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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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führend, den Fluß Luini überschreiten, um die Landschaften Taveta und Dschagga
in der Mitte zu durchschneiden und dann am Nordabhänge der Bergkette des
Kilima-Ndscharo hin in gerader Richtung bis zu dem Punkte am Ostufer des
Viktoria-Nyanzn weitergeführt zu werden, der vom 1. Grad südlicher Breite
getroffen wird. Deutschland verpflichtet sich, im Norden dieser Linie kein
Gebiet zu erwerben, keine Protektorate anzunehmen und der Ausbreitung eng¬
lischen Einflusses nicht entgegenzutreten, während England die gleiche Ver¬
pflichtung hinsichtlich der südlich von dieser Linie gelegnen Gebiete übernimmt."
Auch mit Portugal wurde am 3V. Dezember 1886 ein Vertrag abgeschlossen,
worin es hieß: "Die Grenzlinie zwischen den deutschen und den portugiesischen
Besitzungen in Ostafrika folgt dem Laufe des Rovuiua vo" seiner Mündung
bis zu dem Punkte, wo sich der Minje in ihn ergießt, und läuft von dort
uach dem Breitenparallel weiter bis zum Nyassn-See."

Inzwischen hatte sich die Ostafrikanische Gesellschaft eine neue Organisation
gegeben und hatte sich am 14. Dezember 1885 in eine Aktiengesellschaft ver¬
wandelt, die sich in eine Exekutive, einen Direktionsrat und eine Hauptver¬
sammlung gliederte. Die fernere Beteiligung des kleinen Kapitals wurde durch
die neuen Satzungen ausgeschlossen. Mitglieder sollten künftig nur die bisherigen
Besitzer von Anteilscheinen und die Übernehmer von solchen zu 10 000 Mark sein.
Die Exekutive sollte die Gesellschaft in allen Rechtsgeschäften vertreten und
die Beamten anstellen und entlassen. Sie wurde vom Direktionsrate gewählt,
der ans 21 bis 27 Mitgliedern bestand, das Budget feststellte und die gesamte
Geschäftsführung überwachte. Dazu kamen 3 Revisoren, mit der Pflicht, auf
die Beobachtung der Satzungen zu sehen, und denn Rechte, jederzeit Einsicht
in die Bücher, Rechnungen und Urkunden zu nehmen. Die Generalversamm¬
lung sollte regelmäßig einmal im Jahre berufen werden, um die Bilanz zu
genehmigen, über Verwendung der Überschüsse, Aufnahme von Anleihen,
Änderung der Statuten oder Auflösung der Gesellschaft zu beschließen und die
Revisoren sowie die Mehrzahl des Direktionsrates zu wählen, von den übrigen
Mitgliedern sollten einer durch die Seehandlung und drei dnrch den Reichs¬
kanzler ernannt werden, der durch einen Kommissar die Oberaufsicht über die
Gesellschaft ausübte. Diese neue Einrichtung stärkte das Vertrauen des Gro߬
kapitals zu der Gesellschaft, und sie besaß, nachdem sie bis Ende 1887 232
neue Anteilscheine zu 10 000 Mark abgesetzt hatte, ein Aktivvermögen von
31/2 Millionen.

Inzwischen hatte man sich aber anch überzeugt, daß einzelne deutsche
Landwirte die Bebauung ostafrikanischer Gegenden nicht übernehmen konnten;
ebenso war die Verwendung deutscher ländlicher Arbeiter hier abgeschlossen.
Die Ausbeutung des Landbesitzes der Gesellschaft mußte durch Körperschaften
in die Hand genommen werden, denen man das erworbne Land verkaufte,
während mau sich selbst fortan hauptsächlich mit der Organisation und Ver-


Grenzboten I 139" 8
Deutsch-Gstcifnka

führend, den Fluß Luini überschreiten, um die Landschaften Taveta und Dschagga
in der Mitte zu durchschneiden und dann am Nordabhänge der Bergkette des
Kilima-Ndscharo hin in gerader Richtung bis zu dem Punkte am Ostufer des
Viktoria-Nyanzn weitergeführt zu werden, der vom 1. Grad südlicher Breite
getroffen wird. Deutschland verpflichtet sich, im Norden dieser Linie kein
Gebiet zu erwerben, keine Protektorate anzunehmen und der Ausbreitung eng¬
lischen Einflusses nicht entgegenzutreten, während England die gleiche Ver¬
pflichtung hinsichtlich der südlich von dieser Linie gelegnen Gebiete übernimmt."
Auch mit Portugal wurde am 3V. Dezember 1886 ein Vertrag abgeschlossen,
worin es hieß: „Die Grenzlinie zwischen den deutschen und den portugiesischen
Besitzungen in Ostafrika folgt dem Laufe des Rovuiua vo» seiner Mündung
bis zu dem Punkte, wo sich der Minje in ihn ergießt, und läuft von dort
uach dem Breitenparallel weiter bis zum Nyassn-See."

Inzwischen hatte sich die Ostafrikanische Gesellschaft eine neue Organisation
gegeben und hatte sich am 14. Dezember 1885 in eine Aktiengesellschaft ver¬
wandelt, die sich in eine Exekutive, einen Direktionsrat und eine Hauptver¬
sammlung gliederte. Die fernere Beteiligung des kleinen Kapitals wurde durch
die neuen Satzungen ausgeschlossen. Mitglieder sollten künftig nur die bisherigen
Besitzer von Anteilscheinen und die Übernehmer von solchen zu 10 000 Mark sein.
Die Exekutive sollte die Gesellschaft in allen Rechtsgeschäften vertreten und
die Beamten anstellen und entlassen. Sie wurde vom Direktionsrate gewählt,
der ans 21 bis 27 Mitgliedern bestand, das Budget feststellte und die gesamte
Geschäftsführung überwachte. Dazu kamen 3 Revisoren, mit der Pflicht, auf
die Beobachtung der Satzungen zu sehen, und denn Rechte, jederzeit Einsicht
in die Bücher, Rechnungen und Urkunden zu nehmen. Die Generalversamm¬
lung sollte regelmäßig einmal im Jahre berufen werden, um die Bilanz zu
genehmigen, über Verwendung der Überschüsse, Aufnahme von Anleihen,
Änderung der Statuten oder Auflösung der Gesellschaft zu beschließen und die
Revisoren sowie die Mehrzahl des Direktionsrates zu wählen, von den übrigen
Mitgliedern sollten einer durch die Seehandlung und drei dnrch den Reichs¬
kanzler ernannt werden, der durch einen Kommissar die Oberaufsicht über die
Gesellschaft ausübte. Diese neue Einrichtung stärkte das Vertrauen des Gro߬
kapitals zu der Gesellschaft, und sie besaß, nachdem sie bis Ende 1887 232
neue Anteilscheine zu 10 000 Mark abgesetzt hatte, ein Aktivvermögen von
31/2 Millionen.

Inzwischen hatte man sich aber anch überzeugt, daß einzelne deutsche
Landwirte die Bebauung ostafrikanischer Gegenden nicht übernehmen konnten;
ebenso war die Verwendung deutscher ländlicher Arbeiter hier abgeschlossen.
Die Ausbeutung des Landbesitzes der Gesellschaft mußte durch Körperschaften
in die Hand genommen werden, denen man das erworbne Land verkaufte,
während mau sich selbst fortan hauptsächlich mit der Organisation und Ver-


Grenzboten I 139» 8
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/65>, abgerufen am 23.07.2024.