Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
^vie ich Herr" Mathem kenne" lernte

voller Schnepfenzng, namentlich in dem nördlichen Walde; der liegt aber eine
halbe Meile von der Försterei, wo ich wohnte, sodaß ich leider nicht oft hin¬
gekommen bin.

Ich würde gern ein paar Meilen, nach einem guten Schnepfenterrain gehen,
bemerkte ich.

O ja, antwortete Mathem. Aber weitgehen ist um einmal nicht meine
Sache, und es behagt mir nicht, selbst gejagt zu werden, deshalb verließ ich
Lndwigsholm.

Wie so, selbst gejagt?

Ja, der Förster wollte, ich sollte früh und spät herumjagen, um nachzu¬
sehen, ob die Leute auch ordentlich arbeiteten; das kam mir aber sehr abge¬
schmackt vor, denn sie machten natürlich ganz genau so viel, ob ich dabei war
oder nicht. Außerdem konnte ich mich nicht mit den Auflagen der Frau Försterin
einverstanden erklären.

Was für Auflagen?

Ach, wir bekamen nie etwas andres auf unser Butterbrot als trockne
Cervelatwurst und Käse von abgerahmter Milch. Ich bin sonst nicht gerade
verwöhnt, aber der täglich zweimalige Anblick eines Tellers mit magerer Wurst
macht einen nervös. Und so bekam ich das Forsthaus satt, nud das Forsthaus
mich, und ich zog nach der Stadt.

Nun, und jetzt?

Ja, jetzt muß ich sehen, wie ich in irgend etwas hineinkomme.

In was denn aber?

Nun, was sich eben darbietet. Das heißt, man mochte doch nicht gern
das erste Beste ergreifen, wenn man die Akademie ans HerlufSholm besucht
und eine gute Erziehung genossen hat. Aber so bei einer Bank oder einer
Aktiengesellschaft -- giebt es da nicht so etwas, das man Revisor nennt?

Ja wohl, das giebts.

Es war mir auch so. Nicht wahr, mau hat die Rechnungen zu be¬
scheinigen, die die andern ausstellen?

So ungefähr ist es.

Wenn man so einen Posten erhalten könnte oder anch nur seinen Namen
auf die Kassenscheine zu schreiben hätte! Sie könnten vielleicht an mich denken,
wenn Ihnen etwas derart zu Ohren käme!

Das will ich gern. Aber jetzt müssen wir wohl ans Weitergehen denken,
es ist schon spät.

Ach, wenn man nur erst zu Hause wäre! Es ist ein weiter Weg, nud
dann die entsetzlich vielen Treppen! Na da komm, alte Flora.

Unsre Wege trennten sich bald, und es vergingen Wochen, wo ich von
meinem Freunde Mathem weder etwas hörte noch sah.

Da gehe ich eines Vormittags durch die Breite Straße und betrachte


^vie ich Herr» Mathem kenne» lernte

voller Schnepfenzng, namentlich in dem nördlichen Walde; der liegt aber eine
halbe Meile von der Försterei, wo ich wohnte, sodaß ich leider nicht oft hin¬
gekommen bin.

Ich würde gern ein paar Meilen, nach einem guten Schnepfenterrain gehen,
bemerkte ich.

O ja, antwortete Mathem. Aber weitgehen ist um einmal nicht meine
Sache, und es behagt mir nicht, selbst gejagt zu werden, deshalb verließ ich
Lndwigsholm.

Wie so, selbst gejagt?

Ja, der Förster wollte, ich sollte früh und spät herumjagen, um nachzu¬
sehen, ob die Leute auch ordentlich arbeiteten; das kam mir aber sehr abge¬
schmackt vor, denn sie machten natürlich ganz genau so viel, ob ich dabei war
oder nicht. Außerdem konnte ich mich nicht mit den Auflagen der Frau Försterin
einverstanden erklären.

Was für Auflagen?

Ach, wir bekamen nie etwas andres auf unser Butterbrot als trockne
Cervelatwurst und Käse von abgerahmter Milch. Ich bin sonst nicht gerade
verwöhnt, aber der täglich zweimalige Anblick eines Tellers mit magerer Wurst
macht einen nervös. Und so bekam ich das Forsthaus satt, nud das Forsthaus
mich, und ich zog nach der Stadt.

Nun, und jetzt?

Ja, jetzt muß ich sehen, wie ich in irgend etwas hineinkomme.

In was denn aber?

Nun, was sich eben darbietet. Das heißt, man mochte doch nicht gern
das erste Beste ergreifen, wenn man die Akademie ans HerlufSholm besucht
und eine gute Erziehung genossen hat. Aber so bei einer Bank oder einer
Aktiengesellschaft — giebt es da nicht so etwas, das man Revisor nennt?

Ja wohl, das giebts.

Es war mir auch so. Nicht wahr, mau hat die Rechnungen zu be¬
scheinigen, die die andern ausstellen?

So ungefähr ist es.

Wenn man so einen Posten erhalten könnte oder anch nur seinen Namen
auf die Kassenscheine zu schreiben hätte! Sie könnten vielleicht an mich denken,
wenn Ihnen etwas derart zu Ohren käme!

Das will ich gern. Aber jetzt müssen wir wohl ans Weitergehen denken,
es ist schon spät.

Ach, wenn man nur erst zu Hause wäre! Es ist ein weiter Weg, nud
dann die entsetzlich vielen Treppen! Na da komm, alte Flora.

Unsre Wege trennten sich bald, und es vergingen Wochen, wo ich von
meinem Freunde Mathem weder etwas hörte noch sah.

Da gehe ich eines Vormittags durch die Breite Straße und betrachte


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0480" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/207125"/>
          <fw type="header" place="top"> ^vie ich Herr» Mathem kenne» lernte</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1311" prev="#ID_1310"> voller Schnepfenzng, namentlich in dem nördlichen Walde; der liegt aber eine<lb/>
halbe Meile von der Försterei, wo ich wohnte, sodaß ich leider nicht oft hin¬<lb/>
gekommen bin.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1312"> Ich würde gern ein paar Meilen, nach einem guten Schnepfenterrain gehen,<lb/>
bemerkte ich.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1313"> O ja, antwortete Mathem. Aber weitgehen ist um einmal nicht meine<lb/>
Sache, und es behagt mir nicht, selbst gejagt zu werden, deshalb verließ ich<lb/>
Lndwigsholm.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1314"> Wie so, selbst gejagt?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1315"> Ja, der Förster wollte, ich sollte früh und spät herumjagen, um nachzu¬<lb/>
sehen, ob die Leute auch ordentlich arbeiteten; das kam mir aber sehr abge¬<lb/>
schmackt vor, denn sie machten natürlich ganz genau so viel, ob ich dabei war<lb/>
oder nicht. Außerdem konnte ich mich nicht mit den Auflagen der Frau Försterin<lb/>
einverstanden erklären.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1316"> Was für Auflagen?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1317"> Ach, wir bekamen nie etwas andres auf unser Butterbrot als trockne<lb/>
Cervelatwurst und Käse von abgerahmter Milch. Ich bin sonst nicht gerade<lb/>
verwöhnt, aber der täglich zweimalige Anblick eines Tellers mit magerer Wurst<lb/>
macht einen nervös. Und so bekam ich das Forsthaus satt, nud das Forsthaus<lb/>
mich, und ich zog nach der Stadt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1318"> Nun, und jetzt?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1319"> Ja, jetzt muß ich sehen, wie ich in irgend etwas hineinkomme.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1320"> In was denn aber?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1321"> Nun, was sich eben darbietet. Das heißt, man mochte doch nicht gern<lb/>
das erste Beste ergreifen, wenn man die Akademie ans HerlufSholm besucht<lb/>
und eine gute Erziehung genossen hat. Aber so bei einer Bank oder einer<lb/>
Aktiengesellschaft &#x2014; giebt es da nicht so etwas, das man Revisor nennt?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1322"> Ja wohl, das giebts.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1323"> Es war mir auch so.  Nicht wahr, mau hat die Rechnungen zu be¬<lb/>
scheinigen, die die andern ausstellen?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1324"> So ungefähr ist es.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1325"> Wenn man so einen Posten erhalten könnte oder anch nur seinen Namen<lb/>
auf die Kassenscheine zu schreiben hätte! Sie könnten vielleicht an mich denken,<lb/>
wenn Ihnen etwas derart zu Ohren käme!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1326"> Das will ich gern. Aber jetzt müssen wir wohl ans Weitergehen denken,<lb/>
es ist schon spät.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1327"> Ach, wenn man nur erst zu Hause wäre! Es ist ein weiter Weg, nud<lb/>
dann die entsetzlich vielen Treppen! Na da komm, alte Flora.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1328"> Unsre Wege trennten sich bald, und es vergingen Wochen, wo ich von<lb/>
meinem Freunde Mathem weder etwas hörte noch sah.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1329" next="#ID_1330"> Da gehe ich eines Vormittags durch die Breite Straße und betrachte</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0480] ^vie ich Herr» Mathem kenne» lernte voller Schnepfenzng, namentlich in dem nördlichen Walde; der liegt aber eine halbe Meile von der Försterei, wo ich wohnte, sodaß ich leider nicht oft hin¬ gekommen bin. Ich würde gern ein paar Meilen, nach einem guten Schnepfenterrain gehen, bemerkte ich. O ja, antwortete Mathem. Aber weitgehen ist um einmal nicht meine Sache, und es behagt mir nicht, selbst gejagt zu werden, deshalb verließ ich Lndwigsholm. Wie so, selbst gejagt? Ja, der Förster wollte, ich sollte früh und spät herumjagen, um nachzu¬ sehen, ob die Leute auch ordentlich arbeiteten; das kam mir aber sehr abge¬ schmackt vor, denn sie machten natürlich ganz genau so viel, ob ich dabei war oder nicht. Außerdem konnte ich mich nicht mit den Auflagen der Frau Försterin einverstanden erklären. Was für Auflagen? Ach, wir bekamen nie etwas andres auf unser Butterbrot als trockne Cervelatwurst und Käse von abgerahmter Milch. Ich bin sonst nicht gerade verwöhnt, aber der täglich zweimalige Anblick eines Tellers mit magerer Wurst macht einen nervös. Und so bekam ich das Forsthaus satt, nud das Forsthaus mich, und ich zog nach der Stadt. Nun, und jetzt? Ja, jetzt muß ich sehen, wie ich in irgend etwas hineinkomme. In was denn aber? Nun, was sich eben darbietet. Das heißt, man mochte doch nicht gern das erste Beste ergreifen, wenn man die Akademie ans HerlufSholm besucht und eine gute Erziehung genossen hat. Aber so bei einer Bank oder einer Aktiengesellschaft — giebt es da nicht so etwas, das man Revisor nennt? Ja wohl, das giebts. Es war mir auch so. Nicht wahr, mau hat die Rechnungen zu be¬ scheinigen, die die andern ausstellen? So ungefähr ist es. Wenn man so einen Posten erhalten könnte oder anch nur seinen Namen auf die Kassenscheine zu schreiben hätte! Sie könnten vielleicht an mich denken, wenn Ihnen etwas derart zu Ohren käme! Das will ich gern. Aber jetzt müssen wir wohl ans Weitergehen denken, es ist schon spät. Ach, wenn man nur erst zu Hause wäre! Es ist ein weiter Weg, nud dann die entsetzlich vielen Treppen! Na da komm, alte Flora. Unsre Wege trennten sich bald, und es vergingen Wochen, wo ich von meinem Freunde Mathem weder etwas hörte noch sah. Da gehe ich eines Vormittags durch die Breite Straße und betrachte

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/480
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/480>, abgerufen am 23.07.2024.