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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Herr von Bismarck die Würde meines Vnndestcigsgescmdten bekleidet. Da jetzt der
Gesundheitszustand meines Gesandten an Elo. Majestät kaiserlichem Hofe, des Grasen
von Arnim, dessen zeitweilige Abwesenheit nötig gemacht hat, das Verhältnis unsrer
Höfe aber eine subalterne Vertretung nicht zuläßt, so habe ich Herrn von Bismarck
ausersehen, die Vioos für Graf Arnim während dessen Abwesenheit zu versehen.
Es ist mir ein befriedigender Gedanke, daß Ew. Majestät einen Mann kennen
lernen, der bei uns im Lande wegen seines ritterlich freien Gehorsams und seiner
UnVersöhnlichkeit gegen die Revoluzion bis in ihre Wurzeln hinein von vielen ver¬
ehrt, von manchen gehaßt wird. Er ist mein Freund und treuer Diener nud
kommt mit dem frischen, lebendigen und sympathischen Eindruck meiner Grundsätze,
meiner Handlungsweise, meines Willens, und ich setze hinzu meiner Liebe zu
Österreich und zu Ew. Majestät nach Wien. Er kann, wenn es der Mühe wert
gefunden wird, Ew. Majestät und Ihren höchsten Räten über viele Gegenstände
Rede und Autwort geben, wie wohl wenige imstande sind; denn wenn nicht uner¬
hörte, lang vorbereitete Mißverständnisse zu tief eingewurzelt sind, was Gott in
Gnaden verhüte, kann die kurze Zeit der Amtsführung in Wien wahrhaft segens¬
reich werden. Herr von Bismarck kommt aus Frankfurt, wo das, was die rhein-
buudschwnugern Mittelstaaten mit Entzücken die "Differenzen Österreichs und
Preußens" nennen, jederzeit seinen stärksten Widerhall und oft seine Quelle gehabt
hat, und er hat diese Dinge, das Treiben daselbst mit scharfem und richtigem Blick
beobachtet. Ich habe ihm befohlen, jede darauf gerichtete Frage Ew. Majestät
und Ihrer Minister so zu beantworten, als hätte ich sie selbst an ihn gerichtet.
Sollte es Ew. Majestät gefallen, von ihm Aufklärung über meine Auffassung und
meine Behandlung der hessischen Verfassungsangelegenheit zu verlange", so lebe
ich der Gewißheit, daß mein Betragen in diesen Dingen, wenn anch vielleicht nicht
das Glück Ihres Beifalls, doch sicher Ihre Achtung erringen wird. Die An¬
wesenheit des teuern und herrlichen Kaisers Nikolaus ist mir eine wahre Herz-
stärlüug gewesen. Die gewisse Bestätigung meiner alten und starken Hoffnung, daß
Ew. Majestät und ich in der Wahrheit einig sind: daß unsre dreifache, unerschütter¬
liche, gläubige und thatkräftige Eintracht allein Europa und das unartige und doch
so geliebte Teutsche Vaterland ans der jetzigen Krise retten könne, erfüllt mich mit
Dank gegen Gott und steigert die alte treue Liebe zu Ew. Majestät. Bewahren
auch Sie, mein teuerster Kaiser, nur Ihre Liebe aus den fabelhaften Tagen von
Tegernsee, und stärken Sie Ihr Vertrauen und Ihre so wichtige und so mächtige,
dem gemeinsamen Vaterlande so unentbehrliche Freundschaft zu mir! Dieser Freund-
schaft empfehle ich mich aus der Tiefe meines Herzens als Ew. Majestät innigst
ergebenster Onkel, Bruder und Freund.

Das Datum des Briefes ist der 5. Juni l352.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grnnvw in Leipzig
Bering von Fr. Wilh. Grnnow in Leipzig -- Druck von Carl Muräne-re in Leipzig
Maßgebliches und Unmaßgebliches

Herr von Bismarck die Würde meines Vnndestcigsgescmdten bekleidet. Da jetzt der
Gesundheitszustand meines Gesandten an Elo. Majestät kaiserlichem Hofe, des Grasen
von Arnim, dessen zeitweilige Abwesenheit nötig gemacht hat, das Verhältnis unsrer
Höfe aber eine subalterne Vertretung nicht zuläßt, so habe ich Herrn von Bismarck
ausersehen, die Vioos für Graf Arnim während dessen Abwesenheit zu versehen.
Es ist mir ein befriedigender Gedanke, daß Ew. Majestät einen Mann kennen
lernen, der bei uns im Lande wegen seines ritterlich freien Gehorsams und seiner
UnVersöhnlichkeit gegen die Revoluzion bis in ihre Wurzeln hinein von vielen ver¬
ehrt, von manchen gehaßt wird. Er ist mein Freund und treuer Diener nud
kommt mit dem frischen, lebendigen und sympathischen Eindruck meiner Grundsätze,
meiner Handlungsweise, meines Willens, und ich setze hinzu meiner Liebe zu
Österreich und zu Ew. Majestät nach Wien. Er kann, wenn es der Mühe wert
gefunden wird, Ew. Majestät und Ihren höchsten Räten über viele Gegenstände
Rede und Autwort geben, wie wohl wenige imstande sind; denn wenn nicht uner¬
hörte, lang vorbereitete Mißverständnisse zu tief eingewurzelt sind, was Gott in
Gnaden verhüte, kann die kurze Zeit der Amtsführung in Wien wahrhaft segens¬
reich werden. Herr von Bismarck kommt aus Frankfurt, wo das, was die rhein-
buudschwnugern Mittelstaaten mit Entzücken die „Differenzen Österreichs und
Preußens" nennen, jederzeit seinen stärksten Widerhall und oft seine Quelle gehabt
hat, und er hat diese Dinge, das Treiben daselbst mit scharfem und richtigem Blick
beobachtet. Ich habe ihm befohlen, jede darauf gerichtete Frage Ew. Majestät
und Ihrer Minister so zu beantworten, als hätte ich sie selbst an ihn gerichtet.
Sollte es Ew. Majestät gefallen, von ihm Aufklärung über meine Auffassung und
meine Behandlung der hessischen Verfassungsangelegenheit zu verlange», so lebe
ich der Gewißheit, daß mein Betragen in diesen Dingen, wenn anch vielleicht nicht
das Glück Ihres Beifalls, doch sicher Ihre Achtung erringen wird. Die An¬
wesenheit des teuern und herrlichen Kaisers Nikolaus ist mir eine wahre Herz-
stärlüug gewesen. Die gewisse Bestätigung meiner alten und starken Hoffnung, daß
Ew. Majestät und ich in der Wahrheit einig sind: daß unsre dreifache, unerschütter¬
liche, gläubige und thatkräftige Eintracht allein Europa und das unartige und doch
so geliebte Teutsche Vaterland ans der jetzigen Krise retten könne, erfüllt mich mit
Dank gegen Gott und steigert die alte treue Liebe zu Ew. Majestät. Bewahren
auch Sie, mein teuerster Kaiser, nur Ihre Liebe aus den fabelhaften Tagen von
Tegernsee, und stärken Sie Ihr Vertrauen und Ihre so wichtige und so mächtige,
dem gemeinsamen Vaterlande so unentbehrliche Freundschaft zu mir! Dieser Freund-
schaft empfehle ich mich aus der Tiefe meines Herzens als Ew. Majestät innigst
ergebenster Onkel, Bruder und Freund.

Das Datum des Briefes ist der 5. Juni l352.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grnnvw in Leipzig
Bering von Fr. Wilh. Grnnow in Leipzig — Druck von Carl Muräne-re in Leipzig
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[0592] Maßgebliches und Unmaßgebliches Herr von Bismarck die Würde meines Vnndestcigsgescmdten bekleidet. Da jetzt der Gesundheitszustand meines Gesandten an Elo. Majestät kaiserlichem Hofe, des Grasen von Arnim, dessen zeitweilige Abwesenheit nötig gemacht hat, das Verhältnis unsrer Höfe aber eine subalterne Vertretung nicht zuläßt, so habe ich Herrn von Bismarck ausersehen, die Vioos für Graf Arnim während dessen Abwesenheit zu versehen. Es ist mir ein befriedigender Gedanke, daß Ew. Majestät einen Mann kennen lernen, der bei uns im Lande wegen seines ritterlich freien Gehorsams und seiner UnVersöhnlichkeit gegen die Revoluzion bis in ihre Wurzeln hinein von vielen ver¬ ehrt, von manchen gehaßt wird. Er ist mein Freund und treuer Diener nud kommt mit dem frischen, lebendigen und sympathischen Eindruck meiner Grundsätze, meiner Handlungsweise, meines Willens, und ich setze hinzu meiner Liebe zu Österreich und zu Ew. Majestät nach Wien. Er kann, wenn es der Mühe wert gefunden wird, Ew. Majestät und Ihren höchsten Räten über viele Gegenstände Rede und Autwort geben, wie wohl wenige imstande sind; denn wenn nicht uner¬ hörte, lang vorbereitete Mißverständnisse zu tief eingewurzelt sind, was Gott in Gnaden verhüte, kann die kurze Zeit der Amtsführung in Wien wahrhaft segens¬ reich werden. Herr von Bismarck kommt aus Frankfurt, wo das, was die rhein- buudschwnugern Mittelstaaten mit Entzücken die „Differenzen Österreichs und Preußens" nennen, jederzeit seinen stärksten Widerhall und oft seine Quelle gehabt hat, und er hat diese Dinge, das Treiben daselbst mit scharfem und richtigem Blick beobachtet. Ich habe ihm befohlen, jede darauf gerichtete Frage Ew. Majestät und Ihrer Minister so zu beantworten, als hätte ich sie selbst an ihn gerichtet. Sollte es Ew. Majestät gefallen, von ihm Aufklärung über meine Auffassung und meine Behandlung der hessischen Verfassungsangelegenheit zu verlange», so lebe ich der Gewißheit, daß mein Betragen in diesen Dingen, wenn anch vielleicht nicht das Glück Ihres Beifalls, doch sicher Ihre Achtung erringen wird. Die An¬ wesenheit des teuern und herrlichen Kaisers Nikolaus ist mir eine wahre Herz- stärlüug gewesen. Die gewisse Bestätigung meiner alten und starken Hoffnung, daß Ew. Majestät und ich in der Wahrheit einig sind: daß unsre dreifache, unerschütter¬ liche, gläubige und thatkräftige Eintracht allein Europa und das unartige und doch so geliebte Teutsche Vaterland ans der jetzigen Krise retten könne, erfüllt mich mit Dank gegen Gott und steigert die alte treue Liebe zu Ew. Majestät. Bewahren auch Sie, mein teuerster Kaiser, nur Ihre Liebe aus den fabelhaften Tagen von Tegernsee, und stärken Sie Ihr Vertrauen und Ihre so wichtige und so mächtige, dem gemeinsamen Vaterlande so unentbehrliche Freundschaft zu mir! Dieser Freund- schaft empfehle ich mich aus der Tiefe meines Herzens als Ew. Majestät innigst ergebenster Onkel, Bruder und Freund. Das Datum des Briefes ist der 5. Juni l352. Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grnnvw in Leipzig Bering von Fr. Wilh. Grnnow in Leipzig — Druck von Carl Muräne-re in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/592>, abgerufen am 23.07.2024.