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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Heulsch-Mswfrika

Unternehmen sehr gewechselt: anfangs war die Erlverbllllg Ostafrikas in den
Augen vieler Verständigen ein Abenteuer, nach drei Jahren pries man sie als
glorreiche That, jetzt erscheint sie als ein ungenügend vorbereitetes, aber zuletzt
glücklich ergänztes Vorgehen. Man begann mit geringen Mitteln, und doch
wurde Kroßes geschaffen: bald aber zeigte sichs, daß man zu viel gewagt und
Unhaltbares aufgestellt hatte, lind nunmehr bedarf es zur Besserung der Ver¬
hältnisse nüchterner Erkenntnis und rücksichtslosen Eingestehens der begangenen
Fehler, wobei die Energie, mit der die Gründer zu Werke gingen, ihre Würdi¬
gung nicht einzubüßen braucht.

Den Anstoß zu der Bewegung, die sich zuletzt nach Ostafrika richtete, gab
Dr. Karl Peters, der später auch ihre hauptsächliche treibende Kraft wurde.
Zu Anfang des Jahres 1884 kehrte er nach längerm Aufenthalt in England,
wo er sich mit der Überzeugung von der Bedeutung einer Kolonialmacht für
Natioualreichtum und Weltstellung erfüllt und die geschickte und rührige Weise
der Engländer in Kolonialfragen kennen gelernt hatte, in die deutsche Heimat
zurück, wo er die eben aufflammende Begeisterung für deutsche Kolonien vor¬
fand und den Beschluß faßte, sich ihr schöpferisch zu widmen, d. h. ein wirk¬
liches Land für den Drang nach überseeischer Ansiedlung auszusuchen und zu
gewinnen. Für die Ausführung des Planes gab es noch kein Vorbild, und
das Werk mußte ganz aus Privatmitteln u"ternommen werden, da nach der
Entscheidung des Reichstags über die Smnvafrcige von dieser Seite für der¬
artige Dinge nichts zu hoffen war. Peters fand in Graf Behr-Bandelin einen
eifrige" Gesinnungsgenossen, und am 28. März 1884 gründeten beide in Berlin
die "Gesellschaft für deutsche Kolouisntivn." Es wurde ein Ausschuß voll
<) Mitgliedern eingesetzt, der am "i. April zusammentrat, um die Satzungen
zu entwerfe". Nach diesen war der Zweck der Gesellschaft die Gründung
deutscher Ackerbau- und Haiidelsuiederlassuugen über See durch Beschaffung
von Kapiwl, Auffindung und Erwerbung passender Landstriche und Hinlenkung
der deutschen Auswanderung nach ihnen. Die Aufnahme in die Gesellschaft
sollte jeder erlangen können, der einen Jahresbeitrag von mindestens 5 Mark
zahlte. Die Leitung der Geschäfte sollte einem Ausschüsse von höchstens
12 Mitgliedern übertragen werden, von denen "> durch die Hauptversammlung
und ebensoviele von diese" ersten <i zu wählen wäre". Diese Behörde sollte
alle inner" und äußern Angelegenheiten der Gesellschaft selbständig erledigen,
bindende Beschlüsse über alles, was ihren Zweck fördern könnte, fasse" und i"
ihrem Name" rechtskräftige Verträge schließe" dürfen. Der Ausschuß verfügt,
hieß es ferner, über die eingehende" Gelder für die Zwecke der Gesellschaft,
er wählt den Vorsitzenden, der seinerseits den Allsschnß beruft, der aber auch
ans Alitrag vo" dreien seiner Mitglieder versammelt werde" ka"", ""d zu
dessen Veschllißfähigteit die Anwesenheit von 5> Mitgliedern genügt. Änderung
der Satzungen oder Anflösmig der Gesellschaft lau" n"r uns Antrag des Alis-


Heulsch-Mswfrika

Unternehmen sehr gewechselt: anfangs war die Erlverbllllg Ostafrikas in den
Augen vieler Verständigen ein Abenteuer, nach drei Jahren pries man sie als
glorreiche That, jetzt erscheint sie als ein ungenügend vorbereitetes, aber zuletzt
glücklich ergänztes Vorgehen. Man begann mit geringen Mitteln, und doch
wurde Kroßes geschaffen: bald aber zeigte sichs, daß man zu viel gewagt und
Unhaltbares aufgestellt hatte, lind nunmehr bedarf es zur Besserung der Ver¬
hältnisse nüchterner Erkenntnis und rücksichtslosen Eingestehens der begangenen
Fehler, wobei die Energie, mit der die Gründer zu Werke gingen, ihre Würdi¬
gung nicht einzubüßen braucht.

Den Anstoß zu der Bewegung, die sich zuletzt nach Ostafrika richtete, gab
Dr. Karl Peters, der später auch ihre hauptsächliche treibende Kraft wurde.
Zu Anfang des Jahres 1884 kehrte er nach längerm Aufenthalt in England,
wo er sich mit der Überzeugung von der Bedeutung einer Kolonialmacht für
Natioualreichtum und Weltstellung erfüllt und die geschickte und rührige Weise
der Engländer in Kolonialfragen kennen gelernt hatte, in die deutsche Heimat
zurück, wo er die eben aufflammende Begeisterung für deutsche Kolonien vor¬
fand und den Beschluß faßte, sich ihr schöpferisch zu widmen, d. h. ein wirk¬
liches Land für den Drang nach überseeischer Ansiedlung auszusuchen und zu
gewinnen. Für die Ausführung des Planes gab es noch kein Vorbild, und
das Werk mußte ganz aus Privatmitteln u»ternommen werden, da nach der
Entscheidung des Reichstags über die Smnvafrcige von dieser Seite für der¬
artige Dinge nichts zu hoffen war. Peters fand in Graf Behr-Bandelin einen
eifrige» Gesinnungsgenossen, und am 28. März 1884 gründeten beide in Berlin
die „Gesellschaft für deutsche Kolouisntivn." Es wurde ein Ausschuß voll
<) Mitgliedern eingesetzt, der am «i. April zusammentrat, um die Satzungen
zu entwerfe». Nach diesen war der Zweck der Gesellschaft die Gründung
deutscher Ackerbau- und Haiidelsuiederlassuugen über See durch Beschaffung
von Kapiwl, Auffindung und Erwerbung passender Landstriche und Hinlenkung
der deutschen Auswanderung nach ihnen. Die Aufnahme in die Gesellschaft
sollte jeder erlangen können, der einen Jahresbeitrag von mindestens 5 Mark
zahlte. Die Leitung der Geschäfte sollte einem Ausschüsse von höchstens
12 Mitgliedern übertragen werden, von denen «> durch die Hauptversammlung
und ebensoviele von diese» ersten <i zu wählen wäre». Diese Behörde sollte
alle inner» und äußern Angelegenheiten der Gesellschaft selbständig erledigen,
bindende Beschlüsse über alles, was ihren Zweck fördern könnte, fasse» und i»
ihrem Name» rechtskräftige Verträge schließe» dürfen. Der Ausschuß verfügt,
hieß es ferner, über die eingehende» Gelder für die Zwecke der Gesellschaft,
er wählt den Vorsitzenden, der seinerseits den Allsschnß beruft, der aber auch
ans Alitrag vo» dreien seiner Mitglieder versammelt werde» ka»», »»d zu
dessen Veschllißfähigteit die Anwesenheit von 5> Mitgliedern genügt. Änderung
der Satzungen oder Anflösmig der Gesellschaft lau» n»r uns Antrag des Alis-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/58>, abgerufen am 23.07.2024.