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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Arbeitsämter

Interessen der Arbeiterklasse vereinigt. Unter den Organen desselben, näm¬
lich Abgeordnetenversammlung, Bnndesvorstand, leitendem Ausschuß, erscheint
auch der mit der Herstellung der Arbeitsstatistik sich befassende Arbeiter¬
sekretär. Diesen wählt der Bundesvorstand, wobei der Abgevrdneten-
verscunmlung das Vorschlagsrecht zusteht. Seine amtlichen Befugnisse und
Pflichten sind, "sich mit Erhebungen über schweizerische Arbeiterverhältnisse und
mit sozialen Studien zu beschäftigen, sowie bezügliche Arbeiten und Gutachten
anzufertigen." Er hat das Recht, zur Erlangung von Austüufteu sich an
Behörden, Verbände, Vereine und Private zu wenden. Ihm zur Seite stehen
ein Adjunkt und ein Gehilfe. Außer diesen werden gelegentlich andre Mit¬
arbeiter, wie Techniker, Ärzte u. s. w. zur Thätigkeit herangezogen, die ihre
Dienste freiwillig und unentgeltlich darbieten. Zur Zeit bekleidet deu Posten
eines Sekretärs der frühere Züricher Kantonsstatistiker Hermann Greulich.

Das schweizerische Arbeitersekretnriat erscheint mithin als eine eigenartige
Einrichtung. Man hat in ihm eine Anstalt, die von den Arbeitern er¬
richtet und besetzt, anch von ihnen abhängig ist, jedoch gleichzeitig von der
Regierung mit Mitteln ausgestattet wird und deren etwaigen Aufträgen Folge
zu leisten hat. Es bietet den Vorteil, daß die Arbeiter selbst herangezogen
werden, und eine Vertrauensstelle geschaffen ist, der sie ihre Angaben an¬
dertrauen können, ohne Mißbrauch befürchten zu müssen. Vielleicht könnten
auf diese Weise Berichte angefertigt werden, die amtliche Regiernngsvrganc
nicht herzustellen vermöchten, und die gleichwohl für die sozialpolitische Gesetz¬
gebung von Bedeutung find. Seine Unvollkonunenheit zeigt das Sekretariat
anderseits darin, daß es ans die freiwillige Dienstleistung angewiesen ist, die
bei wichtige" sozialen Unternehmungen, bei denen .Klassengegensätze zum Vor¬
schein kommen, im Stiche lassen kann. Der Sekretär kann ferner, da er von
"er Arbeiterschaft abhängig ist, das Vertrauen von Unternehmern oder Be¬
hörden leicht verscherzen. Endlich ist die finanzielle Grundlage ungenügend.
Die Regierung hat einen Zuschuß vou 10000 Franken bewilligt, mit dem
>nan leider nicht weit reicht. Auch die neuerdings dem Arbeitcrbuude zuge¬
mutete Leistung von 10000 Franken jährlich, die in Anbetracht der 100 000
Mitglieder, die der Bund umfaßt, nicht einmal als drückend angesehen werden
^Um, wird auf die Dauer den von einem Arbeitsamt zu verfolgenden Zwecken
nicht genügen.

Wieder anders ist man in England vorgegangen. Seit dem Jahre 187"),
wo der Sekretär des von dem Parlamente zur Untersuchung der ^raäe-Uoion^
Angesetzten Komitees die Notwendigkeit eines arbeitsstatistischen Amtes nach
Muster der amerikanischen dargelegt hatte, wurde die Frage nicht wieder
b"n der Tagesordnung abgesetzt. Besonders interessirte sich der durch seine
^lkswirtschaftlichen Schriften bekannt gewordene frühere Eisenbahnunternehmer,
^ir Thomas Brassey dafür und betonte im Jahre 1885 in einem Meeting


Arbeitsämter

Interessen der Arbeiterklasse vereinigt. Unter den Organen desselben, näm¬
lich Abgeordnetenversammlung, Bnndesvorstand, leitendem Ausschuß, erscheint
auch der mit der Herstellung der Arbeitsstatistik sich befassende Arbeiter¬
sekretär. Diesen wählt der Bundesvorstand, wobei der Abgevrdneten-
verscunmlung das Vorschlagsrecht zusteht. Seine amtlichen Befugnisse und
Pflichten sind, „sich mit Erhebungen über schweizerische Arbeiterverhältnisse und
mit sozialen Studien zu beschäftigen, sowie bezügliche Arbeiten und Gutachten
anzufertigen." Er hat das Recht, zur Erlangung von Austüufteu sich an
Behörden, Verbände, Vereine und Private zu wenden. Ihm zur Seite stehen
ein Adjunkt und ein Gehilfe. Außer diesen werden gelegentlich andre Mit¬
arbeiter, wie Techniker, Ärzte u. s. w. zur Thätigkeit herangezogen, die ihre
Dienste freiwillig und unentgeltlich darbieten. Zur Zeit bekleidet deu Posten
eines Sekretärs der frühere Züricher Kantonsstatistiker Hermann Greulich.

Das schweizerische Arbeitersekretnriat erscheint mithin als eine eigenartige
Einrichtung. Man hat in ihm eine Anstalt, die von den Arbeitern er¬
richtet und besetzt, anch von ihnen abhängig ist, jedoch gleichzeitig von der
Regierung mit Mitteln ausgestattet wird und deren etwaigen Aufträgen Folge
zu leisten hat. Es bietet den Vorteil, daß die Arbeiter selbst herangezogen
werden, und eine Vertrauensstelle geschaffen ist, der sie ihre Angaben an¬
dertrauen können, ohne Mißbrauch befürchten zu müssen. Vielleicht könnten
auf diese Weise Berichte angefertigt werden, die amtliche Regiernngsvrganc
nicht herzustellen vermöchten, und die gleichwohl für die sozialpolitische Gesetz¬
gebung von Bedeutung find. Seine Unvollkonunenheit zeigt das Sekretariat
anderseits darin, daß es ans die freiwillige Dienstleistung angewiesen ist, die
bei wichtige» sozialen Unternehmungen, bei denen .Klassengegensätze zum Vor¬
schein kommen, im Stiche lassen kann. Der Sekretär kann ferner, da er von
»er Arbeiterschaft abhängig ist, das Vertrauen von Unternehmern oder Be¬
hörden leicht verscherzen. Endlich ist die finanzielle Grundlage ungenügend.
Die Regierung hat einen Zuschuß vou 10000 Franken bewilligt, mit dem
>nan leider nicht weit reicht. Auch die neuerdings dem Arbeitcrbuude zuge¬
mutete Leistung von 10000 Franken jährlich, die in Anbetracht der 100 000
Mitglieder, die der Bund umfaßt, nicht einmal als drückend angesehen werden
^Um, wird auf die Dauer den von einem Arbeitsamt zu verfolgenden Zwecken
nicht genügen.

Wieder anders ist man in England vorgegangen. Seit dem Jahre 187«),
wo der Sekretär des von dem Parlamente zur Untersuchung der ^raäe-Uoion^
Angesetzten Komitees die Notwendigkeit eines arbeitsstatistischen Amtes nach
Muster der amerikanischen dargelegt hatte, wurde die Frage nicht wieder
b"n der Tagesordnung abgesetzt. Besonders interessirte sich der durch seine
^lkswirtschaftlichen Schriften bekannt gewordene frühere Eisenbahnunternehmer,
^ir Thomas Brassey dafür und betonte im Jahre 1885 in einem Meeting


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[0109] Arbeitsämter Interessen der Arbeiterklasse vereinigt. Unter den Organen desselben, näm¬ lich Abgeordnetenversammlung, Bnndesvorstand, leitendem Ausschuß, erscheint auch der mit der Herstellung der Arbeitsstatistik sich befassende Arbeiter¬ sekretär. Diesen wählt der Bundesvorstand, wobei der Abgevrdneten- verscunmlung das Vorschlagsrecht zusteht. Seine amtlichen Befugnisse und Pflichten sind, „sich mit Erhebungen über schweizerische Arbeiterverhältnisse und mit sozialen Studien zu beschäftigen, sowie bezügliche Arbeiten und Gutachten anzufertigen." Er hat das Recht, zur Erlangung von Austüufteu sich an Behörden, Verbände, Vereine und Private zu wenden. Ihm zur Seite stehen ein Adjunkt und ein Gehilfe. Außer diesen werden gelegentlich andre Mit¬ arbeiter, wie Techniker, Ärzte u. s. w. zur Thätigkeit herangezogen, die ihre Dienste freiwillig und unentgeltlich darbieten. Zur Zeit bekleidet deu Posten eines Sekretärs der frühere Züricher Kantonsstatistiker Hermann Greulich. Das schweizerische Arbeitersekretnriat erscheint mithin als eine eigenartige Einrichtung. Man hat in ihm eine Anstalt, die von den Arbeitern er¬ richtet und besetzt, anch von ihnen abhängig ist, jedoch gleichzeitig von der Regierung mit Mitteln ausgestattet wird und deren etwaigen Aufträgen Folge zu leisten hat. Es bietet den Vorteil, daß die Arbeiter selbst herangezogen werden, und eine Vertrauensstelle geschaffen ist, der sie ihre Angaben an¬ dertrauen können, ohne Mißbrauch befürchten zu müssen. Vielleicht könnten auf diese Weise Berichte angefertigt werden, die amtliche Regiernngsvrganc nicht herzustellen vermöchten, und die gleichwohl für die sozialpolitische Gesetz¬ gebung von Bedeutung find. Seine Unvollkonunenheit zeigt das Sekretariat anderseits darin, daß es ans die freiwillige Dienstleistung angewiesen ist, die bei wichtige» sozialen Unternehmungen, bei denen .Klassengegensätze zum Vor¬ schein kommen, im Stiche lassen kann. Der Sekretär kann ferner, da er von »er Arbeiterschaft abhängig ist, das Vertrauen von Unternehmern oder Be¬ hörden leicht verscherzen. Endlich ist die finanzielle Grundlage ungenügend. Die Regierung hat einen Zuschuß vou 10000 Franken bewilligt, mit dem >nan leider nicht weit reicht. Auch die neuerdings dem Arbeitcrbuude zuge¬ mutete Leistung von 10000 Franken jährlich, die in Anbetracht der 100 000 Mitglieder, die der Bund umfaßt, nicht einmal als drückend angesehen werden ^Um, wird auf die Dauer den von einem Arbeitsamt zu verfolgenden Zwecken nicht genügen. Wieder anders ist man in England vorgegangen. Seit dem Jahre 187«), wo der Sekretär des von dem Parlamente zur Untersuchung der ^raäe-Uoion^ Angesetzten Komitees die Notwendigkeit eines arbeitsstatistischen Amtes nach Muster der amerikanischen dargelegt hatte, wurde die Frage nicht wieder b"n der Tagesordnung abgesetzt. Besonders interessirte sich der durch seine ^lkswirtschaftlichen Schriften bekannt gewordene frühere Eisenbahnunternehmer, ^ir Thomas Brassey dafür und betonte im Jahre 1885 in einem Meeting

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/109>, abgerufen am 28.12.2024.