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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Allerhand Sprachdummheiten

gelangt, dafür nur ein Beispiel, Wenn auf das als, das hinter einem
Komparativ steht, noch ein zweites als folgt, so behauptet der Schulmeister
^ ich habe es früher wenigstens so lernen müssen --, das erste als müsse
dann durch deun ersetzt werden, daß doppelte als sei häßlich; man dürfe also nicht
schreiben: er betrachtete und behandelte den jungen Mann mehr als Freund, als
als Untergebenen, sondern: mehr als Freund, denn als Untergebenen. Nun
kann ich mir nicht helfen: so oft ich ein solches denn als lese, merke ich
die Absicht und werde verstimmt. Ich sage mir jedesmal im stillen: dir ist also
auch auf der Schulbank die schöne Regel eingetrichtert worden, und ihr zuliebe
machst du nun diesen krampfhaften Seitensprung und gehst dem Einstieben und
Natürlichem aus dem Wege. Wenn das zweite als nicht folgte, fiele es ja gar
niemand ein, das denn hinterm Komparativ zu brauchen, weder mündlich noch
schriftlich; niemand würde sagen: er war dem jungen Manne mehr Freund,
denn Vorgesetzter. Dieses gesuchte, unnatürliche denn als verdrießt mich, so
oft ichs lese, tausendmal mehr als das doppelte als; das stört mich gar nicht,
denn es ist das Natürliche.

Ganz ähnlich oder eigentlich noch schlimmer verhält sichs nun mit einer
Abwechslung zwischen der und welcher, die allgemein für eine besondre Schön¬
heit gehalten wird. Wenn sie nicht dafür gälte, würde man ihr nicht täglich
begegnen. Aber täglich muß man Sätze lesen, wie: auf Spaziergängen ent¬
standen 1764 die ersten Zeichnungen nach der Natur, die der Vater sorgsam
bewahrte, und welche dem trefflichen Seekatz ein Bedauern entlockten --
das Allegro und das Scherzo fanden nicht das Maß vou Beifall, welches
wir erwartet hatten, und das sie verdienen -- jeder Besitzer eines Grund¬
stückes, welches mindestens zu einem Grundsteuerertrag von 200 Mark einge¬
schätzt ist und das mindestens einen Taxwert von 10000 Mark hat -- lehr¬
reich ist die Niederschrift auch durch die Korrekturen, welche der Komponist
selbst darin vorgenommen hat, und die sich nicht nur im Andern einzelner
Noten zeigen, sondern u. s. w. -- es hat das tiefere Ursachen, um die sich das
Publikum freilich nicht kümmert, welche aber die dramatischen Dichter be¬
achten sollten -- in einen weiten Hausflur mündete die Treppe, welche in die
obern Stockwerke führte, und die man gern als Wendeltreppe gestaltete --
der Trinkspruch, den der Zar ausbrachte, und in welchem er den Fürsten
mis einzigen Freund Rußlands bezeichnete -- ich erinnere mich noch einer
Konferenz mit den Ausschußmitgliedern, welche in meiner Arbeitsstube in
Koburg stattfand und bei der es fast den Anschein gewann u. s. w. Es ist
kein Zweifel: in allen diesen Fällen liegt kein zufälliger, sondern ein absichtlicher
Wechsel vor; alle, die so schreiben, glauben eine besondre stilistische Feinheit
anzubringen, sie bilden sich ein, wenn zwei (oder mehr) Relativsätze sich an
und dasselbe Wort anschließen, so müsse man mit dem Relativpronomen
Wechseln. Aber genau dus Gegenteil ist das Richtige! Mir ist es jederzeit un-


Allerhand Sprachdummheiten

gelangt, dafür nur ein Beispiel, Wenn auf das als, das hinter einem
Komparativ steht, noch ein zweites als folgt, so behauptet der Schulmeister
^ ich habe es früher wenigstens so lernen müssen —, das erste als müsse
dann durch deun ersetzt werden, daß doppelte als sei häßlich; man dürfe also nicht
schreiben: er betrachtete und behandelte den jungen Mann mehr als Freund, als
als Untergebenen, sondern: mehr als Freund, denn als Untergebenen. Nun
kann ich mir nicht helfen: so oft ich ein solches denn als lese, merke ich
die Absicht und werde verstimmt. Ich sage mir jedesmal im stillen: dir ist also
auch auf der Schulbank die schöne Regel eingetrichtert worden, und ihr zuliebe
machst du nun diesen krampfhaften Seitensprung und gehst dem Einstieben und
Natürlichem aus dem Wege. Wenn das zweite als nicht folgte, fiele es ja gar
niemand ein, das denn hinterm Komparativ zu brauchen, weder mündlich noch
schriftlich; niemand würde sagen: er war dem jungen Manne mehr Freund,
denn Vorgesetzter. Dieses gesuchte, unnatürliche denn als verdrießt mich, so
oft ichs lese, tausendmal mehr als das doppelte als; das stört mich gar nicht,
denn es ist das Natürliche.

Ganz ähnlich oder eigentlich noch schlimmer verhält sichs nun mit einer
Abwechslung zwischen der und welcher, die allgemein für eine besondre Schön¬
heit gehalten wird. Wenn sie nicht dafür gälte, würde man ihr nicht täglich
begegnen. Aber täglich muß man Sätze lesen, wie: auf Spaziergängen ent¬
standen 1764 die ersten Zeichnungen nach der Natur, die der Vater sorgsam
bewahrte, und welche dem trefflichen Seekatz ein Bedauern entlockten —
das Allegro und das Scherzo fanden nicht das Maß vou Beifall, welches
wir erwartet hatten, und das sie verdienen — jeder Besitzer eines Grund¬
stückes, welches mindestens zu einem Grundsteuerertrag von 200 Mark einge¬
schätzt ist und das mindestens einen Taxwert von 10000 Mark hat — lehr¬
reich ist die Niederschrift auch durch die Korrekturen, welche der Komponist
selbst darin vorgenommen hat, und die sich nicht nur im Andern einzelner
Noten zeigen, sondern u. s. w. — es hat das tiefere Ursachen, um die sich das
Publikum freilich nicht kümmert, welche aber die dramatischen Dichter be¬
achten sollten — in einen weiten Hausflur mündete die Treppe, welche in die
obern Stockwerke führte, und die man gern als Wendeltreppe gestaltete —
der Trinkspruch, den der Zar ausbrachte, und in welchem er den Fürsten
mis einzigen Freund Rußlands bezeichnete — ich erinnere mich noch einer
Konferenz mit den Ausschußmitgliedern, welche in meiner Arbeitsstube in
Koburg stattfand und bei der es fast den Anschein gewann u. s. w. Es ist
kein Zweifel: in allen diesen Fällen liegt kein zufälliger, sondern ein absichtlicher
Wechsel vor; alle, die so schreiben, glauben eine besondre stilistische Feinheit
anzubringen, sie bilden sich ein, wenn zwei (oder mehr) Relativsätze sich an
und dasselbe Wort anschließen, so müsse man mit dem Relativpronomen
Wechseln. Aber genau dus Gegenteil ist das Richtige! Mir ist es jederzeit un-


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[0523] Allerhand Sprachdummheiten gelangt, dafür nur ein Beispiel, Wenn auf das als, das hinter einem Komparativ steht, noch ein zweites als folgt, so behauptet der Schulmeister ^ ich habe es früher wenigstens so lernen müssen —, das erste als müsse dann durch deun ersetzt werden, daß doppelte als sei häßlich; man dürfe also nicht schreiben: er betrachtete und behandelte den jungen Mann mehr als Freund, als als Untergebenen, sondern: mehr als Freund, denn als Untergebenen. Nun kann ich mir nicht helfen: so oft ich ein solches denn als lese, merke ich die Absicht und werde verstimmt. Ich sage mir jedesmal im stillen: dir ist also auch auf der Schulbank die schöne Regel eingetrichtert worden, und ihr zuliebe machst du nun diesen krampfhaften Seitensprung und gehst dem Einstieben und Natürlichem aus dem Wege. Wenn das zweite als nicht folgte, fiele es ja gar niemand ein, das denn hinterm Komparativ zu brauchen, weder mündlich noch schriftlich; niemand würde sagen: er war dem jungen Manne mehr Freund, denn Vorgesetzter. Dieses gesuchte, unnatürliche denn als verdrießt mich, so oft ichs lese, tausendmal mehr als das doppelte als; das stört mich gar nicht, denn es ist das Natürliche. Ganz ähnlich oder eigentlich noch schlimmer verhält sichs nun mit einer Abwechslung zwischen der und welcher, die allgemein für eine besondre Schön¬ heit gehalten wird. Wenn sie nicht dafür gälte, würde man ihr nicht täglich begegnen. Aber täglich muß man Sätze lesen, wie: auf Spaziergängen ent¬ standen 1764 die ersten Zeichnungen nach der Natur, die der Vater sorgsam bewahrte, und welche dem trefflichen Seekatz ein Bedauern entlockten — das Allegro und das Scherzo fanden nicht das Maß vou Beifall, welches wir erwartet hatten, und das sie verdienen — jeder Besitzer eines Grund¬ stückes, welches mindestens zu einem Grundsteuerertrag von 200 Mark einge¬ schätzt ist und das mindestens einen Taxwert von 10000 Mark hat — lehr¬ reich ist die Niederschrift auch durch die Korrekturen, welche der Komponist selbst darin vorgenommen hat, und die sich nicht nur im Andern einzelner Noten zeigen, sondern u. s. w. — es hat das tiefere Ursachen, um die sich das Publikum freilich nicht kümmert, welche aber die dramatischen Dichter be¬ achten sollten — in einen weiten Hausflur mündete die Treppe, welche in die obern Stockwerke führte, und die man gern als Wendeltreppe gestaltete — der Trinkspruch, den der Zar ausbrachte, und in welchem er den Fürsten mis einzigen Freund Rußlands bezeichnete — ich erinnere mich noch einer Konferenz mit den Ausschußmitgliedern, welche in meiner Arbeitsstube in Koburg stattfand und bei der es fast den Anschein gewann u. s. w. Es ist kein Zweifel: in allen diesen Fällen liegt kein zufälliger, sondern ein absichtlicher Wechsel vor; alle, die so schreiben, glauben eine besondre stilistische Feinheit anzubringen, sie bilden sich ein, wenn zwei (oder mehr) Relativsätze sich an und dasselbe Wort anschließen, so müsse man mit dem Relativpronomen Wechseln. Aber genau dus Gegenteil ist das Richtige! Mir ist es jederzeit un-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/523>, abgerufen am 23.07.2024.