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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Deutsch-Gstafrita

Landes, Otto starb daran, lind man beschloß, umzukehren. Pfeil blieb zur
Gründung einer ersten Station in Kiora znriick, Peters und Jiihlke reisten
nnter unsäglichen Beschwerden dnrch die Landschaften Ukami und Ukercive nach
dein Hafenort Bngamvho und von dort nach Sansibar zurück, wo sie an
Dezember tvieder eintrafen. Sie nieinten alle Ursache zu haben, auf ihre Arbeit
mit höchster Genugthuung zu blicken. Hatten sie ihrer Gesellschaft doch ein
Gebiet mit tropischer Ertragsfähigkeit verschafft, das ungefähr die Ausdehnung
des Königreichs Bniern besaß. Nur durfte man sich die Verträge nicht genau
ansehen, dnrch die das bewirkt worden war. Privatrechtlich fehlte ihnen jede
Grundlage, da Ackerland hier nicht dnrch Kauf, sondern dnrch thatsächliche
Bebauung Eigentum wird, und staatsrechtlich hatten sie geringe Bedeutung,
da einesteils die Macht der betreffenden Häuptlinge sehr beschränkt war, andern-
teils der Abschluß in mangelhafter Weise vor sich gegangen war. Peters er¬
zählt eine Probe davon selbst etwa folgendermaßen: "Nahten wir uns einem
Kraal, wo ein Kontrakt zu machen war, so pflegte ich mit denjenigen von meinen
Leuten, die irgend etwas von dem betreffenden Herrscher, seinen Schicksalen,
seinein Besitzstande mitteilen konnten, zusammen zu "inrschiren. Gerüchte von
meiner Macht "ut meinem Einflüsse waren vorher in Umlauf gesetzt worden.
Zogen wir in das Kraal ein, so knüpften wir sofort ein lordiales Verhältnis
an, indem wir den Häuptling zwischen uns ans ein Lager nahmen und von
beiden Seiten ihn mit den Armen umschlangen. Wir thaten einen Trunk guten
Grogs und brachten Se. Hoheit in die vergnügteste Stimmung. Dann wurden
Ehrengeschenke ausgetauscht, und nach dein Gelage begannen diplomatische Ver¬
handlungen, ans Grund deren ein Vertrag abgeschlossen wurde. (Der Wortlaut
eines solchen wird S. 11 unsrer Schrift abgedruckt.) War dies geschehen, so
hißten wir die deutsche Flagge und verlasen den schriftlich aufgesetzten Vertrag
iii deutscher Sprache, und ich hielt eine kurze Ansprache, in der ich die Besitz¬
nahme als solche vornahm, und die mit einem Hoch auf deu deutscheu Kaiser
schloß." Überall in diesen Gegenden Afrikas erfolgt die allgemeine Besitznahme
einer Landschaft in ähnlicher Art. Gestattet es der Häuptling, hier eine Flagge
ausznhissen, so unterwirft er sich damit samt seinen Unterthanen der neuen
Herrschaft und erlaubt den Fremden, sich anzusiedeln. Dazu bestimmt ihn aber
die Furcht vor ihnen, oder die Hoffnung auf reichlichen Gewinn für sich selbst,
oder das Vertrauen auf deu Schutz, den ihm die Weißen gegen räuberische
Nachbarn gewähren sollen, und fällt eine dieser Bedingungen im Laufe der Zeit
weg, so kümmert ihn der Vertrag nicht im mindesten mehr; er ist also schon
in dieser Hinsicht von zweifelhaftem Werte. Ferner wurde von Peters nie
gena" untersucht, ob die "Sultane," mit denen er verhandelte, weiter als bis
zu den nächsten Dörfern herrschten und verfilzen durften, als sie ganz Usegnha
"ut Usagara der deutschen Oberhoheit unterwarfen. Sie übergaben, wie in
allen Verträgen steht, den gesamten Privatbesit, ihrer Unterthanen zu aus-


Deutsch-Gstafrita

Landes, Otto starb daran, lind man beschloß, umzukehren. Pfeil blieb zur
Gründung einer ersten Station in Kiora znriick, Peters und Jiihlke reisten
nnter unsäglichen Beschwerden dnrch die Landschaften Ukami und Ukercive nach
dein Hafenort Bngamvho und von dort nach Sansibar zurück, wo sie an
Dezember tvieder eintrafen. Sie nieinten alle Ursache zu haben, auf ihre Arbeit
mit höchster Genugthuung zu blicken. Hatten sie ihrer Gesellschaft doch ein
Gebiet mit tropischer Ertragsfähigkeit verschafft, das ungefähr die Ausdehnung
des Königreichs Bniern besaß. Nur durfte man sich die Verträge nicht genau
ansehen, dnrch die das bewirkt worden war. Privatrechtlich fehlte ihnen jede
Grundlage, da Ackerland hier nicht dnrch Kauf, sondern dnrch thatsächliche
Bebauung Eigentum wird, und staatsrechtlich hatten sie geringe Bedeutung,
da einesteils die Macht der betreffenden Häuptlinge sehr beschränkt war, andern-
teils der Abschluß in mangelhafter Weise vor sich gegangen war. Peters er¬
zählt eine Probe davon selbst etwa folgendermaßen: „Nahten wir uns einem
Kraal, wo ein Kontrakt zu machen war, so pflegte ich mit denjenigen von meinen
Leuten, die irgend etwas von dem betreffenden Herrscher, seinen Schicksalen,
seinein Besitzstande mitteilen konnten, zusammen zu »inrschiren. Gerüchte von
meiner Macht »ut meinem Einflüsse waren vorher in Umlauf gesetzt worden.
Zogen wir in das Kraal ein, so knüpften wir sofort ein lordiales Verhältnis
an, indem wir den Häuptling zwischen uns ans ein Lager nahmen und von
beiden Seiten ihn mit den Armen umschlangen. Wir thaten einen Trunk guten
Grogs und brachten Se. Hoheit in die vergnügteste Stimmung. Dann wurden
Ehrengeschenke ausgetauscht, und nach dein Gelage begannen diplomatische Ver¬
handlungen, ans Grund deren ein Vertrag abgeschlossen wurde. (Der Wortlaut
eines solchen wird S. 11 unsrer Schrift abgedruckt.) War dies geschehen, so
hißten wir die deutsche Flagge und verlasen den schriftlich aufgesetzten Vertrag
iii deutscher Sprache, und ich hielt eine kurze Ansprache, in der ich die Besitz¬
nahme als solche vornahm, und die mit einem Hoch auf deu deutscheu Kaiser
schloß." Überall in diesen Gegenden Afrikas erfolgt die allgemeine Besitznahme
einer Landschaft in ähnlicher Art. Gestattet es der Häuptling, hier eine Flagge
ausznhissen, so unterwirft er sich damit samt seinen Unterthanen der neuen
Herrschaft und erlaubt den Fremden, sich anzusiedeln. Dazu bestimmt ihn aber
die Furcht vor ihnen, oder die Hoffnung auf reichlichen Gewinn für sich selbst,
oder das Vertrauen auf deu Schutz, den ihm die Weißen gegen räuberische
Nachbarn gewähren sollen, und fällt eine dieser Bedingungen im Laufe der Zeit
weg, so kümmert ihn der Vertrag nicht im mindesten mehr; er ist also schon
in dieser Hinsicht von zweifelhaftem Werte. Ferner wurde von Peters nie
gena» untersucht, ob die „Sultane," mit denen er verhandelte, weiter als bis
zu den nächsten Dörfern herrschten und verfilzen durften, als sie ganz Usegnha
»ut Usagara der deutschen Oberhoheit unterwarfen. Sie übergaben, wie in
allen Verträgen steht, den gesamten Privatbesit, ihrer Unterthanen zu aus-


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[0061] Deutsch-Gstafrita Landes, Otto starb daran, lind man beschloß, umzukehren. Pfeil blieb zur Gründung einer ersten Station in Kiora znriick, Peters und Jiihlke reisten nnter unsäglichen Beschwerden dnrch die Landschaften Ukami und Ukercive nach dein Hafenort Bngamvho und von dort nach Sansibar zurück, wo sie an Dezember tvieder eintrafen. Sie nieinten alle Ursache zu haben, auf ihre Arbeit mit höchster Genugthuung zu blicken. Hatten sie ihrer Gesellschaft doch ein Gebiet mit tropischer Ertragsfähigkeit verschafft, das ungefähr die Ausdehnung des Königreichs Bniern besaß. Nur durfte man sich die Verträge nicht genau ansehen, dnrch die das bewirkt worden war. Privatrechtlich fehlte ihnen jede Grundlage, da Ackerland hier nicht dnrch Kauf, sondern dnrch thatsächliche Bebauung Eigentum wird, und staatsrechtlich hatten sie geringe Bedeutung, da einesteils die Macht der betreffenden Häuptlinge sehr beschränkt war, andern- teils der Abschluß in mangelhafter Weise vor sich gegangen war. Peters er¬ zählt eine Probe davon selbst etwa folgendermaßen: „Nahten wir uns einem Kraal, wo ein Kontrakt zu machen war, so pflegte ich mit denjenigen von meinen Leuten, die irgend etwas von dem betreffenden Herrscher, seinen Schicksalen, seinein Besitzstande mitteilen konnten, zusammen zu »inrschiren. Gerüchte von meiner Macht »ut meinem Einflüsse waren vorher in Umlauf gesetzt worden. Zogen wir in das Kraal ein, so knüpften wir sofort ein lordiales Verhältnis an, indem wir den Häuptling zwischen uns ans ein Lager nahmen und von beiden Seiten ihn mit den Armen umschlangen. Wir thaten einen Trunk guten Grogs und brachten Se. Hoheit in die vergnügteste Stimmung. Dann wurden Ehrengeschenke ausgetauscht, und nach dein Gelage begannen diplomatische Ver¬ handlungen, ans Grund deren ein Vertrag abgeschlossen wurde. (Der Wortlaut eines solchen wird S. 11 unsrer Schrift abgedruckt.) War dies geschehen, so hißten wir die deutsche Flagge und verlasen den schriftlich aufgesetzten Vertrag iii deutscher Sprache, und ich hielt eine kurze Ansprache, in der ich die Besitz¬ nahme als solche vornahm, und die mit einem Hoch auf deu deutscheu Kaiser schloß." Überall in diesen Gegenden Afrikas erfolgt die allgemeine Besitznahme einer Landschaft in ähnlicher Art. Gestattet es der Häuptling, hier eine Flagge ausznhissen, so unterwirft er sich damit samt seinen Unterthanen der neuen Herrschaft und erlaubt den Fremden, sich anzusiedeln. Dazu bestimmt ihn aber die Furcht vor ihnen, oder die Hoffnung auf reichlichen Gewinn für sich selbst, oder das Vertrauen auf deu Schutz, den ihm die Weißen gegen räuberische Nachbarn gewähren sollen, und fällt eine dieser Bedingungen im Laufe der Zeit weg, so kümmert ihn der Vertrag nicht im mindesten mehr; er ist also schon in dieser Hinsicht von zweifelhaftem Werte. Ferner wurde von Peters nie gena» untersucht, ob die „Sultane," mit denen er verhandelte, weiter als bis zu den nächsten Dörfern herrschten und verfilzen durften, als sie ganz Usegnha »ut Usagara der deutschen Oberhoheit unterwarfen. Sie übergaben, wie in allen Verträgen steht, den gesamten Privatbesit, ihrer Unterthanen zu aus-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/61>, abgerufen am 23.07.2024.