Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.Wehrsteuer. Bedenklicher scheint sah^n die dauernde Fernhaltung aller bessern Weit schwerer als diese Bedenken fällt der Umstand ins Gewicht, daß Bisher beabsichtigte man in Frankreich, im Mobilmachnngsfalle einfach Die allgemeine Wehrpflicht in den Wehrgesetzen Denischlands und Frankreichs
Wehrsteuer. Bedenklicher scheint sah^n die dauernde Fernhaltung aller bessern Weit schwerer als diese Bedenken fällt der Umstand ins Gewicht, daß Bisher beabsichtigte man in Frankreich, im Mobilmachnngsfalle einfach Die allgemeine Wehrpflicht in den Wehrgesetzen Denischlands und Frankreichs
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0076" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206721"/> <fw type="sig" place="bottom"> Die allgemeine Wehrpflicht in den Wehrgesetzen Denischlands und Frankreichs</fw><lb/> <p xml:id="ID_201" prev="#ID_200"> Wehrsteuer. Bedenklicher scheint sah^n die dauernde Fernhaltung aller bessern<lb/> Kräfte der Nation von, bürgerliche» Berufe. Unsre Nationalökonomen werden<lb/> beunruhigt die Kopfe schütteln, doch ist es bezeichnend, daß die französischen<lb/> keine übergroßen Befürchtungen hegen, ja daß sie sich sogar Gutes von dem<lb/> Gesetze versprechen, weil sie von der Erziehung des Volkes im Heere gute<lb/> Erfolge erwarten.</p><lb/> <p xml:id="ID_202"> Weit schwerer als diese Bedenken fällt der Umstand ins Gewicht, daß<lb/> man für die »»geheuer» Svldatenmasse» des neuen Gesetzes für den Krieg<lb/> neue Verbände schaffen und sie mit Offizieren und Unteroffizieren ausstatten<lb/> muß, »in sie gebrauchsfähig zu mache». Diese A»fgabe gehört zu den<lb/> wichtigsten der modernen Heeresleitung, ist vielleicht die wichtigste über¬<lb/> haupt, bei uns wie überall. Ihre Bedeutung muß jedem in die Auge»<lb/> springen, der sich vergegenwärtigt, daß die Kriegsstärke aller Heere mindestens<lb/> das Fünf- und Sechsfache der Friedensstärke beträgt. Die Größe der dadurch<lb/> entstehenden Heere wird am beste» durch die Angabe verdeutlicht, daß die<lb/> französische Armee ans Kriegsfuß den von den Befestigungen nicht eingenom-<lb/> menen Raum des Greuzstrichs zwischeu Luxemburg und der Schweiz, Mann<lb/> neben Mann, Geschütz neben Geschütz wie in der Gefechtseutwicklmig aufge¬<lb/> stellt, ausfüllt und dabei »och mehr als die Hälfte der Infanterie n»d Artillerie<lb/> zur Reserve zurückhalte» muß! Wie wird man solche Menschenmassen unter-<lb/> bringen, ernähren und bewegen, wie vor allen Dingen sie zu gemeinsamem<lb/> Handeln leiten?</p><lb/> <p xml:id="ID_203" next="#ID_204"> Bisher beabsichtigte man in Frankreich, im Mobilmachnngsfalle einfach<lb/> ganz neue Armeekorps in derselben Zahl und derselben Zusammensetzung zu<lb/> bilden, wie sie im Frieden bestehe». Davon ist man jüngst zurückgekommen,<lb/> weil ma» nicht die höhern Kvmmandostellen, die bei dieser Organifatio» zahl¬<lb/> reich nötig würden, mit Offizieren zu besetzen weiß. Dafür will man bei<lb/> dem Kriegsausbruch innerhalb der größer» Friedensverbände möglichst viel<lb/> kleine Einheiten aufstellen. Aber much dieser Ausweg hat unleugbare Nach¬<lb/> teile. Die aus ungleichartigen Bestandteilen — Aktiven, jungen und alten<lb/> Reserven — zusammengesetzten Körper werden dem nlteu Fluch unterliegen,<lb/> daß beim Nebeneinanderwirken verschiedenartiger Kräfte gewöhnlich der schwächere<lb/> Teil den stärkern hindert, sie werden schwerfällig sein. Obwohl dies in<lb/> Frankreich ebenfalls erkannt ist, kann man dort, eben aus Mangel an höhern<lb/> Offizieren, keine andre Einrichtung treffen. Aber auch bei dieser Organisation<lb/> wird es noch an Vorgesetzten fehlen. Zwar aktive Offiziere hat die französische<lb/> Armee in genügender Zahl, der änßere Glanz des Standes übt immer »och<lb/> seine alte Anziehungskraft. Dagegen ist die Ergänzung der Offiziere des Be¬<lb/> urlaubtenstandes sowie der Unteroffiziere bei der aktiven Armee sehr schwierig.<lb/> Die französische Nation ist im allgemeinen uicht so militärisch gesinnt, wie<lb/> man anzunehmen geneigt ist, bevorzugt im Gegenteil die Erwerbsstüuoe i»</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0076]
Wehrsteuer. Bedenklicher scheint sah^n die dauernde Fernhaltung aller bessern
Kräfte der Nation von, bürgerliche» Berufe. Unsre Nationalökonomen werden
beunruhigt die Kopfe schütteln, doch ist es bezeichnend, daß die französischen
keine übergroßen Befürchtungen hegen, ja daß sie sich sogar Gutes von dem
Gesetze versprechen, weil sie von der Erziehung des Volkes im Heere gute
Erfolge erwarten.
Weit schwerer als diese Bedenken fällt der Umstand ins Gewicht, daß
man für die »»geheuer» Svldatenmasse» des neuen Gesetzes für den Krieg
neue Verbände schaffen und sie mit Offizieren und Unteroffizieren ausstatten
muß, »in sie gebrauchsfähig zu mache». Diese A»fgabe gehört zu den
wichtigsten der modernen Heeresleitung, ist vielleicht die wichtigste über¬
haupt, bei uns wie überall. Ihre Bedeutung muß jedem in die Auge»
springen, der sich vergegenwärtigt, daß die Kriegsstärke aller Heere mindestens
das Fünf- und Sechsfache der Friedensstärke beträgt. Die Größe der dadurch
entstehenden Heere wird am beste» durch die Angabe verdeutlicht, daß die
französische Armee ans Kriegsfuß den von den Befestigungen nicht eingenom-
menen Raum des Greuzstrichs zwischeu Luxemburg und der Schweiz, Mann
neben Mann, Geschütz neben Geschütz wie in der Gefechtseutwicklmig aufge¬
stellt, ausfüllt und dabei »och mehr als die Hälfte der Infanterie n»d Artillerie
zur Reserve zurückhalte» muß! Wie wird man solche Menschenmassen unter-
bringen, ernähren und bewegen, wie vor allen Dingen sie zu gemeinsamem
Handeln leiten?
Bisher beabsichtigte man in Frankreich, im Mobilmachnngsfalle einfach
ganz neue Armeekorps in derselben Zahl und derselben Zusammensetzung zu
bilden, wie sie im Frieden bestehe». Davon ist man jüngst zurückgekommen,
weil ma» nicht die höhern Kvmmandostellen, die bei dieser Organifatio» zahl¬
reich nötig würden, mit Offizieren zu besetzen weiß. Dafür will man bei
dem Kriegsausbruch innerhalb der größer» Friedensverbände möglichst viel
kleine Einheiten aufstellen. Aber much dieser Ausweg hat unleugbare Nach¬
teile. Die aus ungleichartigen Bestandteilen — Aktiven, jungen und alten
Reserven — zusammengesetzten Körper werden dem nlteu Fluch unterliegen,
daß beim Nebeneinanderwirken verschiedenartiger Kräfte gewöhnlich der schwächere
Teil den stärkern hindert, sie werden schwerfällig sein. Obwohl dies in
Frankreich ebenfalls erkannt ist, kann man dort, eben aus Mangel an höhern
Offizieren, keine andre Einrichtung treffen. Aber auch bei dieser Organisation
wird es noch an Vorgesetzten fehlen. Zwar aktive Offiziere hat die französische
Armee in genügender Zahl, der änßere Glanz des Standes übt immer »och
seine alte Anziehungskraft. Dagegen ist die Ergänzung der Offiziere des Be¬
urlaubtenstandes sowie der Unteroffiziere bei der aktiven Armee sehr schwierig.
Die französische Nation ist im allgemeinen uicht so militärisch gesinnt, wie
man anzunehmen geneigt ist, bevorzugt im Gegenteil die Erwerbsstüuoe i»
Die allgemeine Wehrpflicht in den Wehrgesetzen Denischlands und Frankreichs
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