Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.Mit dieser Predigt hat sich Redwitz geradezu lächerlich gemacht. Die einzige Der Kreisgerichtsrat Steffens in einem kleinen ostpreußischen Städtchen Grenzboten 1 13S0 71
Mit dieser Predigt hat sich Redwitz geradezu lächerlich gemacht. Die einzige Der Kreisgerichtsrat Steffens in einem kleinen ostpreußischen Städtchen Grenzboten 1 13S0 71
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Mit dieser Predigt hat sich Redwitz geradezu lächerlich gemacht. Die einzige
interessante Figur ist die des Robert Steffens, eines Strebers, der sich seines
Strebertums nicht bewußt ist. Ihr zuliebe wollen mir die Handlung des
Romans wenigstens in den Umrissen mitteilen.
Der Kreisgerichtsrat Steffens in einem kleinen ostpreußischen Städtchen
stirbt rasch infolge einer Lungenentzündung, die er sich im Dienste der Justiz
zugezogen hat. Er hat mit seiner Frau und drei Kindern von seinem Gehalte
in bescheidenen, aber befriedigenden Verhältnissen gelebt. Nun ist die ganze
Familie auf den Witweugehnlt von zweihundert Thälern angewiesen: zu viel
zum Sterben, zu wenig zum Leben, denn die zwei Sohne Rudolf und Robert
sind noch Gymnasiasten, Märchen kann nur gut Klavier spielen. Die Rätin
Steffens siedelt mit zwei Kindern, Klärchen und Rudolf, nach Königsberg
über. Viele Versuche, Geld zu erwerben, scheitern. Endlich findet die
Rätin im „Joannenm," einem Pensionat für sechs Gymnasiasten, das der
Direktor Weise eingerichtet hat, Unterkunft, Einkommen, Ruhe. Einen
der Knaben, eben jenen reichen Gutsbesitzerssohn, heiratet Klnrchen; ihr
Bruder Rudolf heiratet, nachdem er ein berühmter Arzt geworden ist, seine
Schwägerin Johanna. Der zweite Sohn der Rudin Steffens, eben jener
Robert, ist beim Kommerzienrat und Besitzer einer Spiunfabrik Bode im
kleinen Städtchen als Mentor und Studiengenosse dessen Sohnes Erwin
zurückgeblieben. Es wird uns oft versichert, daß er ein „Genie" sei.
Von dieser Genialität können wir aber nur eine Äußerung beobachten: seine
Unfähigkeit, zufrieden zu sein. Schon zu Vaters Lebzeiten hat er mit Neid
das Bodische Hans besucht, und »ach des Vaters Tode hat er sich von den
Seinigen, vor deren Not ihm graute, getrennt, um beim Millionär unterzukommen.
Dort hat ihn von Anfang an der Verdacht des Strebertums verfolgt, dem
er aber durch energisches Auftreten und tüchtige Leistungen zu begegnen ver¬
stand. Im deutsch-französischen Kriege (den kauu Redwitz immer noch nicht
entbehren! man sollte meinen, im „Haus Würtenberg" hätte er ihn genügend
verwertet) fällt sein Schützling Erwin Bode, und noch vor seinem Hingange
empfiehlt Erwin den Jugendfreund Robert den reichen Eltern aufs eindringlichste.
Robert also zieht ins Haus des Kommerzienrath, der indes bald stirbt, Gattin
und Tochter einzig dem Schutze Roberts überlassend. Schließlich heiratet
Robert die reiche Erbin, aber noch immer ist er nicht glücklich. Er verhärtet
in der Unruhe seines Innern nach außen, wird noch strenger als der ver¬
storbene Manchestermann Bode gegen die Fabrikarbeiter, das Gold befriedigt
ihn nicht, da ihm ein Leibeserbe versagt bleibt; seinen Geschwistern hat
er sich innerlich längst entfremdet, und schließlich führt ihn die Unselig-
keit seines Herzens zum Versuch des Selbstmords. Der Schwerverwundete
genest in eiuer kümmerlichen Arbeiterstube, wohin er nach seiner rasch ent¬
deckten That gebracht worden ist. Und hier bekehrt er sich denn auch zum
Grenzboten 1 13S0 71
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