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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Lin Original aus den Befreiungskriegen

Kahserl. Obersten Herrn von Prendel dictirten Strafen betr. Aus dem Akten¬
stück geht hervor, wie Prendel ohne Ansehen der Person, gegen Hoch und
Niedrig, seine Anordnungen aufrecht erhielt. Oft schickt er einen eigenhändigen
lakonischer Zettel aufs Rathaus, mit der Weisung, von dem oder jenem
10 Thaler Strafe für Unterlassung der gehörigen Quartieranzeige einzutreiben
(Herr Conthard bezahlen auf dem Rathhause die 10 Thaller Strafe, schreibt
er einfach). Im Juli 1815 ist ein Quartierträger einen einquartierten Offizier
fünf Tage früher losgeworden, als sein Zettel besagte, und hat keine Anzeige
gemacht. Prendel vermutet betrügerische Absicht und schreibt dein Stadt¬
schreiber: "Ich bitte Sie, zum beispiel der übrigen, den quartier Trüger um
5 Thaller in die armen (Ässg. zu verdammen und nicht abzugehen, denn ich be¬
stehe hartnäkig darauf." Bisweilen nimmt er aber auch das Geld gleich
selber ein und schickt es bar aufs Rathaus! Im März 1814 schreibt er: "Ich
war fo eben auf dem Brühl und habe vor dem gasthvf zu die 3 Schwärmen
einen fuhrmanns wagen quer der Strasse gefunden, daher den gast Wirth so¬
gleich andeute" lassen, sich ungesäumt ans den Rath zu verfügen und dort
5 Thaller Strafe für das armen Hause zu erlegen. Ich ersuche, wenn erwähnter
gast würth nicht sogleich selbst tönt, ihme abHollen und die 5 Thaller ohne Barm¬
herzigkeit bezahlen zu lassen." Einen Auflüder schickt er mit einem Zettel an den
Stadtschreiber: "Ich überlasse diese Straffe dem Herr Stadt Schreiber auf
seiner Seele"; der arme Bursche kam mit einem Thaler weg. Der Barfuß-
müller hat einmal schlechtes Malz ins Lazareth geliefert, obwohl er gute Gerste
bekommen hatte; auch da regnet es ohne Gnade 10 Thaler Strafe, obgleich
die vereidigten Mälzer die Sache zu Gunsten des Angeschuldigten zu wenden
versuche". Ein andermal schickt er einen Zettel wegen eines Malers Maul
aufs Rathaus: "Den Mahler Maul -- für sein loses Maul -- ersuche die
noch schuldige 5 Thaller abnehmen und in die Armen Cassa abgeben zu lassen,
damit der Schwindler nicht glaube, das man sein Geld brauche. Nachher
kann selber entlassen werden." Im August 1814 hat er Sonntags einen
Böttcher auf der Gasse arbeiten sehen; sofort macht er Anzeige auf dem Rat¬
hause, und der Böttcher wird mit einem Neuschock bestraft. Im Oktober fährt
er einmal zum äußern Petersthor hinaus und findet bei seiner Rückkehr das
Thor durch Holzwagen verfahren, obwohl ihn die Thvrwärter hatten hinaus¬
fahren sehen. Wieder macht er Anzeige und schreibt: "Ich habe nur eine
Frage -- wenn diese <z1a8s<z Menschen nicht einmal gegen mich Rücksicht haben,
wie werden sie sich gegen andere und gegen Reisende betragen? -- Ich bitte
einen Hochedlen Rath den an oberwühntem äußern Petersthor schuldtragenden
ohne Rücksicht strenge bestrafen zu lassen, indem die Sache Bezug zum all¬
gemeinen Besten hat." Seinen höchsten Zorn erregt ein Schneider, der ihm
für fein Söhnchen einen Mantel gefertigt und dafür über 14 Thaler be¬
rechnet hat. Da schickt er Rechnung und Mantel dem Stadtschreiber und


Lin Original aus den Befreiungskriegen

Kahserl. Obersten Herrn von Prendel dictirten Strafen betr. Aus dem Akten¬
stück geht hervor, wie Prendel ohne Ansehen der Person, gegen Hoch und
Niedrig, seine Anordnungen aufrecht erhielt. Oft schickt er einen eigenhändigen
lakonischer Zettel aufs Rathaus, mit der Weisung, von dem oder jenem
10 Thaler Strafe für Unterlassung der gehörigen Quartieranzeige einzutreiben
(Herr Conthard bezahlen auf dem Rathhause die 10 Thaller Strafe, schreibt
er einfach). Im Juli 1815 ist ein Quartierträger einen einquartierten Offizier
fünf Tage früher losgeworden, als sein Zettel besagte, und hat keine Anzeige
gemacht. Prendel vermutet betrügerische Absicht und schreibt dein Stadt¬
schreiber: „Ich bitte Sie, zum beispiel der übrigen, den quartier Trüger um
5 Thaller in die armen (Ässg. zu verdammen und nicht abzugehen, denn ich be¬
stehe hartnäkig darauf." Bisweilen nimmt er aber auch das Geld gleich
selber ein und schickt es bar aufs Rathaus! Im März 1814 schreibt er: „Ich
war fo eben auf dem Brühl und habe vor dem gasthvf zu die 3 Schwärmen
einen fuhrmanns wagen quer der Strasse gefunden, daher den gast Wirth so¬
gleich andeute» lassen, sich ungesäumt ans den Rath zu verfügen und dort
5 Thaller Strafe für das armen Hause zu erlegen. Ich ersuche, wenn erwähnter
gast würth nicht sogleich selbst tönt, ihme abHollen und die 5 Thaller ohne Barm¬
herzigkeit bezahlen zu lassen." Einen Auflüder schickt er mit einem Zettel an den
Stadtschreiber: „Ich überlasse diese Straffe dem Herr Stadt Schreiber auf
seiner Seele"; der arme Bursche kam mit einem Thaler weg. Der Barfuß-
müller hat einmal schlechtes Malz ins Lazareth geliefert, obwohl er gute Gerste
bekommen hatte; auch da regnet es ohne Gnade 10 Thaler Strafe, obgleich
die vereidigten Mälzer die Sache zu Gunsten des Angeschuldigten zu wenden
versuche». Ein andermal schickt er einen Zettel wegen eines Malers Maul
aufs Rathaus: „Den Mahler Maul — für sein loses Maul — ersuche die
noch schuldige 5 Thaller abnehmen und in die Armen Cassa abgeben zu lassen,
damit der Schwindler nicht glaube, das man sein Geld brauche. Nachher
kann selber entlassen werden." Im August 1814 hat er Sonntags einen
Böttcher auf der Gasse arbeiten sehen; sofort macht er Anzeige auf dem Rat¬
hause, und der Böttcher wird mit einem Neuschock bestraft. Im Oktober fährt
er einmal zum äußern Petersthor hinaus und findet bei seiner Rückkehr das
Thor durch Holzwagen verfahren, obwohl ihn die Thvrwärter hatten hinaus¬
fahren sehen. Wieder macht er Anzeige und schreibt: „Ich habe nur eine
Frage — wenn diese <z1a8s<z Menschen nicht einmal gegen mich Rücksicht haben,
wie werden sie sich gegen andere und gegen Reisende betragen? — Ich bitte
einen Hochedlen Rath den an oberwühntem äußern Petersthor schuldtragenden
ohne Rücksicht strenge bestrafen zu lassen, indem die Sache Bezug zum all¬
gemeinen Besten hat." Seinen höchsten Zorn erregt ein Schneider, der ihm
für fein Söhnchen einen Mantel gefertigt und dafür über 14 Thaler be¬
rechnet hat. Da schickt er Rechnung und Mantel dem Stadtschreiber und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/515>, abgerufen am 23.07.2024.