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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Bisnuirck und Schleswig-Holstein

et)ni gleichfalls unerfreulich; er hatte seit Jahren das deutsche Volk in den
Herzogtümern frei. die dort verpfändete deutsche Ehre eingelöst sehen wollen,
war aber, wenn das Londoner Protokoll sich beseitigen ließ, bereit, sich mit
dem Augusteuburger zu verständigen. Das war jedoch eine Sorge für die
Zukunft. Für jetzt war es deutlich, das; trotz Englands uneutschlvssenem Mi߬
vergnügen Preuße", jetzt im Einverständnisse mit Österreich und ohne Sorge
wegen Frankreichs und Rußlands, mit Anwendung von Gewalt gegen Dänemark
einzuschreiten beginnen konnte. Wiederholt schon hatte Dänemark die Erekution
als Kriegsfall bezeichnet, und kein Mensch, der die Kopenhagener Verhältnisse
kannte, hielt die Wiederaufhebung der neuen Verfassung für möglich. Wenn
Bismarck schon am 22. Dezember 18i>2 weitblickend gesagt hatte: "Die dänische
Frage kann nnr durch Krieg auf eine nus günstige Weise gelöst werden, und
der Anlaß zum Kriege läßt sich in jeden? Augenblicke finden, in dem unsre
Stellung zu den Großmächten günstig ist," so war dank seiner unisichtigen
Politik dieser Augenblick endlich gekommen.

Bald nachdem Österreich in die Beschleunigung der Exekution gewilligt
hatte, gab es auch seinen Widerspruch gegen Bismarcks wichtigen Satz auf,
daß die deutsche Verpflichtung durch das Londoner Protokoll mit der dänischen
Vertragstreue in der Verfnssungsfrage stehe und falle. Auch hier hatte das
Drange" der Mittelstaaten benutzt werden können, die eifrig Stimmen gegen
die Zulassung eines Bundestagsgesandter König Christians warben. Bismarck
'"achte in Wien darauf aufmerksam, daß man wenig Aussicht habe, einen der¬
artigen Beschluß zu verhindern, wenn man nicht einiges Entgegenkommen
^ige und die Anerkennung Christians wenigstens an die Bedingung knüpfe,
^iß vorher die dänische Vertragspflicht in Sachen der Verfassung erfüllt sei.
^iechberg erklärte sich damit einverstanden, und ebenso mit dem weitern Vor¬
schlage Bismarcks, den Bruch der dänischen Zusagen erst mit der praktischen
Einführung der neuen Verfassung als vollzogen anzunehmen. Das erschien
wild und versöhnlich, aber ein solcher Aufschub verpflichtete mittelbar zu um
^ kräftigerer Mitwirkung nach jenem Termin.

Die wahre Bedeutung des Vismarckscheu Vorschlages wurde damals
Ulrgcnds begriffen, auch in Wien nicht. Wer wie Österreich eine friedliche
^sung wünschte, hatte allen Grund, so schnell wie möglich in Kopenhagen
Rücknahme der Nvvemberverfassuug durch ein Ultimatum zu verlangen; denn
"Ur bis Dezember gab es einen Reichstag, der die Rücknahme ge¬
lblich beschließen konnte, vom 1. Januar an war sie nur durch den Reichstag
^ neuen Verfassung zu bewerkstelligen, dessen Zusammentreten die deutschen
suchte als Kriegsfall bezeichneten. Nur ein Staatsstreich konnte dann den
frieden erhalten, und wie Hütte König Christinn einen solchen Schritt wagen
wweu? Am 28. November verhandelte der Bundestag über die Zulassung
unes Gesandte" Christians, und die beide" Großmächte, die sich dafür erklärten,


Bisnuirck und Schleswig-Holstein

et)ni gleichfalls unerfreulich; er hatte seit Jahren das deutsche Volk in den
Herzogtümern frei. die dort verpfändete deutsche Ehre eingelöst sehen wollen,
war aber, wenn das Londoner Protokoll sich beseitigen ließ, bereit, sich mit
dem Augusteuburger zu verständigen. Das war jedoch eine Sorge für die
Zukunft. Für jetzt war es deutlich, das; trotz Englands uneutschlvssenem Mi߬
vergnügen Preuße», jetzt im Einverständnisse mit Österreich und ohne Sorge
wegen Frankreichs und Rußlands, mit Anwendung von Gewalt gegen Dänemark
einzuschreiten beginnen konnte. Wiederholt schon hatte Dänemark die Erekution
als Kriegsfall bezeichnet, und kein Mensch, der die Kopenhagener Verhältnisse
kannte, hielt die Wiederaufhebung der neuen Verfassung für möglich. Wenn
Bismarck schon am 22. Dezember 18i>2 weitblickend gesagt hatte: „Die dänische
Frage kann nnr durch Krieg auf eine nus günstige Weise gelöst werden, und
der Anlaß zum Kriege läßt sich in jeden? Augenblicke finden, in dem unsre
Stellung zu den Großmächten günstig ist," so war dank seiner unisichtigen
Politik dieser Augenblick endlich gekommen.

Bald nachdem Österreich in die Beschleunigung der Exekution gewilligt
hatte, gab es auch seinen Widerspruch gegen Bismarcks wichtigen Satz auf,
daß die deutsche Verpflichtung durch das Londoner Protokoll mit der dänischen
Vertragstreue in der Verfnssungsfrage stehe und falle. Auch hier hatte das
Drange» der Mittelstaaten benutzt werden können, die eifrig Stimmen gegen
die Zulassung eines Bundestagsgesandter König Christians warben. Bismarck
'»achte in Wien darauf aufmerksam, daß man wenig Aussicht habe, einen der¬
artigen Beschluß zu verhindern, wenn man nicht einiges Entgegenkommen
^ige und die Anerkennung Christians wenigstens an die Bedingung knüpfe,
^iß vorher die dänische Vertragspflicht in Sachen der Verfassung erfüllt sei.
^iechberg erklärte sich damit einverstanden, und ebenso mit dem weitern Vor¬
schlage Bismarcks, den Bruch der dänischen Zusagen erst mit der praktischen
Einführung der neuen Verfassung als vollzogen anzunehmen. Das erschien
wild und versöhnlich, aber ein solcher Aufschub verpflichtete mittelbar zu um
^ kräftigerer Mitwirkung nach jenem Termin.

Die wahre Bedeutung des Vismarckscheu Vorschlages wurde damals
Ulrgcnds begriffen, auch in Wien nicht. Wer wie Österreich eine friedliche
^sung wünschte, hatte allen Grund, so schnell wie möglich in Kopenhagen
Rücknahme der Nvvemberverfassuug durch ein Ultimatum zu verlangen; denn
"Ur bis Dezember gab es einen Reichstag, der die Rücknahme ge¬
lblich beschließen konnte, vom 1. Januar an war sie nur durch den Reichstag
^ neuen Verfassung zu bewerkstelligen, dessen Zusammentreten die deutschen
suchte als Kriegsfall bezeichneten. Nur ein Staatsstreich konnte dann den
frieden erhalten, und wie Hütte König Christinn einen solchen Schritt wagen
wweu? Am 28. November verhandelte der Bundestag über die Zulassung
unes Gesandte» Christians, und die beide» Großmächte, die sich dafür erklärten,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/207>, abgerufen am 23.07.2024.