn eingeleiteten Verfahrens ver-
sehe, bestürmte Cichin den Herzog. Dem vom 2. November (1770), nachts
^Wei Ah^ datirten Schreiben folgte zwei Tage später ein zweites. Darin de-
er sich nochmals über die von dein Gegenanwalt "proprm, n.ut0riwt>o,
psuclouto unternommene unschickliche, außergerichtliche Einquartierung
Wendler Leute, die gestern sogar den Hausschlüssel zu sich genommen hätten,"
^>d fügt hinzu: "Wenn ich nun Gewalt mit Gewalt zu vertreiben dnrch noch
Mehrere bestellete Leute mich hätte überreden lassen, so würde es nach ge¬
zierter IZiUÄillv gewiß Verwundete und neue Klagen gegeben haben."
^ille^lich "ergehet an den Herzog sein nochmaliges unterthänigst weh-
^^^lgstes Bitten und Ansuchen, diese Sache schleunigst dnrch ein höheres
erlebt c>x Molo untersuchen und ihm den bey Zurückhaltung des Wechsels
^lich gelegten Arrest zu erlassen und die ihm von Rechte zukommende
ure-lion wegen niederträchtiger Behandlung gnädigst nngedeiheu zu lassen."
^, hofft dieses alles umso sicherer und schleuniger zu erlangen, als sich in-
'^''scheu ein Bürge gefunden hat, der für die Summe, die er Frau von Campe
Duldete, gut zu sagen sich bereit erklärt habe. Dieser Bürge war niemand
""ders als Lessing.


Lessings Amtsgeiwsse in we>lfe»l'redet

esu ohne gegebene Ursache des Abends in seiner Wohnung turbiren wollte!
!!ut ich als ein Fürstlicher Bedienter sollte mich ganz gelassen von Leuten
geringster Gattung, als Tagelöhnern und ihren Weibern, die sich auf Anstiftung
eines gegenseitigen Urwalds rin Gewalt in mein Haus eingedrungen haben,
nuf die Schimpflichste Art prostituieren und tnrbiren lassen nud länger schweigen
können, ohne ein Unglück vorauszusehen? Das wäre von mir selbst zu viel
Erlangt! Durchlauchtigster Herzog! Ich bitte nicht um eine Gnade! Schutz,
Hülfe und Gerechtigkeit ist es, worum ich unterthänigst anflehen muß, weil ich
^' vorhersehe, daß ich in dessen Verweigerung in die unglücklichste Noth¬
wendigkeit versetzet werde, mir selbsten Hülfe und Schutz mit der Pistole in
^er Hand zu verschaffen: gegen zwey baumstarke Kerls und zwey Weiber, die
Satan auf offenem Felde Hetzen, kann kein anderer Wortwechsel geführet
werden, sobald sie Miene machen, mich oder meine Sachen anzugreifen."

Es entspann sich nun ein hartnäckiger, mit äußerster Erbitterung geführter
Kampf zwischen dem Bibliotheksekretär nud dem Advokaten, wobei sich das
Sprichwort bewährte, daß zwei harte Mühlsteine schlecht mahlen. Beschwerden,
Prvmemorias, Eingaben und Berichte flogen hinüber und herüber. Cichin,
!chou von Natur schreib- und streitlustig, war unermüdlich in dem Bestreben,
^e ungebetenen, lästigen und unverschämten Gäste aus seiner Wohnung wieder
^6 zu werden, Dedekind ebenso entschlossen und hartnäckig, sie nicht eher
Zurückzuziehen, als bis die Forderungen seiner Klientin bis ans den Pfennig
berichtigt wären. In langen, fast täglichen Beschwerdeschriften über die Bvs-
seiner Feinde, das ihm widerfahrene Unrecht, die unerträgliche Lage, in
^ er sich infolge des rechtswidrigen gegen ihn eingeleiteten Verfahrens ver-
sehe, bestürmte Cichin den Herzog. Dem vom 2. November (1770), nachts
^Wei Ah^ datirten Schreiben folgte zwei Tage später ein zweites. Darin de-
er sich nochmals über die von dein Gegenanwalt „proprm, n.ut0riwt>o,
psuclouto unternommene unschickliche, außergerichtliche Einquartierung
Wendler Leute, die gestern sogar den Hausschlüssel zu sich genommen hätten,"
^>d fügt hinzu: „Wenn ich nun Gewalt mit Gewalt zu vertreiben dnrch noch
Mehrere bestellete Leute mich hätte überreden lassen, so würde es nach ge¬
zierter IZiUÄillv gewiß Verwundete und neue Klagen gegeben haben."
^ille^lich „ergehet an den Herzog sein nochmaliges unterthänigst weh-
^^^lgstes Bitten und Ansuchen, diese Sache schleunigst dnrch ein höheres
erlebt c>x Molo untersuchen und ihm den bey Zurückhaltung des Wechsels
^lich gelegten Arrest zu erlassen und die ihm von Rechte zukommende
ure-lion wegen niederträchtiger Behandlung gnädigst nngedeiheu zu lassen."
^, hofft dieses alles umso sicherer und schleuniger zu erlangen, als sich in-
'^''scheu ein Bürge gefunden hat, der für die Summe, die er Frau von Campe
Duldete, gut zu sagen sich bereit erklärt habe. Dieser Bürge war niemand
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/271>, abgerufen am 04.07.2024.