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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Das Nationalgefühl

Von fürstlichen Thaten und Werken,
Bon alter Ehre und Pracht,

ja ini Liede der schwarzen braunschweigischen Freischar hatte es schon phantastisch
vom Reiche geklungen:


Für Baterland und Ehre
Erheben wir die Wehre.
Für Hermanns Erb nud Gut
Verspritzen wir das Blut.
Der Teufel soll versinken,
Die Männlichkeit soll blinken,
Das deutsche Reich besteh",
Bis Erd und All vergehn!

Aber zu Gedanken lind Forderungen wurden diese Anklänge damals noch uicht
ausgebildet.

Und ebensowenig gelangte es zu einer weitern prvgrammartigen Verbrei¬
tung, wenn an freiheitliche Nnttvaudlungeu innerhalb des Staatslebens gedacht
wurde. Denn das geschah schon. Fürsten und Räten hatte die große Revo¬
lution doch sehr zu denken gegeben, und nun sollten sie noch dazu inne werden,
daß das Volk aufhören wollte, nnr hinnehmend, nur passiv zu sein, daß sie
selbst, diese Unterthanen, bereit waren, in Thätigkeit zu treten für den Staat,
zu handeln, zu kämpfen und, wenn es sein mußte, zu sterben für ihr Land
und mit für ihren fürstlichen Herrn.


Wirf den Schaudenbnud, Geschlecht
Edler Fürsten, ihm zu Füßen!
Und ein Blut wird für dich fließen,
Bolkestreue, purpurecht I

rief Stägemnnn den Nheinbündlern zu, und ans Arndts Munde vernahmen
Könige und Fürsten das herbe Wort: "Ihr seid jetzt nichts ohne das Volk!"
Sie empfanden ohnehin nur zu wohl, daß die alte Zeit dahingegangen sei,
und sie waren aufrichtig gesonnen, ihrerseits des Volkes Treue und Opfermut
zu vergelten. Etwas derartiges ward auch im Volke gefühlt und erwartet,
man hegte schou in weitern Kreisen unbestimmte Hoffnungen für die innern
politischen Zustände, sobald einmal der deutsche Voden vom Feinde befreit sein
würde. Bis dahin aber wurde alles andre hintaugestellt; man trennte bezeich¬
nenderweise nirgends die vaterländische und die bürgerliche Freiheit, die "Frei¬
heit der deutschen Eichen" schloß beide gemeinsam ein. Mit unendlichem
Vertrauen und reinster Hoffnung überließ mau alles jenes andre bedingungs¬
los dem Tage, wo endlich das Vaterland wiedergewonnen sein werde, wo das
neue Jugendalter deutschen Lebens anbrechen, eine Zeit beginnen werde, die
allversöhuend, allbeglückend sein müsse und unendlich schön.


Das Nationalgefühl

Von fürstlichen Thaten und Werken,
Bon alter Ehre und Pracht,

ja ini Liede der schwarzen braunschweigischen Freischar hatte es schon phantastisch
vom Reiche geklungen:


Für Baterland und Ehre
Erheben wir die Wehre.
Für Hermanns Erb nud Gut
Verspritzen wir das Blut.
Der Teufel soll versinken,
Die Männlichkeit soll blinken,
Das deutsche Reich besteh»,
Bis Erd und All vergehn!

Aber zu Gedanken lind Forderungen wurden diese Anklänge damals noch uicht
ausgebildet.

Und ebensowenig gelangte es zu einer weitern prvgrammartigen Verbrei¬
tung, wenn an freiheitliche Nnttvaudlungeu innerhalb des Staatslebens gedacht
wurde. Denn das geschah schon. Fürsten und Räten hatte die große Revo¬
lution doch sehr zu denken gegeben, und nun sollten sie noch dazu inne werden,
daß das Volk aufhören wollte, nnr hinnehmend, nur passiv zu sein, daß sie
selbst, diese Unterthanen, bereit waren, in Thätigkeit zu treten für den Staat,
zu handeln, zu kämpfen und, wenn es sein mußte, zu sterben für ihr Land
und mit für ihren fürstlichen Herrn.


Wirf den Schaudenbnud, Geschlecht
Edler Fürsten, ihm zu Füßen!
Und ein Blut wird für dich fließen,
Bolkestreue, purpurecht I

rief Stägemnnn den Nheinbündlern zu, und ans Arndts Munde vernahmen
Könige und Fürsten das herbe Wort: „Ihr seid jetzt nichts ohne das Volk!"
Sie empfanden ohnehin nur zu wohl, daß die alte Zeit dahingegangen sei,
und sie waren aufrichtig gesonnen, ihrerseits des Volkes Treue und Opfermut
zu vergelten. Etwas derartiges ward auch im Volke gefühlt und erwartet,
man hegte schou in weitern Kreisen unbestimmte Hoffnungen für die innern
politischen Zustände, sobald einmal der deutsche Voden vom Feinde befreit sein
würde. Bis dahin aber wurde alles andre hintaugestellt; man trennte bezeich¬
nenderweise nirgends die vaterländische und die bürgerliche Freiheit, die „Frei¬
heit der deutschen Eichen" schloß beide gemeinsam ein. Mit unendlichem
Vertrauen und reinster Hoffnung überließ mau alles jenes andre bedingungs¬
los dem Tage, wo endlich das Vaterland wiedergewonnen sein werde, wo das
neue Jugendalter deutschen Lebens anbrechen, eine Zeit beginnen werde, die
allversöhuend, allbeglückend sein müsse und unendlich schön.


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[0082] Das Nationalgefühl Von fürstlichen Thaten und Werken, Bon alter Ehre und Pracht, ja ini Liede der schwarzen braunschweigischen Freischar hatte es schon phantastisch vom Reiche geklungen: Für Baterland und Ehre Erheben wir die Wehre. Für Hermanns Erb nud Gut Verspritzen wir das Blut. Der Teufel soll versinken, Die Männlichkeit soll blinken, Das deutsche Reich besteh», Bis Erd und All vergehn! Aber zu Gedanken lind Forderungen wurden diese Anklänge damals noch uicht ausgebildet. Und ebensowenig gelangte es zu einer weitern prvgrammartigen Verbrei¬ tung, wenn an freiheitliche Nnttvaudlungeu innerhalb des Staatslebens gedacht wurde. Denn das geschah schon. Fürsten und Räten hatte die große Revo¬ lution doch sehr zu denken gegeben, und nun sollten sie noch dazu inne werden, daß das Volk aufhören wollte, nnr hinnehmend, nur passiv zu sein, daß sie selbst, diese Unterthanen, bereit waren, in Thätigkeit zu treten für den Staat, zu handeln, zu kämpfen und, wenn es sein mußte, zu sterben für ihr Land und mit für ihren fürstlichen Herrn. Wirf den Schaudenbnud, Geschlecht Edler Fürsten, ihm zu Füßen! Und ein Blut wird für dich fließen, Bolkestreue, purpurecht I rief Stägemnnn den Nheinbündlern zu, und ans Arndts Munde vernahmen Könige und Fürsten das herbe Wort: „Ihr seid jetzt nichts ohne das Volk!" Sie empfanden ohnehin nur zu wohl, daß die alte Zeit dahingegangen sei, und sie waren aufrichtig gesonnen, ihrerseits des Volkes Treue und Opfermut zu vergelten. Etwas derartiges ward auch im Volke gefühlt und erwartet, man hegte schou in weitern Kreisen unbestimmte Hoffnungen für die innern politischen Zustände, sobald einmal der deutsche Voden vom Feinde befreit sein würde. Bis dahin aber wurde alles andre hintaugestellt; man trennte bezeich¬ nenderweise nirgends die vaterländische und die bürgerliche Freiheit, die „Frei¬ heit der deutschen Eichen" schloß beide gemeinsam ein. Mit unendlichem Vertrauen und reinster Hoffnung überließ mau alles jenes andre bedingungs¬ los dem Tage, wo endlich das Vaterland wiedergewonnen sein werde, wo das neue Jugendalter deutschen Lebens anbrechen, eine Zeit beginnen werde, die allversöhuend, allbeglückend sein müsse und unendlich schön.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/82>, abgerufen am 23.07.2024.