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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Schliemcmns Ausgrabungen und Ägypten

müssen, Das Straußenei, das im fünften Schachtgrnbe lag, kann nnr über
Ägypten nach Griechenland gekommen sein. Unter den geschnittenen Steinen
ferner ist ein echt ägyptischer Searabäns mit dem hieroglyphisch geschriebenen
Namen der ägyptische" Königin Til. Dolchklingen von kostbarer, mit Gold
und Silber in Bronze eingelegter Arbeit weisen uns ebenfalls von Mykenä
nach dem Nilthale. Und Ornamente wie das schöne Reliefmuster der großen
Kalksteinplatte aus dem vrchvmenischen Kuppelgrabe oder wie Wandmalereien
aus Tiryns scheinen geradezu ägyptischen Vorlagen nachgebildet zu sein. Das
Eigentümlichste endlich sind eine ganze Anzahl einfache, am untern Ende ge¬
franste Schleifen ans Alabaster, deren Bestimmung zunächst völlig rätselhaft
ist; ähnliche Schleifen sehen wir nun auf ägyptischen Denkmälern in den
Händen von Göttern, .Königen und Priestern; sie scheinen in Ägypten zum
gottesdienstlichen Gerät gehört zu haben, und wenn wir sie gleicherweise in
Mykenä vorfinden, so dürfte dies ans eine Verbindung zwischen den beiden
Ländern hindeuten, die über eine bloße Handelsverbindung noch hinaus-
gegangen ist.

Doch beschränken wir uns auf das thatsächlich nachweisbare. In welche
Zeiten führen uns die Schliemannschen AusgrabnngenV Die Königin Til,
deren Namen dem erwähnte" SearabänS eingegraben ist, ist wohl die Gattin
König Amen HotepS des Dritten, der gegen 1 lOO v. Chr. über Ägypten
herrschte. Eine Schwertklinge mit Darstellungen in ganz derselben Auffassung
und AusführuugSweise, wie die der mykenäischen Dolchklingen, ist in einem
ägyptischen Grabe gefunden worden, das nach seinen Inschriften der Zeit des
Königs Ahmes (etwa 1500 v. Chr.) angehört. Und bei den im Fayum ge¬
fundenen mykenäischen Vasenscherbeu lagen andre Gegenstände, die den Namen
Amen Hoteps des Vierten und Rhamses des Zweiten tragen, also von Pharaonen,
die im vierzehnten und dreizehnten Jahrhundert v. Chr. herrschten. Wir haben
demnach einen doppelten Beweis dafür, daß die Blüte des alten Mykenä in
eben jene Zeit anzusetzen ist, aus der uns die große Rhamsesinschrift von dem
Einfalle der Nordvölker in Ägypten berichtet, und nur dürfen es nun Wohl
als sicher hinstellen, daß die in der Inschrift genannten Dauauna wirklich
einer jener Stämme gewesen sind, die noch bei Homer unter dem Namen der
Danaer und Achäer zusammengefaßt werden.

Aber, könnte man fragen, wenn die Griechen bereits Jahrhunderte vor
Homer nicht nur mit Kleinasien, anch mit Phönizien und Ägypten verkehrt
haben, wie kommt es, daß sie im Beginne der geschichtlichen Zeit viel mehr
abgeschlossen erscheinen? Die Antwort hieraus liegt gewissermaßen in einer
neuen Frage: Wie ist es zu erklären, daß die ältesten griechischen Gräber von
Gold förmlich strotzen, während die viel zahlreicher erhaltenen jüngern Gräber
durchweg arm an Edelmetall sind? Es war unterdes eine Umwälzung vor
sich gegangen, die mit der sogenannten dorischen Wanderung (etwa 1100 v. Chr.)


Greuzbuti'n 1 13S0 S8
Schliemcmns Ausgrabungen und Ägypten

müssen, Das Straußenei, das im fünften Schachtgrnbe lag, kann nnr über
Ägypten nach Griechenland gekommen sein. Unter den geschnittenen Steinen
ferner ist ein echt ägyptischer Searabäns mit dem hieroglyphisch geschriebenen
Namen der ägyptische» Königin Til. Dolchklingen von kostbarer, mit Gold
und Silber in Bronze eingelegter Arbeit weisen uns ebenfalls von Mykenä
nach dem Nilthale. Und Ornamente wie das schöne Reliefmuster der großen
Kalksteinplatte aus dem vrchvmenischen Kuppelgrabe oder wie Wandmalereien
aus Tiryns scheinen geradezu ägyptischen Vorlagen nachgebildet zu sein. Das
Eigentümlichste endlich sind eine ganze Anzahl einfache, am untern Ende ge¬
franste Schleifen ans Alabaster, deren Bestimmung zunächst völlig rätselhaft
ist; ähnliche Schleifen sehen wir nun auf ägyptischen Denkmälern in den
Händen von Göttern, .Königen und Priestern; sie scheinen in Ägypten zum
gottesdienstlichen Gerät gehört zu haben, und wenn wir sie gleicherweise in
Mykenä vorfinden, so dürfte dies ans eine Verbindung zwischen den beiden
Ländern hindeuten, die über eine bloße Handelsverbindung noch hinaus-
gegangen ist.

Doch beschränken wir uns auf das thatsächlich nachweisbare. In welche
Zeiten führen uns die Schliemannschen AusgrabnngenV Die Königin Til,
deren Namen dem erwähnte» SearabänS eingegraben ist, ist wohl die Gattin
König Amen HotepS des Dritten, der gegen 1 lOO v. Chr. über Ägypten
herrschte. Eine Schwertklinge mit Darstellungen in ganz derselben Auffassung
und AusführuugSweise, wie die der mykenäischen Dolchklingen, ist in einem
ägyptischen Grabe gefunden worden, das nach seinen Inschriften der Zeit des
Königs Ahmes (etwa 1500 v. Chr.) angehört. Und bei den im Fayum ge¬
fundenen mykenäischen Vasenscherbeu lagen andre Gegenstände, die den Namen
Amen Hoteps des Vierten und Rhamses des Zweiten tragen, also von Pharaonen,
die im vierzehnten und dreizehnten Jahrhundert v. Chr. herrschten. Wir haben
demnach einen doppelten Beweis dafür, daß die Blüte des alten Mykenä in
eben jene Zeit anzusetzen ist, aus der uns die große Rhamsesinschrift von dem
Einfalle der Nordvölker in Ägypten berichtet, und nur dürfen es nun Wohl
als sicher hinstellen, daß die in der Inschrift genannten Dauauna wirklich
einer jener Stämme gewesen sind, die noch bei Homer unter dem Namen der
Danaer und Achäer zusammengefaßt werden.

Aber, könnte man fragen, wenn die Griechen bereits Jahrhunderte vor
Homer nicht nur mit Kleinasien, anch mit Phönizien und Ägypten verkehrt
haben, wie kommt es, daß sie im Beginne der geschichtlichen Zeit viel mehr
abgeschlossen erscheinen? Die Antwort hieraus liegt gewissermaßen in einer
neuen Frage: Wie ist es zu erklären, daß die ältesten griechischen Gräber von
Gold förmlich strotzen, während die viel zahlreicher erhaltenen jüngern Gräber
durchweg arm an Edelmetall sind? Es war unterdes eine Umwälzung vor
sich gegangen, die mit der sogenannten dorischen Wanderung (etwa 1100 v. Chr.)


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[0465] Schliemcmns Ausgrabungen und Ägypten müssen, Das Straußenei, das im fünften Schachtgrnbe lag, kann nnr über Ägypten nach Griechenland gekommen sein. Unter den geschnittenen Steinen ferner ist ein echt ägyptischer Searabäns mit dem hieroglyphisch geschriebenen Namen der ägyptische» Königin Til. Dolchklingen von kostbarer, mit Gold und Silber in Bronze eingelegter Arbeit weisen uns ebenfalls von Mykenä nach dem Nilthale. Und Ornamente wie das schöne Reliefmuster der großen Kalksteinplatte aus dem vrchvmenischen Kuppelgrabe oder wie Wandmalereien aus Tiryns scheinen geradezu ägyptischen Vorlagen nachgebildet zu sein. Das Eigentümlichste endlich sind eine ganze Anzahl einfache, am untern Ende ge¬ franste Schleifen ans Alabaster, deren Bestimmung zunächst völlig rätselhaft ist; ähnliche Schleifen sehen wir nun auf ägyptischen Denkmälern in den Händen von Göttern, .Königen und Priestern; sie scheinen in Ägypten zum gottesdienstlichen Gerät gehört zu haben, und wenn wir sie gleicherweise in Mykenä vorfinden, so dürfte dies ans eine Verbindung zwischen den beiden Ländern hindeuten, die über eine bloße Handelsverbindung noch hinaus- gegangen ist. Doch beschränken wir uns auf das thatsächlich nachweisbare. In welche Zeiten führen uns die Schliemannschen AusgrabnngenV Die Königin Til, deren Namen dem erwähnte» SearabänS eingegraben ist, ist wohl die Gattin König Amen HotepS des Dritten, der gegen 1 lOO v. Chr. über Ägypten herrschte. Eine Schwertklinge mit Darstellungen in ganz derselben Auffassung und AusführuugSweise, wie die der mykenäischen Dolchklingen, ist in einem ägyptischen Grabe gefunden worden, das nach seinen Inschriften der Zeit des Königs Ahmes (etwa 1500 v. Chr.) angehört. Und bei den im Fayum ge¬ fundenen mykenäischen Vasenscherbeu lagen andre Gegenstände, die den Namen Amen Hoteps des Vierten und Rhamses des Zweiten tragen, also von Pharaonen, die im vierzehnten und dreizehnten Jahrhundert v. Chr. herrschten. Wir haben demnach einen doppelten Beweis dafür, daß die Blüte des alten Mykenä in eben jene Zeit anzusetzen ist, aus der uns die große Rhamsesinschrift von dem Einfalle der Nordvölker in Ägypten berichtet, und nur dürfen es nun Wohl als sicher hinstellen, daß die in der Inschrift genannten Dauauna wirklich einer jener Stämme gewesen sind, die noch bei Homer unter dem Namen der Danaer und Achäer zusammengefaßt werden. Aber, könnte man fragen, wenn die Griechen bereits Jahrhunderte vor Homer nicht nur mit Kleinasien, anch mit Phönizien und Ägypten verkehrt haben, wie kommt es, daß sie im Beginne der geschichtlichen Zeit viel mehr abgeschlossen erscheinen? Die Antwort hieraus liegt gewissermaßen in einer neuen Frage: Wie ist es zu erklären, daß die ältesten griechischen Gräber von Gold förmlich strotzen, während die viel zahlreicher erhaltenen jüngern Gräber durchweg arm an Edelmetall sind? Es war unterdes eine Umwälzung vor sich gegangen, die mit der sogenannten dorischen Wanderung (etwa 1100 v. Chr.) Greuzbuti'n 1 13S0 S8

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/465>, abgerufen am 23.07.2024.