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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Ein (Original aus den Befreiungskriegen

Das Gesamturteil über sein Stadtkommcmdv faßt das Tafellied in die Strophe
zusammen:


Hielt er nicht auf Ordnung? Hielt er nicht auf Recht?
Als er das Kommando hier führte?
Gings nicht dem Verbrecher gottsjämmerlich schlecht,
Und straft' er nicht, wie sich's gebührte?
Wohl war es gar komisch, was oft er befahl,
Doch zwecklos und schädlich kein einzigesmal.

Der Rat hatte ihn schon 1814 bei der Niederlegung seines Stadt¬
kommandos durch Verleihung des Ehrenbürgerrechts ausgezeichnet. "Wir
bitten ihn -- heißt es in dem Bürgerbriefe -- solches als ein Zeichen der
aufrichtigste"? Dankbarkeit für seine um die Stadt erworbenen großen und
mannichfaltigen Verdienste, seinen rastlose" Eifer für das gemeine Beste, sein
wohlwollendes Bestreben, jede nicht abzuwendende Last zu erleichtern, seine
Gerechtigkeit und Uneigennützigkeit geneigt anzunehmen, mit der Versicherung,
daß sein Andenken uns und unsern Mitbürgern unvergeßlich und sein Wohl
und die Fortdauer seiner freundschaftlichen Gesinnungen der Gegenstand un¬
serer innigen Wünsche bleiben wird." Damit war sicherlich den Anschauungen
und Empfindungen des größten Teiles der Leipziger Bürgerschaft Ausdruck gegeben.

Der Leser wird den Wunsch haben, auch über das sonstige Leben dieses
merkwürdigen Mannes etwas näheres zu erfahren. Was für ein Landsmann war
er? welche Laufbahn ging seiner Leipziger Zeit voraus? welche folgte ihr? wie
kam er zu seiner Leipziger Stellung? was hat er als Soldat geleistet? hat
er sich im Kampfe ausgezeichnet? wann und wo ist er gestorben? Daß wir
auf diese Fragen eine Antwort haben, verdanken wir nicht etwa der russischen
Kriegsgeschichte, die seinen Namen nur selten und beiläufig nennt, sondern
einem besondern Umstände. Im Sommer 1859 kam ein Sohn Prendels,
Alexander von Preudel, aus Rußland nach Deutschland und besuchte auch Leipzig.
In den Tagen, wo er sich in Leipzig aufhielt, veröffentlichte er im Leipziger
Tageblatt (21. Juli 1859) eiuen "Gruß an Leipzig" im Namen und Auf¬
trage seines verstorbenen Vaters. "Als ich meinen Vater -- schreibt er --
das letztemal umarmte, sagte er zu mir: Wenn dich deine künftigen Schicksale
zufällig nach Sachsen führen sollten, so grüße dort aufs freundlichste meine
Freunde und Bekannten, an welche ich mich stets mit Erkeimtlichkeit und
besonderer Vorliebe erinnert habe." Zugleich überbrachte er der Redaktion
einen von einem gewissen Peter Sakowitsch verfaßten Lebensabriß seines Vaters,
der dann in drei Nummern des Tageblattes (28.-30. Juli) abgedruckt wurde.
Wäre diese Darstellung nicht vorhanden, so würde man über Preudels Leben
außer seiner Wirksamkeit in Leipzig nicht das geringste wissen. Man ist er¬
staunt, zu sehen, in welch einen Lebensgang sich die kurze Spanne seiner
Leipziger Zeit einfügt.


Ein (Original aus den Befreiungskriegen

Das Gesamturteil über sein Stadtkommcmdv faßt das Tafellied in die Strophe
zusammen:


Hielt er nicht auf Ordnung? Hielt er nicht auf Recht?
Als er das Kommando hier führte?
Gings nicht dem Verbrecher gottsjämmerlich schlecht,
Und straft' er nicht, wie sich's gebührte?
Wohl war es gar komisch, was oft er befahl,
Doch zwecklos und schädlich kein einzigesmal.

Der Rat hatte ihn schon 1814 bei der Niederlegung seines Stadt¬
kommandos durch Verleihung des Ehrenbürgerrechts ausgezeichnet. „Wir
bitten ihn — heißt es in dem Bürgerbriefe — solches als ein Zeichen der
aufrichtigste»? Dankbarkeit für seine um die Stadt erworbenen großen und
mannichfaltigen Verdienste, seinen rastlose» Eifer für das gemeine Beste, sein
wohlwollendes Bestreben, jede nicht abzuwendende Last zu erleichtern, seine
Gerechtigkeit und Uneigennützigkeit geneigt anzunehmen, mit der Versicherung,
daß sein Andenken uns und unsern Mitbürgern unvergeßlich und sein Wohl
und die Fortdauer seiner freundschaftlichen Gesinnungen der Gegenstand un¬
serer innigen Wünsche bleiben wird." Damit war sicherlich den Anschauungen
und Empfindungen des größten Teiles der Leipziger Bürgerschaft Ausdruck gegeben.

Der Leser wird den Wunsch haben, auch über das sonstige Leben dieses
merkwürdigen Mannes etwas näheres zu erfahren. Was für ein Landsmann war
er? welche Laufbahn ging seiner Leipziger Zeit voraus? welche folgte ihr? wie
kam er zu seiner Leipziger Stellung? was hat er als Soldat geleistet? hat
er sich im Kampfe ausgezeichnet? wann und wo ist er gestorben? Daß wir
auf diese Fragen eine Antwort haben, verdanken wir nicht etwa der russischen
Kriegsgeschichte, die seinen Namen nur selten und beiläufig nennt, sondern
einem besondern Umstände. Im Sommer 1859 kam ein Sohn Prendels,
Alexander von Preudel, aus Rußland nach Deutschland und besuchte auch Leipzig.
In den Tagen, wo er sich in Leipzig aufhielt, veröffentlichte er im Leipziger
Tageblatt (21. Juli 1859) eiuen „Gruß an Leipzig" im Namen und Auf¬
trage seines verstorbenen Vaters. „Als ich meinen Vater — schreibt er —
das letztemal umarmte, sagte er zu mir: Wenn dich deine künftigen Schicksale
zufällig nach Sachsen führen sollten, so grüße dort aufs freundlichste meine
Freunde und Bekannten, an welche ich mich stets mit Erkeimtlichkeit und
besonderer Vorliebe erinnert habe." Zugleich überbrachte er der Redaktion
einen von einem gewissen Peter Sakowitsch verfaßten Lebensabriß seines Vaters,
der dann in drei Nummern des Tageblattes (28.-30. Juli) abgedruckt wurde.
Wäre diese Darstellung nicht vorhanden, so würde man über Preudels Leben
außer seiner Wirksamkeit in Leipzig nicht das geringste wissen. Man ist er¬
staunt, zu sehen, in welch einen Lebensgang sich die kurze Spanne seiner
Leipziger Zeit einfügt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/517>, abgerufen am 23.07.2024.