Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

und ihrer Sterblichkeit, ihrer Erziehung, der Hauswirtschaft im allgemeinen,
den Wohnungen Beachtung geschenkt werden müßte, versteht sich ganz von selbst.

Das Programm eines Arbeitsamtes kann hier nur angedeutet, uicht im
einzelnen aufgestellt werden. Jedenfalls ergiebt sich aus dem großen Um¬
fange desselben, daß nur der Staat die Errichtung des Amtes in die Hand
nehmen kann. Er ist der einzige, der die für diesen Zweck erforderlichen nicht
unbedeutenden Geldmittel aufbringen kaun. Auch ist in Betracht zu ziehen,
daß den Mitgliedern des Arbeitsamtes eine gewisse Machtstellung eingeräumt
werden muß. Sie müssen eine Verfügungsgewalt über die Organe der innern
Verwaltung, das Recht des freien Eintritts in alle Arbeitsrüume und Arbeiter-
hnuser haben, und schon deshalb bedarf die ganze Anstalt eines amtlichen
Charakters.

Verwirklichung hat der Gedanke bis jetzt, wie gesagt, verhältnismäßig
wenig gefunden. In größerm Maßstabe bestehen Arbeitsämter zur Zeit nur
in den Verewigten Staaten von Nordamerika, wo sie zuerst im Jahre 1869
in Massachusetts, seitdem in zwanzig audern Staate", vielfach unter dem Drucke
der Arbeiter, die ihre Wünsche laut werden zu lassen nicht müde wurden, ins
Leben gerufen worden sind. Die östlichen Jndustriestanteu waren es, die mit
der Errichtung arbeitsstatistischer Bureaus begannen, während die industrie¬
armen, aber oft minenreichen Weststaaten langsamer folgten. Sieben von den
Andern sind ganz neu und erst durch die in den Jahren 188K und 1887
besonders starke Arbeiterbewegung veranlaßt worden.

Neben den Bureaus der Einzelstaaten giebt es eins für den ganzen
^undesstaat, nach manchen vergeblichen Versuchen, die bereits in das Jahr
1874 fallen, endlich im Jahre 1884 in Washington errichtet. Als seine Auf¬
gabe ist in dem Gesetze vom 25. Juni des genannten Jahres bezeichnet: "Be¬
lehrung einzuholen über die Arbeit, ihre Beziehungen zum Kapital, über
Arbeitszeit, das Einkommen von Arbeitern und Arbeiterinnen und die Mittel,
ehr materielles, soziales, geistiges und sittliches Gedeihen zu fördern." Zu deu
Andern der Einzelstaaten hat es keine übergeordnete Stellung. Es beschäftigt
sich ebeu mit den Verhältnissen der Arbeiter in der ganzen Union. So hat
^ z. B. Untersuchungen veröffentlicht über die industrielle Krisis, die im
Aahre 1885 die Vereinigten Staaten heimsuchte, über die Strafhausarbeit,
über die Streiks und Lockouts (Aussperrungen) in den Jahren 1881 bis 1886,
über die Lage der Arbeiterinnen in den großen Städten.

Durch ein neueres Gesetz vom 13. Juni 1888 ist diese Einrichtung
wesentlich vervollkommnet worden. Bisher befand sich ucimlich das Bureau
beim Departement des Innern unter der Leitung eines vom Präsidenten der
Republik mit Zustimmung des Senats ernannten Kommissars. Seit 1888 ist
nun in ein selbständiges Arbeitsdepnrtement verwandelt worden, dessen
Zweck und Pflichten gesetzlich festgestellt sind. Es ist ihm vorgeschrieben


und ihrer Sterblichkeit, ihrer Erziehung, der Hauswirtschaft im allgemeinen,
den Wohnungen Beachtung geschenkt werden müßte, versteht sich ganz von selbst.

Das Programm eines Arbeitsamtes kann hier nur angedeutet, uicht im
einzelnen aufgestellt werden. Jedenfalls ergiebt sich aus dem großen Um¬
fange desselben, daß nur der Staat die Errichtung des Amtes in die Hand
nehmen kann. Er ist der einzige, der die für diesen Zweck erforderlichen nicht
unbedeutenden Geldmittel aufbringen kaun. Auch ist in Betracht zu ziehen,
daß den Mitgliedern des Arbeitsamtes eine gewisse Machtstellung eingeräumt
werden muß. Sie müssen eine Verfügungsgewalt über die Organe der innern
Verwaltung, das Recht des freien Eintritts in alle Arbeitsrüume und Arbeiter-
hnuser haben, und schon deshalb bedarf die ganze Anstalt eines amtlichen
Charakters.

Verwirklichung hat der Gedanke bis jetzt, wie gesagt, verhältnismäßig
wenig gefunden. In größerm Maßstabe bestehen Arbeitsämter zur Zeit nur
in den Verewigten Staaten von Nordamerika, wo sie zuerst im Jahre 1869
in Massachusetts, seitdem in zwanzig audern Staate», vielfach unter dem Drucke
der Arbeiter, die ihre Wünsche laut werden zu lassen nicht müde wurden, ins
Leben gerufen worden sind. Die östlichen Jndustriestanteu waren es, die mit
der Errichtung arbeitsstatistischer Bureaus begannen, während die industrie¬
armen, aber oft minenreichen Weststaaten langsamer folgten. Sieben von den
Andern sind ganz neu und erst durch die in den Jahren 188K und 1887
besonders starke Arbeiterbewegung veranlaßt worden.

Neben den Bureaus der Einzelstaaten giebt es eins für den ganzen
^undesstaat, nach manchen vergeblichen Versuchen, die bereits in das Jahr
1874 fallen, endlich im Jahre 1884 in Washington errichtet. Als seine Auf¬
gabe ist in dem Gesetze vom 25. Juni des genannten Jahres bezeichnet: „Be¬
lehrung einzuholen über die Arbeit, ihre Beziehungen zum Kapital, über
Arbeitszeit, das Einkommen von Arbeitern und Arbeiterinnen und die Mittel,
ehr materielles, soziales, geistiges und sittliches Gedeihen zu fördern." Zu deu
Andern der Einzelstaaten hat es keine übergeordnete Stellung. Es beschäftigt
sich ebeu mit den Verhältnissen der Arbeiter in der ganzen Union. So hat
^ z. B. Untersuchungen veröffentlicht über die industrielle Krisis, die im
Aahre 1885 die Vereinigten Staaten heimsuchte, über die Strafhausarbeit,
über die Streiks und Lockouts (Aussperrungen) in den Jahren 1881 bis 1886,
über die Lage der Arbeiterinnen in den großen Städten.

Durch ein neueres Gesetz vom 13. Juni 1888 ist diese Einrichtung
wesentlich vervollkommnet worden. Bisher befand sich ucimlich das Bureau
beim Departement des Innern unter der Leitung eines vom Präsidenten der
Republik mit Zustimmung des Senats ernannten Kommissars. Seit 1888 ist
nun in ein selbständiges Arbeitsdepnrtement verwandelt worden, dessen
Zweck und Pflichten gesetzlich festgestellt sind. Es ist ihm vorgeschrieben


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0107" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/207402"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_285" prev="#ID_284"> und ihrer Sterblichkeit, ihrer Erziehung, der Hauswirtschaft im allgemeinen,<lb/>
den Wohnungen Beachtung geschenkt werden müßte, versteht sich ganz von selbst.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_286"> Das Programm eines Arbeitsamtes kann hier nur angedeutet, uicht im<lb/>
einzelnen aufgestellt werden. Jedenfalls ergiebt sich aus dem großen Um¬<lb/>
fange desselben, daß nur der Staat die Errichtung des Amtes in die Hand<lb/>
nehmen kann. Er ist der einzige, der die für diesen Zweck erforderlichen nicht<lb/>
unbedeutenden Geldmittel aufbringen kaun. Auch ist in Betracht zu ziehen,<lb/>
daß den Mitgliedern des Arbeitsamtes eine gewisse Machtstellung eingeräumt<lb/>
werden muß. Sie müssen eine Verfügungsgewalt über die Organe der innern<lb/>
Verwaltung, das Recht des freien Eintritts in alle Arbeitsrüume und Arbeiter-<lb/>
hnuser haben, und schon deshalb bedarf die ganze Anstalt eines amtlichen<lb/>
Charakters.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_287"> Verwirklichung hat der Gedanke bis jetzt, wie gesagt, verhältnismäßig<lb/>
wenig gefunden. In größerm Maßstabe bestehen Arbeitsämter zur Zeit nur<lb/>
in den Verewigten Staaten von Nordamerika, wo sie zuerst im Jahre 1869<lb/>
in Massachusetts, seitdem in zwanzig audern Staate», vielfach unter dem Drucke<lb/>
der Arbeiter, die ihre Wünsche laut werden zu lassen nicht müde wurden, ins<lb/>
Leben gerufen worden sind. Die östlichen Jndustriestanteu waren es, die mit<lb/>
der Errichtung arbeitsstatistischer Bureaus begannen, während die industrie¬<lb/>
armen, aber oft minenreichen Weststaaten langsamer folgten. Sieben von den<lb/>
Andern sind ganz neu und erst durch die in den Jahren 188K und 1887<lb/>
besonders starke Arbeiterbewegung veranlaßt worden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_288"> Neben den Bureaus der Einzelstaaten giebt es eins für den ganzen<lb/>
^undesstaat, nach manchen vergeblichen Versuchen, die bereits in das Jahr<lb/>
1874 fallen, endlich im Jahre 1884 in Washington errichtet. Als seine Auf¬<lb/>
gabe ist in dem Gesetze vom 25. Juni des genannten Jahres bezeichnet: &#x201E;Be¬<lb/>
lehrung einzuholen über die Arbeit, ihre Beziehungen zum Kapital, über<lb/>
Arbeitszeit, das Einkommen von Arbeitern und Arbeiterinnen und die Mittel,<lb/>
ehr materielles, soziales, geistiges und sittliches Gedeihen zu fördern." Zu deu<lb/>
Andern der Einzelstaaten hat es keine übergeordnete Stellung. Es beschäftigt<lb/>
sich ebeu mit den Verhältnissen der Arbeiter in der ganzen Union. So hat<lb/>
^ z. B. Untersuchungen veröffentlicht über die industrielle Krisis, die im<lb/>
Aahre 1885 die Vereinigten Staaten heimsuchte, über die Strafhausarbeit,<lb/>
über die Streiks und Lockouts (Aussperrungen) in den Jahren 1881 bis 1886,<lb/>
über die Lage der Arbeiterinnen in den großen Städten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_289" next="#ID_290"> Durch ein neueres Gesetz vom 13. Juni 1888 ist diese Einrichtung<lb/>
wesentlich vervollkommnet worden. Bisher befand sich ucimlich das Bureau<lb/>
beim Departement des Innern unter der Leitung eines vom Präsidenten der<lb/>
Republik mit Zustimmung des Senats ernannten Kommissars. Seit 1888 ist<lb/>
nun in ein selbständiges Arbeitsdepnrtement verwandelt worden, dessen<lb/>
Zweck und Pflichten gesetzlich festgestellt sind.  Es ist ihm vorgeschrieben</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0107] und ihrer Sterblichkeit, ihrer Erziehung, der Hauswirtschaft im allgemeinen, den Wohnungen Beachtung geschenkt werden müßte, versteht sich ganz von selbst. Das Programm eines Arbeitsamtes kann hier nur angedeutet, uicht im einzelnen aufgestellt werden. Jedenfalls ergiebt sich aus dem großen Um¬ fange desselben, daß nur der Staat die Errichtung des Amtes in die Hand nehmen kann. Er ist der einzige, der die für diesen Zweck erforderlichen nicht unbedeutenden Geldmittel aufbringen kaun. Auch ist in Betracht zu ziehen, daß den Mitgliedern des Arbeitsamtes eine gewisse Machtstellung eingeräumt werden muß. Sie müssen eine Verfügungsgewalt über die Organe der innern Verwaltung, das Recht des freien Eintritts in alle Arbeitsrüume und Arbeiter- hnuser haben, und schon deshalb bedarf die ganze Anstalt eines amtlichen Charakters. Verwirklichung hat der Gedanke bis jetzt, wie gesagt, verhältnismäßig wenig gefunden. In größerm Maßstabe bestehen Arbeitsämter zur Zeit nur in den Verewigten Staaten von Nordamerika, wo sie zuerst im Jahre 1869 in Massachusetts, seitdem in zwanzig audern Staate», vielfach unter dem Drucke der Arbeiter, die ihre Wünsche laut werden zu lassen nicht müde wurden, ins Leben gerufen worden sind. Die östlichen Jndustriestanteu waren es, die mit der Errichtung arbeitsstatistischer Bureaus begannen, während die industrie¬ armen, aber oft minenreichen Weststaaten langsamer folgten. Sieben von den Andern sind ganz neu und erst durch die in den Jahren 188K und 1887 besonders starke Arbeiterbewegung veranlaßt worden. Neben den Bureaus der Einzelstaaten giebt es eins für den ganzen ^undesstaat, nach manchen vergeblichen Versuchen, die bereits in das Jahr 1874 fallen, endlich im Jahre 1884 in Washington errichtet. Als seine Auf¬ gabe ist in dem Gesetze vom 25. Juni des genannten Jahres bezeichnet: „Be¬ lehrung einzuholen über die Arbeit, ihre Beziehungen zum Kapital, über Arbeitszeit, das Einkommen von Arbeitern und Arbeiterinnen und die Mittel, ehr materielles, soziales, geistiges und sittliches Gedeihen zu fördern." Zu deu Andern der Einzelstaaten hat es keine übergeordnete Stellung. Es beschäftigt sich ebeu mit den Verhältnissen der Arbeiter in der ganzen Union. So hat ^ z. B. Untersuchungen veröffentlicht über die industrielle Krisis, die im Aahre 1885 die Vereinigten Staaten heimsuchte, über die Strafhausarbeit, über die Streiks und Lockouts (Aussperrungen) in den Jahren 1881 bis 1886, über die Lage der Arbeiterinnen in den großen Städten. Durch ein neueres Gesetz vom 13. Juni 1888 ist diese Einrichtung wesentlich vervollkommnet worden. Bisher befand sich ucimlich das Bureau beim Departement des Innern unter der Leitung eines vom Präsidenten der Republik mit Zustimmung des Senats ernannten Kommissars. Seit 1888 ist nun in ein selbständiges Arbeitsdepnrtement verwandelt worden, dessen Zweck und Pflichten gesetzlich festgestellt sind. Es ist ihm vorgeschrieben

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/107
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/107>, abgerufen am 22.07.2024.