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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Allerhand Sprachdmmnheitett

nicht dein lateinischen Pn, sondern (irmlis, nicht dein griechischen öz, sondern
Soviel ist sicher, daß es zu dem Haufen von Unrat gehört, der aus der
Amtssprache stammt und von der unsre ganze heutige Schriftsprache -- auch
die besten populärwissenschaftlichen Bücher und die gefeiertsten Romane nicht
ausgenommen! -- durchtränkt ist. Immer getragen, immer feierlich, immer
wichtig sich auszudrücken, darauf läufts doch schließlich auch hinaus, so gut
wie derselbe. Und nun kommt hinzu: in der Schule wird ja gar nichts
andres gelehrt! Mau schlage eine Grammatik auf, welche (ein>-unvunciuo!) man
will, eine lateinische, eine griechische, eine französische, eine englische: wie ist das
Relativpronomen ins Deutsche übersetzt? welcher, welche, welches! Allenfalls
steht der, die, da s in Klammern dahinter, als ob das manchmal auch als Ersatz
dafür geduldet werden könnte! Und blickt man in die Beispielsätze hinein, die da
zur Einübung übersetzt werdeu sollen, wie fangen die Relativsätze an? mit welcher!
nur ja nicht mit der, der Schüler könnte ja einmal irre werden. Daß die
ganze lebendige Alltagssprache eine einzige große Widerlegung dieses Unsinns
ist, sieht gar niemand. Kein Wunder, daß einem später das Wort in die Feder
läuft, sowie man nur die Feder zur Hand nimmt. Gerade umgekehrt müßte
es sein! In allen Grammatiker müßte der, die, das als Relativpronomen
stehen, dahinter in Klammern welcher, welche, welches. Denn nur dieses
ist doch das traurige Surrogat. Wer darauf einmal aufmerksam geworden
oder gemacht worden ist, den verfolgt es förmlich beim Lesen, auf jeder Oktav¬
seite springt es ihm sieben-, achtmal in die Augen, als obs gesperrt oder fett
gedruckt wäre, binnen wenigen Wochen ist es ihm ganz unerträglich geworden,
er bringt es nicht mehr aus der Feder; wenn ers schreiben wollte, käme er sich
ja entweder ganz schulknabeuhaft vor, oder er sähe sich sitzen wie einen alten,
verschleimte!, Aktuarius mit Vatermördern, Hornbrille und Gänsekiel. Großes
Vergnügen hat mirs gemacht, zu sehen, wie schnell ich einzelne Freunde über¬
zeugt und bekehrt habe. Bisweilen läuft ihnen wohl noch ein wei-- in die
Feder; aber weiter kommen sie nicht, dann wird es ohne Gnade durchgestrichen
und der drübergesetzt.

tFm'tschuna, folgt)




Allerhand Sprachdmmnheitett

nicht dein lateinischen Pn, sondern (irmlis, nicht dein griechischen öz, sondern
Soviel ist sicher, daß es zu dem Haufen von Unrat gehört, der aus der
Amtssprache stammt und von der unsre ganze heutige Schriftsprache — auch
die besten populärwissenschaftlichen Bücher und die gefeiertsten Romane nicht
ausgenommen! — durchtränkt ist. Immer getragen, immer feierlich, immer
wichtig sich auszudrücken, darauf läufts doch schließlich auch hinaus, so gut
wie derselbe. Und nun kommt hinzu: in der Schule wird ja gar nichts
andres gelehrt! Mau schlage eine Grammatik auf, welche (ein>-unvunciuo!) man
will, eine lateinische, eine griechische, eine französische, eine englische: wie ist das
Relativpronomen ins Deutsche übersetzt? welcher, welche, welches! Allenfalls
steht der, die, da s in Klammern dahinter, als ob das manchmal auch als Ersatz
dafür geduldet werden könnte! Und blickt man in die Beispielsätze hinein, die da
zur Einübung übersetzt werdeu sollen, wie fangen die Relativsätze an? mit welcher!
nur ja nicht mit der, der Schüler könnte ja einmal irre werden. Daß die
ganze lebendige Alltagssprache eine einzige große Widerlegung dieses Unsinns
ist, sieht gar niemand. Kein Wunder, daß einem später das Wort in die Feder
läuft, sowie man nur die Feder zur Hand nimmt. Gerade umgekehrt müßte
es sein! In allen Grammatiker müßte der, die, das als Relativpronomen
stehen, dahinter in Klammern welcher, welche, welches. Denn nur dieses
ist doch das traurige Surrogat. Wer darauf einmal aufmerksam geworden
oder gemacht worden ist, den verfolgt es förmlich beim Lesen, auf jeder Oktav¬
seite springt es ihm sieben-, achtmal in die Augen, als obs gesperrt oder fett
gedruckt wäre, binnen wenigen Wochen ist es ihm ganz unerträglich geworden,
er bringt es nicht mehr aus der Feder; wenn ers schreiben wollte, käme er sich
ja entweder ganz schulknabeuhaft vor, oder er sähe sich sitzen wie einen alten,
verschleimte!, Aktuarius mit Vatermördern, Hornbrille und Gänsekiel. Großes
Vergnügen hat mirs gemacht, zu sehen, wie schnell ich einzelne Freunde über¬
zeugt und bekehrt habe. Bisweilen läuft ihnen wohl noch ein wei— in die
Feder; aber weiter kommen sie nicht, dann wird es ohne Gnade durchgestrichen
und der drübergesetzt.

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[0431] Allerhand Sprachdmmnheitett nicht dein lateinischen Pn, sondern (irmlis, nicht dein griechischen öz, sondern Soviel ist sicher, daß es zu dem Haufen von Unrat gehört, der aus der Amtssprache stammt und von der unsre ganze heutige Schriftsprache — auch die besten populärwissenschaftlichen Bücher und die gefeiertsten Romane nicht ausgenommen! — durchtränkt ist. Immer getragen, immer feierlich, immer wichtig sich auszudrücken, darauf läufts doch schließlich auch hinaus, so gut wie derselbe. Und nun kommt hinzu: in der Schule wird ja gar nichts andres gelehrt! Mau schlage eine Grammatik auf, welche (ein>-unvunciuo!) man will, eine lateinische, eine griechische, eine französische, eine englische: wie ist das Relativpronomen ins Deutsche übersetzt? welcher, welche, welches! Allenfalls steht der, die, da s in Klammern dahinter, als ob das manchmal auch als Ersatz dafür geduldet werden könnte! Und blickt man in die Beispielsätze hinein, die da zur Einübung übersetzt werdeu sollen, wie fangen die Relativsätze an? mit welcher! nur ja nicht mit der, der Schüler könnte ja einmal irre werden. Daß die ganze lebendige Alltagssprache eine einzige große Widerlegung dieses Unsinns ist, sieht gar niemand. Kein Wunder, daß einem später das Wort in die Feder läuft, sowie man nur die Feder zur Hand nimmt. Gerade umgekehrt müßte es sein! In allen Grammatiker müßte der, die, das als Relativpronomen stehen, dahinter in Klammern welcher, welche, welches. Denn nur dieses ist doch das traurige Surrogat. Wer darauf einmal aufmerksam geworden oder gemacht worden ist, den verfolgt es förmlich beim Lesen, auf jeder Oktav¬ seite springt es ihm sieben-, achtmal in die Augen, als obs gesperrt oder fett gedruckt wäre, binnen wenigen Wochen ist es ihm ganz unerträglich geworden, er bringt es nicht mehr aus der Feder; wenn ers schreiben wollte, käme er sich ja entweder ganz schulknabeuhaft vor, oder er sähe sich sitzen wie einen alten, verschleimte!, Aktuarius mit Vatermördern, Hornbrille und Gänsekiel. Großes Vergnügen hat mirs gemacht, zu sehen, wie schnell ich einzelne Freunde über¬ zeugt und bekehrt habe. Bisweilen läuft ihnen wohl noch ein wei— in die Feder; aber weiter kommen sie nicht, dann wird es ohne Gnade durchgestrichen und der drübergesetzt. tFm'tschuna, folgt)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/431>, abgerufen am 03.07.2024.