Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

das von dem Händler aufgehängte Wild, wie ich es so oft thue, um zu sehen,
ob etwas Besondres darunter sei. Und wer steht gleichfalls da? Mathem.

Wir begrüßten uns wie alte Bekannte. Es muß auf Ludwigsholm Jagd
gewesen sein; sie verkaufen ihr ganzes Wild an Hansen hier, und ich sehe auch,
daß der Förster dem alten Reh dort sein Siegel aufgedrückt hat. Der Amts¬
verwalter wird es geschossen haben.

Weshalb glauben Sie das?

Weil es keinem andern auf der Ludwigsholmer Jagd beikommen konnte,
so ein altes Reh zu schießen; es wird ihm aber auch seinen Doppelthaler ge¬
kostet haben.

Dort hängt übrigens ein tüchtiger Kerl von einem Damhirsch, sagte ich.

Der ist auf der Pfaffenwiese geschossen.

Meinen Sie?

Ja, sonst giebt es kein Damwild auf Ludwigsholm. Heiliges Donner¬
wetter, den hat der Förster selbst geschossen!

Sagen Sie mir in aller Welt, woher wollen Sie das wissen?

Das will ich Ihnen erklären. Der Förster hat in manchen Dingen seinen
eignen .Kopf. Sehen Sie. der Hirsch ist ins Blatt geschossen, das thut man
sonst nur mit Kronwild, der Förster aber fängt auch Damwild auf diese
Weise ab.

Und wer hat denn den Bock dort geschossen? fragte ich Spaßes halber,
ohne eine Antwort zu erwarten-

Madsen drehte den Bock um und um, betrachtete ihn aufmerksam und
entgegnete dann mit großem Ernst: Das hat auf Ehre der Gutsherr selbst
gethan.

Wie ist es möglich, das zu beurteilen?

Nichts leichter als das. Auf Ludwigsholm pürscht niemand, als der
Gutsherr selbst, und hier, sehen Sie her, der Bock hat eine nette Blattkugel
bekommen. Ja, er schießt gut, hat aber auch eine prachtvolle Flinte.

Ich mußte Mathem über seinen Scharfsinn mein aufrichtiges Kompliment
machen.

Was ist da weiter, sagte er, wozu hat mau denn seine Augen, als um
zu sehen, und zur Zeit habe ich weiter nichts zu thun, als mich umzusehen
und zu spekuliren.

Es ist Ihnen also noch nicht gelungen, wieder festen Fuß zu fassen?

Nein, eigentlich habe ich noch nichts Festes gefunden; aber ich gehe
immer und spekulire auf etwas.

Verfolgen Sie auch genau die Gesuche in den Tagesblättern? Es wäre
doch möglich, dort etwas zu entdecken, was für Sie passen könnte.

Nein, Zeitungen lese ich nie. Sie enthalten fast nur Lügen, und selbst
wenn einmal etwas Wahres darin stünde, so kann es mir doch wahrlich ganz


Grenzboten I 1890 "0

das von dem Händler aufgehängte Wild, wie ich es so oft thue, um zu sehen,
ob etwas Besondres darunter sei. Und wer steht gleichfalls da? Mathem.

Wir begrüßten uns wie alte Bekannte. Es muß auf Ludwigsholm Jagd
gewesen sein; sie verkaufen ihr ganzes Wild an Hansen hier, und ich sehe auch,
daß der Förster dem alten Reh dort sein Siegel aufgedrückt hat. Der Amts¬
verwalter wird es geschossen haben.

Weshalb glauben Sie das?

Weil es keinem andern auf der Ludwigsholmer Jagd beikommen konnte,
so ein altes Reh zu schießen; es wird ihm aber auch seinen Doppelthaler ge¬
kostet haben.

Dort hängt übrigens ein tüchtiger Kerl von einem Damhirsch, sagte ich.

Der ist auf der Pfaffenwiese geschossen.

Meinen Sie?

Ja, sonst giebt es kein Damwild auf Ludwigsholm. Heiliges Donner¬
wetter, den hat der Förster selbst geschossen!

Sagen Sie mir in aller Welt, woher wollen Sie das wissen?

Das will ich Ihnen erklären. Der Förster hat in manchen Dingen seinen
eignen .Kopf. Sehen Sie. der Hirsch ist ins Blatt geschossen, das thut man
sonst nur mit Kronwild, der Förster aber fängt auch Damwild auf diese
Weise ab.

Und wer hat denn den Bock dort geschossen? fragte ich Spaßes halber,
ohne eine Antwort zu erwarten-

Madsen drehte den Bock um und um, betrachtete ihn aufmerksam und
entgegnete dann mit großem Ernst: Das hat auf Ehre der Gutsherr selbst
gethan.

Wie ist es möglich, das zu beurteilen?

Nichts leichter als das. Auf Ludwigsholm pürscht niemand, als der
Gutsherr selbst, und hier, sehen Sie her, der Bock hat eine nette Blattkugel
bekommen. Ja, er schießt gut, hat aber auch eine prachtvolle Flinte.

Ich mußte Mathem über seinen Scharfsinn mein aufrichtiges Kompliment
machen.

Was ist da weiter, sagte er, wozu hat mau denn seine Augen, als um
zu sehen, und zur Zeit habe ich weiter nichts zu thun, als mich umzusehen
und zu spekuliren.

Es ist Ihnen also noch nicht gelungen, wieder festen Fuß zu fassen?

Nein, eigentlich habe ich noch nichts Festes gefunden; aber ich gehe
immer und spekulire auf etwas.

Verfolgen Sie auch genau die Gesuche in den Tagesblättern? Es wäre
doch möglich, dort etwas zu entdecken, was für Sie passen könnte.

Nein, Zeitungen lese ich nie. Sie enthalten fast nur Lügen, und selbst
wenn einmal etwas Wahres darin stünde, so kann es mir doch wahrlich ganz


Grenzboten I 1890 «0
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0481" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/207126"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_1330" prev="#ID_1329"> das von dem Händler aufgehängte Wild, wie ich es so oft thue, um zu sehen,<lb/>
ob etwas Besondres darunter sei.  Und wer steht gleichfalls da? Mathem.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1331"> Wir begrüßten uns wie alte Bekannte. Es muß auf Ludwigsholm Jagd<lb/>
gewesen sein; sie verkaufen ihr ganzes Wild an Hansen hier, und ich sehe auch,<lb/>
daß der Förster dem alten Reh dort sein Siegel aufgedrückt hat. Der Amts¬<lb/>
verwalter wird es geschossen haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1332"> Weshalb glauben Sie das?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1333"> Weil es keinem andern auf der Ludwigsholmer Jagd beikommen konnte,<lb/>
so ein altes Reh zu schießen; es wird ihm aber auch seinen Doppelthaler ge¬<lb/>
kostet haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1334"> Dort hängt übrigens ein tüchtiger Kerl von einem Damhirsch, sagte ich.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1335"> Der ist auf der Pfaffenwiese geschossen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1336"> Meinen Sie?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1337"> Ja, sonst giebt es kein Damwild auf Ludwigsholm. Heiliges Donner¬<lb/>
wetter, den hat der Förster selbst geschossen!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1338"> Sagen Sie mir in aller Welt, woher wollen Sie das wissen?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1339"> Das will ich Ihnen erklären. Der Förster hat in manchen Dingen seinen<lb/>
eignen .Kopf. Sehen Sie. der Hirsch ist ins Blatt geschossen, das thut man<lb/>
sonst nur mit Kronwild, der Förster aber fängt auch Damwild auf diese<lb/>
Weise ab.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1340"> Und wer hat denn den Bock dort geschossen? fragte ich Spaßes halber,<lb/>
ohne eine Antwort zu erwarten-</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1341"> Madsen drehte den Bock um und um, betrachtete ihn aufmerksam und<lb/>
entgegnete dann mit großem Ernst: Das hat auf Ehre der Gutsherr selbst<lb/>
gethan.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1342"> Wie ist es möglich, das zu beurteilen?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1343"> Nichts leichter als das. Auf Ludwigsholm pürscht niemand, als der<lb/>
Gutsherr selbst, und hier, sehen Sie her, der Bock hat eine nette Blattkugel<lb/>
bekommen.  Ja, er schießt gut, hat aber auch eine prachtvolle Flinte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1344"> Ich mußte Mathem über seinen Scharfsinn mein aufrichtiges Kompliment<lb/>
machen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1345"> Was ist da weiter, sagte er, wozu hat mau denn seine Augen, als um<lb/>
zu sehen, und zur Zeit habe ich weiter nichts zu thun, als mich umzusehen<lb/>
und zu spekuliren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1346"> Es ist Ihnen also noch nicht gelungen, wieder festen Fuß zu fassen?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1347"> Nein, eigentlich habe ich noch nichts Festes gefunden; aber ich gehe<lb/>
immer und spekulire auf etwas.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1348"> Verfolgen Sie auch genau die Gesuche in den Tagesblättern? Es wäre<lb/>
doch möglich, dort etwas zu entdecken, was für Sie passen könnte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1349" next="#ID_1350"> Nein, Zeitungen lese ich nie. Sie enthalten fast nur Lügen, und selbst<lb/>
wenn einmal etwas Wahres darin stünde, so kann es mir doch wahrlich ganz</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I 1890 «0</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0481] das von dem Händler aufgehängte Wild, wie ich es so oft thue, um zu sehen, ob etwas Besondres darunter sei. Und wer steht gleichfalls da? Mathem. Wir begrüßten uns wie alte Bekannte. Es muß auf Ludwigsholm Jagd gewesen sein; sie verkaufen ihr ganzes Wild an Hansen hier, und ich sehe auch, daß der Förster dem alten Reh dort sein Siegel aufgedrückt hat. Der Amts¬ verwalter wird es geschossen haben. Weshalb glauben Sie das? Weil es keinem andern auf der Ludwigsholmer Jagd beikommen konnte, so ein altes Reh zu schießen; es wird ihm aber auch seinen Doppelthaler ge¬ kostet haben. Dort hängt übrigens ein tüchtiger Kerl von einem Damhirsch, sagte ich. Der ist auf der Pfaffenwiese geschossen. Meinen Sie? Ja, sonst giebt es kein Damwild auf Ludwigsholm. Heiliges Donner¬ wetter, den hat der Förster selbst geschossen! Sagen Sie mir in aller Welt, woher wollen Sie das wissen? Das will ich Ihnen erklären. Der Förster hat in manchen Dingen seinen eignen .Kopf. Sehen Sie. der Hirsch ist ins Blatt geschossen, das thut man sonst nur mit Kronwild, der Förster aber fängt auch Damwild auf diese Weise ab. Und wer hat denn den Bock dort geschossen? fragte ich Spaßes halber, ohne eine Antwort zu erwarten- Madsen drehte den Bock um und um, betrachtete ihn aufmerksam und entgegnete dann mit großem Ernst: Das hat auf Ehre der Gutsherr selbst gethan. Wie ist es möglich, das zu beurteilen? Nichts leichter als das. Auf Ludwigsholm pürscht niemand, als der Gutsherr selbst, und hier, sehen Sie her, der Bock hat eine nette Blattkugel bekommen. Ja, er schießt gut, hat aber auch eine prachtvolle Flinte. Ich mußte Mathem über seinen Scharfsinn mein aufrichtiges Kompliment machen. Was ist da weiter, sagte er, wozu hat mau denn seine Augen, als um zu sehen, und zur Zeit habe ich weiter nichts zu thun, als mich umzusehen und zu spekuliren. Es ist Ihnen also noch nicht gelungen, wieder festen Fuß zu fassen? Nein, eigentlich habe ich noch nichts Festes gefunden; aber ich gehe immer und spekulire auf etwas. Verfolgen Sie auch genau die Gesuche in den Tagesblättern? Es wäre doch möglich, dort etwas zu entdecken, was für Sie passen könnte. Nein, Zeitungen lese ich nie. Sie enthalten fast nur Lügen, und selbst wenn einmal etwas Wahres darin stünde, so kann es mir doch wahrlich ganz Grenzboten I 1890 «0

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/481
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/481>, abgerufen am 23.07.2024.