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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Bismarck und Schleswig-Holstein

Regierung beantrage beim Bunde die Nichtzulassung des dänischen Gesandten und
die Besetzung Holsteins durch Bundestruppen bis zur Entscheidung der legi¬
timen Thronfolge durch den Bund. Am 25. sprach die erste Kammer ein¬
stimmig ihre Befriedigung darüber aus. Am 2V. erklärte sich die Kammer in
Darmstadt für das Recht der Herzogtümer, ebenfalls einstimmig, und der Mi¬
nister v. Dalwigk stimmte dem um 27. zu. In der württembergischen Kammer
äußerte sich der Minister v. Hügel ähnlich, mir etwas vorsichtiger. Daneben
ein gewaltiger Chorus von Vereinen und Versammlungen, Stadträten und
Stadtverordneten und sonstigen Körperschaften; der Ausschuß des National-
öereins sandte dem Herzog Friedrich seine Huldigung. Man sammelte Geld
für seine Regierung, man sprach von der Bildung von Freischaren für sie.
Die so lange angesammelte und verhaltene Masse nationalen Zornes machte
sich in brausendem Ausbruche Luft, die Fürsten hätten ihm nicht widerstehen
können, auch wenn sie anders gesinnt gewesen wären, und welcher fremde
Gegner konnte, so meinte das Voll, es wagen, dieser einmütiger Begeisterung
^iter großen Parteien sich in den Weg zu stelle"? Nur die kleinen Gruppen
der äußerste" Linken standen verdrossen abseits und spotteten über den Lärm,
und dein sich die deutsche Nation zu ihren dreißig Kleinfürsten durchaus uoch
^>nen einunddreißigsten anzuschaffen bemühte.

Dem Grafen Nechberg, der damals in Wien an der Spitze der politischen
Geschäfte stand, war diese gemeinsame Erhebung der deutschen Fürsten und
Völker zu Gunsten des Hauses Augusten bürg, dieses heftige Verlangen nach
Zerreißung des dänischen Gesamtstaates, diese schnöde Verwerfung der wohl¬
erwognen Grundsätze, nach denen Österreich bisher immer in den deutsch-
dänischen Streitigkeiten verfahren war, ein Greuel. Aber wie, wenn es deu
allgemeinen Wunsch zurückwies und sich Preußen dann an die Spitze der Be-
'vegnng stellte, dieses Preußen, das sich Rußlands vertrauter Freundschaft
^freute und von Frankreichs Schmeichelei umworben war, dessen leitenden
^mise^r der Graf Rechberg von Frankfurt her als gefährlichen Gegner kannte,
>u,d dessen König seit Jahren über den dänischen Unfug und die deutsche
^Uimseligkeit zürnte? Deutlich kam bei der plötzlich ausgebrochenen Krisis
iUles auf Preußens Verhalten an, und so drängte Rechberg fort und fort in
Merlin um Auskunft und Abrede über möglichst gleichmäßiges Vorgehen beider
Zutschen Großmächte.

Bismarck hatte es bisher niemals eilig mit einem Kriege gegen die Dänen
^'habt und uoch am 10. November den neuen König in Kopenhagen dnrch
le Mahnung, der Verfassung vom 1>'!. seine Billigung zu verweigern, that¬
sächlich anerkannt. Daß am l". das Gegenteil geschah, eröffnete der Frage
Bismarcks Augen eine neue Zukunft. Diese schreiende Rechtsverletzung er¬
möglichte ihm, an die vollständige Befreiung der Herzogtümer zu denken, nur
koar der Weg, der dahin führte, für ihn ein ganz andrer als der, den die


Bismarck und Schleswig-Holstein

Regierung beantrage beim Bunde die Nichtzulassung des dänischen Gesandten und
die Besetzung Holsteins durch Bundestruppen bis zur Entscheidung der legi¬
timen Thronfolge durch den Bund. Am 25. sprach die erste Kammer ein¬
stimmig ihre Befriedigung darüber aus. Am 2V. erklärte sich die Kammer in
Darmstadt für das Recht der Herzogtümer, ebenfalls einstimmig, und der Mi¬
nister v. Dalwigk stimmte dem um 27. zu. In der württembergischen Kammer
äußerte sich der Minister v. Hügel ähnlich, mir etwas vorsichtiger. Daneben
ein gewaltiger Chorus von Vereinen und Versammlungen, Stadträten und
Stadtverordneten und sonstigen Körperschaften; der Ausschuß des National-
öereins sandte dem Herzog Friedrich seine Huldigung. Man sammelte Geld
für seine Regierung, man sprach von der Bildung von Freischaren für sie.
Die so lange angesammelte und verhaltene Masse nationalen Zornes machte
sich in brausendem Ausbruche Luft, die Fürsten hätten ihm nicht widerstehen
können, auch wenn sie anders gesinnt gewesen wären, und welcher fremde
Gegner konnte, so meinte das Voll, es wagen, dieser einmütiger Begeisterung
^iter großen Parteien sich in den Weg zu stelle»? Nur die kleinen Gruppen
der äußerste» Linken standen verdrossen abseits und spotteten über den Lärm,
und dein sich die deutsche Nation zu ihren dreißig Kleinfürsten durchaus uoch
^>nen einunddreißigsten anzuschaffen bemühte.

Dem Grafen Nechberg, der damals in Wien an der Spitze der politischen
Geschäfte stand, war diese gemeinsame Erhebung der deutschen Fürsten und
Völker zu Gunsten des Hauses Augusten bürg, dieses heftige Verlangen nach
Zerreißung des dänischen Gesamtstaates, diese schnöde Verwerfung der wohl¬
erwognen Grundsätze, nach denen Österreich bisher immer in den deutsch-
dänischen Streitigkeiten verfahren war, ein Greuel. Aber wie, wenn es deu
allgemeinen Wunsch zurückwies und sich Preußen dann an die Spitze der Be-
'vegnng stellte, dieses Preußen, das sich Rußlands vertrauter Freundschaft
^freute und von Frankreichs Schmeichelei umworben war, dessen leitenden
^mise^r der Graf Rechberg von Frankfurt her als gefährlichen Gegner kannte,
>u,d dessen König seit Jahren über den dänischen Unfug und die deutsche
^Uimseligkeit zürnte? Deutlich kam bei der plötzlich ausgebrochenen Krisis
iUles auf Preußens Verhalten an, und so drängte Rechberg fort und fort in
Merlin um Auskunft und Abrede über möglichst gleichmäßiges Vorgehen beider
Zutschen Großmächte.

Bismarck hatte es bisher niemals eilig mit einem Kriege gegen die Dänen
^'habt und uoch am 10. November den neuen König in Kopenhagen dnrch
le Mahnung, der Verfassung vom 1>'!. seine Billigung zu verweigern, that¬
sächlich anerkannt. Daß am l«. das Gegenteil geschah, eröffnete der Frage
Bismarcks Augen eine neue Zukunft. Diese schreiende Rechtsverletzung er¬
möglichte ihm, an die vollständige Befreiung der Herzogtümer zu denken, nur
koar der Weg, der dahin führte, für ihn ein ganz andrer als der, den die


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[0203] Bismarck und Schleswig-Holstein Regierung beantrage beim Bunde die Nichtzulassung des dänischen Gesandten und die Besetzung Holsteins durch Bundestruppen bis zur Entscheidung der legi¬ timen Thronfolge durch den Bund. Am 25. sprach die erste Kammer ein¬ stimmig ihre Befriedigung darüber aus. Am 2V. erklärte sich die Kammer in Darmstadt für das Recht der Herzogtümer, ebenfalls einstimmig, und der Mi¬ nister v. Dalwigk stimmte dem um 27. zu. In der württembergischen Kammer äußerte sich der Minister v. Hügel ähnlich, mir etwas vorsichtiger. Daneben ein gewaltiger Chorus von Vereinen und Versammlungen, Stadträten und Stadtverordneten und sonstigen Körperschaften; der Ausschuß des National- öereins sandte dem Herzog Friedrich seine Huldigung. Man sammelte Geld für seine Regierung, man sprach von der Bildung von Freischaren für sie. Die so lange angesammelte und verhaltene Masse nationalen Zornes machte sich in brausendem Ausbruche Luft, die Fürsten hätten ihm nicht widerstehen können, auch wenn sie anders gesinnt gewesen wären, und welcher fremde Gegner konnte, so meinte das Voll, es wagen, dieser einmütiger Begeisterung ^iter großen Parteien sich in den Weg zu stelle»? Nur die kleinen Gruppen der äußerste» Linken standen verdrossen abseits und spotteten über den Lärm, und dein sich die deutsche Nation zu ihren dreißig Kleinfürsten durchaus uoch ^>nen einunddreißigsten anzuschaffen bemühte. Dem Grafen Nechberg, der damals in Wien an der Spitze der politischen Geschäfte stand, war diese gemeinsame Erhebung der deutschen Fürsten und Völker zu Gunsten des Hauses Augusten bürg, dieses heftige Verlangen nach Zerreißung des dänischen Gesamtstaates, diese schnöde Verwerfung der wohl¬ erwognen Grundsätze, nach denen Österreich bisher immer in den deutsch- dänischen Streitigkeiten verfahren war, ein Greuel. Aber wie, wenn es deu allgemeinen Wunsch zurückwies und sich Preußen dann an die Spitze der Be- 'vegnng stellte, dieses Preußen, das sich Rußlands vertrauter Freundschaft ^freute und von Frankreichs Schmeichelei umworben war, dessen leitenden ^mise^r der Graf Rechberg von Frankfurt her als gefährlichen Gegner kannte, >u,d dessen König seit Jahren über den dänischen Unfug und die deutsche ^Uimseligkeit zürnte? Deutlich kam bei der plötzlich ausgebrochenen Krisis iUles auf Preußens Verhalten an, und so drängte Rechberg fort und fort in Merlin um Auskunft und Abrede über möglichst gleichmäßiges Vorgehen beider Zutschen Großmächte. Bismarck hatte es bisher niemals eilig mit einem Kriege gegen die Dänen ^'habt und uoch am 10. November den neuen König in Kopenhagen dnrch le Mahnung, der Verfassung vom 1>'!. seine Billigung zu verweigern, that¬ sächlich anerkannt. Daß am l«. das Gegenteil geschah, eröffnete der Frage Bismarcks Augen eine neue Zukunft. Diese schreiende Rechtsverletzung er¬ möglichte ihm, an die vollständige Befreiung der Herzogtümer zu denken, nur koar der Weg, der dahin führte, für ihn ein ganz andrer als der, den die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/203>, abgerufen am 22.07.2024.