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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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einzige praktische Lösung wäre die Zerstückelung des preußischen Staates ge¬
wesen, und dagegen hatte der Zar im voraus sein Veto eingelegt. Auch
die Folgen der von Baron Meyendorf in Olmütz erzwungenen Verständigung
Ware" vorauszusehen. Die Dresdner Konferenzen konnten nur ein Kompromiß
schaffen, und das einfachste und natürlichste schien die Rückkehr zum alten
Bundestage." Aber anch mit dem kam Österreich nicht zum Ziele. Schwnrzen-
berg starb, und mit ihm die Fähigkeit, seine Politik mit Erfolg fortzusetzen.
"Die l848 in den Straßenkot geworfene Bundesakte war zwar wieder zu¬
sammengeflickt worden, konnte aber den systematischen Angriffen deS preußischen
Bevollmächtigten IBismarcll umso weniger widerstehen, als dessen Gegner sich
der Verteidigung nicht gewachsen zeigten. Der wiederhergestellte Bundestag
konnte, mehr denn se zur Impotenz verurteilt, für die nationale Sache nichts
thun."

Der Verfasser kommt nun ans die Orientkrisis von 1853 zu sprechen und
beklagt, daß Graf Buol hierbei zwar die Aufgabe Österreichs erkannt habe,
aber nicht der Mann gewesen sei, sie zu lösen. Ganz Europa hätte sich ver¬
einigen müssen, den Frieden zu wahren und den maßlosen Übergriffen des
russischen Übermutes einen Riegel vorzuschieben. Das sei aber bloß in Wien,
dagegen in Berlin nur vom Prinzen von Preußen und von den Mittelstaaten
gar nicht begriffen worden, und dafür hätten die letzter" dann schwer büßen
müssen. "Man hatte bisher seit Wiederherstellung des deutschen Bundes ganz
richtig erkannt, daß die Unabhängigkeit der Mittelstaateu einzig und allein von
Osterreich geschützt werden konnte. Schutz durften sie aber vom Kaiser von
Osterreich "ur erwarten, so lange er in europäische" Fragen unbedingt auf deren
Unterstützung zu rechne" hatte. Wen" "icht, so wurde die Existenz dieser
Staaten für Österreich gleichgültig. Es lag aber aus der Hand, daß Preußen,
wenn sämtliche deutsche Staaten einmütig zu Österreich gestanden hätten, 1853
gezwungen worden wäre, dieselbe politische Linie zu befolgen, und hätte Deutsch¬
land bei Begiu" dieser .Krisis einträchtig gesprochen und gehandelt, so wäre
der unheilvolle Krieg vermieden, Österreichs Ansehen in Europa nicht erschüttert
und der italienische Krieg von 1859 ebenso verhindert worden wie der deutsche
von I8l>(i." Der Verfasser fährt fort: "Der damalige preußische Bnndestags-
gesandte teilte die Auffassung des Prinzen von Preußen nicht. Aus seine"
Berichte" sowie ans de" E"thutt""ge", welche Mariens aus den Petersburger
Archiven geschöpft hat, wissen wir, mit welcher Energie Herr vo" Bismarck
>" den Jahren von 1853 und 1854 für die Aufrechthaltung der Neutralität
Preußens eingetreten ist. Von seinem Standpunkt aus hatte er auch voll¬
kommen Recht. Man weiß auch, daß sein politisches Ideal damals ein Bündnis
zwischen Preußen, Frankreich und Rußland war. Er erblickte das Heil Preußens
in der Sprengung des Bundes und in dem Aufschlüsse Österreichs ans demselben.
Erreicht hat er diese" Zweck dadurch, daß er sich der wohlwollenden Neutralität


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einzige praktische Lösung wäre die Zerstückelung des preußischen Staates ge¬
wesen, und dagegen hatte der Zar im voraus sein Veto eingelegt. Auch
die Folgen der von Baron Meyendorf in Olmütz erzwungenen Verständigung
Ware» vorauszusehen. Die Dresdner Konferenzen konnten nur ein Kompromiß
schaffen, und das einfachste und natürlichste schien die Rückkehr zum alten
Bundestage." Aber anch mit dem kam Österreich nicht zum Ziele. Schwnrzen-
berg starb, und mit ihm die Fähigkeit, seine Politik mit Erfolg fortzusetzen.
„Die l848 in den Straßenkot geworfene Bundesakte war zwar wieder zu¬
sammengeflickt worden, konnte aber den systematischen Angriffen deS preußischen
Bevollmächtigten IBismarcll umso weniger widerstehen, als dessen Gegner sich
der Verteidigung nicht gewachsen zeigten. Der wiederhergestellte Bundestag
konnte, mehr denn se zur Impotenz verurteilt, für die nationale Sache nichts
thun."

Der Verfasser kommt nun ans die Orientkrisis von 1853 zu sprechen und
beklagt, daß Graf Buol hierbei zwar die Aufgabe Österreichs erkannt habe,
aber nicht der Mann gewesen sei, sie zu lösen. Ganz Europa hätte sich ver¬
einigen müssen, den Frieden zu wahren und den maßlosen Übergriffen des
russischen Übermutes einen Riegel vorzuschieben. Das sei aber bloß in Wien,
dagegen in Berlin nur vom Prinzen von Preußen und von den Mittelstaaten
gar nicht begriffen worden, und dafür hätten die letzter» dann schwer büßen
müssen. „Man hatte bisher seit Wiederherstellung des deutschen Bundes ganz
richtig erkannt, daß die Unabhängigkeit der Mittelstaateu einzig und allein von
Osterreich geschützt werden konnte. Schutz durften sie aber vom Kaiser von
Osterreich »ur erwarten, so lange er in europäische» Fragen unbedingt auf deren
Unterstützung zu rechne» hatte. Wen» »icht, so wurde die Existenz dieser
Staaten für Österreich gleichgültig. Es lag aber aus der Hand, daß Preußen,
wenn sämtliche deutsche Staaten einmütig zu Österreich gestanden hätten, 1853
gezwungen worden wäre, dieselbe politische Linie zu befolgen, und hätte Deutsch¬
land bei Begiu» dieser .Krisis einträchtig gesprochen und gehandelt, so wäre
der unheilvolle Krieg vermieden, Österreichs Ansehen in Europa nicht erschüttert
und der italienische Krieg von 1859 ebenso verhindert worden wie der deutsche
von I8l>(i." Der Verfasser fährt fort: „Der damalige preußische Bnndestags-
gesandte teilte die Auffassung des Prinzen von Preußen nicht. Aus seine»
Berichte» sowie ans de» E»thutt»»ge», welche Mariens aus den Petersburger
Archiven geschöpft hat, wissen wir, mit welcher Energie Herr vo» Bismarck
>» den Jahren von 1853 und 1854 für die Aufrechthaltung der Neutralität
Preußens eingetreten ist. Von seinem Standpunkt aus hatte er auch voll¬
kommen Recht. Man weiß auch, daß sein politisches Ideal damals ein Bündnis
zwischen Preußen, Frankreich und Rußland war. Er erblickte das Heil Preußens
in der Sprengung des Bundes und in dem Aufschlüsse Österreichs ans demselben.
Erreicht hat er diese» Zweck dadurch, daß er sich der wohlwollenden Neutralität


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/89>, abgerufen am 23.07.2024.