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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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hand.Drangsal und erneuerte dein preußischen Gesandten seine Anerbietungen
vertrauter Freundschaft. Als ihn der Erbprinz von Augustenburg in einem
demütigen Schreiben um seine Unterstützung anging, lehnte er die Bitte mit
dem Hinweis auf das Londoner Protokoll ab, bezeichnete aber die nationalen
Bestrebungen des deutschen Volkes als berechtigt. Zu derselben Zeit forderte
er, um sich an England zu rächen, die großen festländischen Höfe auf, ihre
leitenden Minister zu eiuer Verständigung über alle schwebenden Fragen zu¬
sammentreten zu lassen. Es war klar, daß es zu gemeinsamen: Handeln Frank¬
reichs und Englands nicht sobald kommeu würde, daß Napoleon zur Zeit der
preußischen Politik nicht in den Weg zu treten gedachte, und daß seine feind¬
selige Haltung gegen Österreich dieses auf die Pflege guter Beziehungen zu
Preußen und damit auf fortgesetzte Unterstützung der preußischen Politik gegen
Dänemark hinwies. Bismarck wollte zwar von der vertrauten Freundschaft
Napoleons nichts wissen, aber auch nicht dnrch kahle Ablehnung die günstige
Stimmung des Imperators verscherzen. Er antwortete, Preußen habe nichts
gegen die Ministerkonferenz, aber allerdings würden die andern Mächte dort
keine Verhandlung über die polnische, die rumänische und die venetianische
Frage gesenkten, es bleibe daher nur die dünische übrig, und zu deren Er¬
ledigung müsse England hinzugezogen werden. In Paris fand man zwar,
daß auf diese Weise die Konferenz viel von ihrem beabsichtigten Charakter ver¬
liere, freute sich aber doch über das Entgegenkommen Preußens, das stets
gemüht sei, Schwierigkeiten wegzuräumen, während andre lieber welche er¬
fanden. Aber auch von diesen andern empfing Preußen dann lebhaften Dank,
daß es den neuen Plau Napoleons durch Umarbeitung unschädlich gemacht
^abe, und einmütiger Beifall für den Vorschlag, die dänische Frage einer Kon¬
ferenz der Großmächte vorzulegen.

Diese waren jetzt im Begriffe, wie herkömmlich, dein neuen Könige von
Dünemark durch besondre Gesandte zu seiner Thronbesteigung Glück zu wünschen,
und Gvrtschatoff schlug vor, der dänischen Negierung bei dieser Gelegenheit
arlegen zu lassen, daß die deutschen Mächte das Londoner Protokoll nur unter
^er Bedingung der bekannten Verfassungszusagen unterzeichnet hätten, Däne¬
mark also durch deren Verletzung und die Einverleibung Schleswigs seinen
freunden jede Unterstützung bei einem hierüber ausgebrochenen Kriege un-
^'glich machen würde. Der russische Staatsmann wollte nicht, daß Däne¬
mark zerstückelt nud die Ostsee so "in ein deutsches oder schwedisches Binnen-
weer verwandelt werde," sah aber auch, daß die Damen deu deutschen Höfen
gerechten Grund zum Kriege gegeben hatten, und beantragte aus beiden Ruck-
> them gemeinsamen Druck auf die dänische Regierung. Napoleon nahm das
^)l auf, dagegen griffen Österreich und England freudig zu, nur hielt Russell
^' für zweckmäßig, daß zunächst nur die drei neutralen Mächte in der von
"rtschakoff angeregten Weise vorgingen; und jetzt zur Abwechselung wieder


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hand.Drangsal und erneuerte dein preußischen Gesandten seine Anerbietungen
vertrauter Freundschaft. Als ihn der Erbprinz von Augustenburg in einem
demütigen Schreiben um seine Unterstützung anging, lehnte er die Bitte mit
dem Hinweis auf das Londoner Protokoll ab, bezeichnete aber die nationalen
Bestrebungen des deutschen Volkes als berechtigt. Zu derselben Zeit forderte
er, um sich an England zu rächen, die großen festländischen Höfe auf, ihre
leitenden Minister zu eiuer Verständigung über alle schwebenden Fragen zu¬
sammentreten zu lassen. Es war klar, daß es zu gemeinsamen: Handeln Frank¬
reichs und Englands nicht sobald kommeu würde, daß Napoleon zur Zeit der
preußischen Politik nicht in den Weg zu treten gedachte, und daß seine feind¬
selige Haltung gegen Österreich dieses auf die Pflege guter Beziehungen zu
Preußen und damit auf fortgesetzte Unterstützung der preußischen Politik gegen
Dänemark hinwies. Bismarck wollte zwar von der vertrauten Freundschaft
Napoleons nichts wissen, aber auch nicht dnrch kahle Ablehnung die günstige
Stimmung des Imperators verscherzen. Er antwortete, Preußen habe nichts
gegen die Ministerkonferenz, aber allerdings würden die andern Mächte dort
keine Verhandlung über die polnische, die rumänische und die venetianische
Frage gesenkten, es bleibe daher nur die dünische übrig, und zu deren Er¬
ledigung müsse England hinzugezogen werden. In Paris fand man zwar,
daß auf diese Weise die Konferenz viel von ihrem beabsichtigten Charakter ver¬
liere, freute sich aber doch über das Entgegenkommen Preußens, das stets
gemüht sei, Schwierigkeiten wegzuräumen, während andre lieber welche er¬
fanden. Aber auch von diesen andern empfing Preußen dann lebhaften Dank,
daß es den neuen Plau Napoleons durch Umarbeitung unschädlich gemacht
^abe, und einmütiger Beifall für den Vorschlag, die dänische Frage einer Kon¬
ferenz der Großmächte vorzulegen.

Diese waren jetzt im Begriffe, wie herkömmlich, dein neuen Könige von
Dünemark durch besondre Gesandte zu seiner Thronbesteigung Glück zu wünschen,
und Gvrtschatoff schlug vor, der dänischen Negierung bei dieser Gelegenheit
arlegen zu lassen, daß die deutschen Mächte das Londoner Protokoll nur unter
^er Bedingung der bekannten Verfassungszusagen unterzeichnet hätten, Däne¬
mark also durch deren Verletzung und die Einverleibung Schleswigs seinen
freunden jede Unterstützung bei einem hierüber ausgebrochenen Kriege un-
^'glich machen würde. Der russische Staatsmann wollte nicht, daß Däne¬
mark zerstückelt nud die Ostsee so „in ein deutsches oder schwedisches Binnen-
weer verwandelt werde," sah aber auch, daß die Damen deu deutschen Höfen
gerechten Grund zum Kriege gegeben hatten, und beantragte aus beiden Ruck-
> them gemeinsamen Druck auf die dänische Regierung. Napoleon nahm das
^)l auf, dagegen griffen Österreich und England freudig zu, nur hielt Russell
^' für zweckmäßig, daß zunächst nur die drei neutralen Mächte in der von
"rtschakoff angeregten Weise vorgingen; und jetzt zur Abwechselung wieder


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/209>, abgerufen am 02.10.2024.