Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Allerhand Sprachdlimncheiten

noch fünf Fälle, wo das Wort in seiner wirklichen Bedeutung steht. Kaum
fünf, denn in seiner wirklichen Bedeutung wird es fast gar nicht mehr ge¬
braucht; da wird es ersetzt durch der gleiche oder der nämliche! So
wunderbaren Sätzen wie: Wagner hat dieselben Quellen benutzt wie Goethe,
aber in engerm Anschluß an dieselben --, wo erst c-osäsm, dann hos ge¬
meint ist, begegnet man sehr selteu. In fünfundneunzig unter hundert Füllen
ist derselbe, dieselbe, dasselbe heutzutage nichts weiter als er, sie, es
oder -- dieser, diese, dieses. Und das ist das greulichste an dem an sich
schon greulichen Mißbrauch, daß dabei auch dieser Unterschied zwischen er
und dieser noch verwischt wird. Für das bloße Personalpronomen steht es
z. B. in folgenden Sätzen (in jedem Buche und jeder Zeitung kann man binnen
zehn Minuten die Beispiele schockweise sammeln): Wir brauchten das nur dann
zu wissen, wenn die Welt erst noch geschaffen werden sollte; dieselbe ist aber
bereits fertig es ist unfaßbar, wie ein Atom dazu kommen soll, allerlei
Dinge wahrzunehmen, dieselben zu beurteilen -- der Südfuß des Hanns
scheint der Hauptsitz der Rosentnltur zu sein, doch zieht sich dieselbe auch in
das Mittelgebirge hinein ^ die Spitze des Oberschnabels bildet ein Tast¬
apparat, mit dessen Hilfe sich die Schnepfe von der Anwesenheit eines Wurmes
überzeugt; um denselben aber sofort ergreifen zu können u. s. w. -- durch
Höhe der Gebäude suchte man zu ersetzen, was denselben an Breite und
Tiefe abging --- was E. Schmidt gegen die Glaubwürdigkeit Bretschneiders
ins Feld führt, reicht nicht aus, dieselbe zu erschüttern - der Fall muß
allgemeines Aufsehen erregt haben, da derselbe eine Bürgerstochter aus guter
Familie betraf -- unsre Vorfahren scheuten keine Kosten, durch künstliche
Mittel das Wasser zu sammeln, wo die Örtlichkeit dasselbe nicht in vollem
Maße hergab -- die Gemeinde war allerdings Besitzer des Bodens, derselbe
wurde aber nicht gemeinschaftlich bearbeitet -- diese Dienstleistung ist eine
Gefälligkeit, und es ist ein falscher Stolz, sich dieselbe nicht gefallen lassen
zu wollen -- das Manuskript lag halbvergessen in meinem Schubfache, bis
mir die Anregung wurde, dasselbe einer Zeitung zu überlassen -- Versuche,
den Verein zu verfolgen, werden demselben nur neues Wachstum verleihen --
der Inhaber hat die Karte stets bei sich zu führen lind darf dieselbe an
andre Personen nicht verleihen. In folgenden Sätzen wäre dieser das
richtige: der Rauch reflektirt das eindringende Licht, wodurch dasselbe dem
Auge hellleuchtend erscheint -- infolge schwerer Gewitter trat der Wildbach
aus und wälzte ungeheure Schneemassen in die Limmat; dadurch wurde die¬
selbe in ihrem Laufe gehemmt -- in Königsberg ließ Lenz seine Ode auf
Kant, als derselbe die Professorwürde erlangte, drucken -- in jeder Küche
stand früher ein viereckiges Kästchen von Blech; dasselbe enthielt vier Gegen¬
stände, nnter andern eine Masse, die man Zunder hieß; dieselbe war her¬
gestellt u. s. w. -- ich bin in der Lage, ein vollständiges Verzeichnis der


Grenzboten I 18S" 53
Allerhand Sprachdlimncheiten

noch fünf Fälle, wo das Wort in seiner wirklichen Bedeutung steht. Kaum
fünf, denn in seiner wirklichen Bedeutung wird es fast gar nicht mehr ge¬
braucht; da wird es ersetzt durch der gleiche oder der nämliche! So
wunderbaren Sätzen wie: Wagner hat dieselben Quellen benutzt wie Goethe,
aber in engerm Anschluß an dieselben —, wo erst c-osäsm, dann hos ge¬
meint ist, begegnet man sehr selteu. In fünfundneunzig unter hundert Füllen
ist derselbe, dieselbe, dasselbe heutzutage nichts weiter als er, sie, es
oder — dieser, diese, dieses. Und das ist das greulichste an dem an sich
schon greulichen Mißbrauch, daß dabei auch dieser Unterschied zwischen er
und dieser noch verwischt wird. Für das bloße Personalpronomen steht es
z. B. in folgenden Sätzen (in jedem Buche und jeder Zeitung kann man binnen
zehn Minuten die Beispiele schockweise sammeln): Wir brauchten das nur dann
zu wissen, wenn die Welt erst noch geschaffen werden sollte; dieselbe ist aber
bereits fertig es ist unfaßbar, wie ein Atom dazu kommen soll, allerlei
Dinge wahrzunehmen, dieselben zu beurteilen — der Südfuß des Hanns
scheint der Hauptsitz der Rosentnltur zu sein, doch zieht sich dieselbe auch in
das Mittelgebirge hinein ^ die Spitze des Oberschnabels bildet ein Tast¬
apparat, mit dessen Hilfe sich die Schnepfe von der Anwesenheit eines Wurmes
überzeugt; um denselben aber sofort ergreifen zu können u. s. w. — durch
Höhe der Gebäude suchte man zu ersetzen, was denselben an Breite und
Tiefe abging —- was E. Schmidt gegen die Glaubwürdigkeit Bretschneiders
ins Feld führt, reicht nicht aus, dieselbe zu erschüttern - der Fall muß
allgemeines Aufsehen erregt haben, da derselbe eine Bürgerstochter aus guter
Familie betraf — unsre Vorfahren scheuten keine Kosten, durch künstliche
Mittel das Wasser zu sammeln, wo die Örtlichkeit dasselbe nicht in vollem
Maße hergab — die Gemeinde war allerdings Besitzer des Bodens, derselbe
wurde aber nicht gemeinschaftlich bearbeitet — diese Dienstleistung ist eine
Gefälligkeit, und es ist ein falscher Stolz, sich dieselbe nicht gefallen lassen
zu wollen — das Manuskript lag halbvergessen in meinem Schubfache, bis
mir die Anregung wurde, dasselbe einer Zeitung zu überlassen — Versuche,
den Verein zu verfolgen, werden demselben nur neues Wachstum verleihen —
der Inhaber hat die Karte stets bei sich zu führen lind darf dieselbe an
andre Personen nicht verleihen. In folgenden Sätzen wäre dieser das
richtige: der Rauch reflektirt das eindringende Licht, wodurch dasselbe dem
Auge hellleuchtend erscheint — infolge schwerer Gewitter trat der Wildbach
aus und wälzte ungeheure Schneemassen in die Limmat; dadurch wurde die¬
selbe in ihrem Laufe gehemmt — in Königsberg ließ Lenz seine Ode auf
Kant, als derselbe die Professorwürde erlangte, drucken — in jeder Küche
stand früher ein viereckiges Kästchen von Blech; dasselbe enthielt vier Gegen¬
stände, nnter andern eine Masse, die man Zunder hieß; dieselbe war her¬
gestellt u. s. w. — ich bin in der Lage, ein vollständiges Verzeichnis der


Grenzboten I 18S» 53
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0425" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/207070"/>
          <fw type="header" place="top"> Allerhand Sprachdlimncheiten</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1126" prev="#ID_1125" next="#ID_1127"> noch fünf Fälle, wo das Wort in seiner wirklichen Bedeutung steht. Kaum<lb/>
fünf, denn in seiner wirklichen Bedeutung wird es fast gar nicht mehr ge¬<lb/>
braucht; da wird es ersetzt durch der gleiche oder der nämliche! So<lb/>
wunderbaren Sätzen wie: Wagner hat dieselben Quellen benutzt wie Goethe,<lb/>
aber in engerm Anschluß an dieselben &#x2014;, wo erst c-osäsm, dann hos ge¬<lb/>
meint ist, begegnet man sehr selteu. In fünfundneunzig unter hundert Füllen<lb/>
ist derselbe, dieselbe, dasselbe heutzutage nichts weiter als er, sie, es<lb/>
oder &#x2014; dieser, diese, dieses. Und das ist das greulichste an dem an sich<lb/>
schon greulichen Mißbrauch, daß dabei auch dieser Unterschied zwischen er<lb/>
und dieser noch verwischt wird.  Für das bloße Personalpronomen steht es<lb/>
z. B. in folgenden Sätzen (in jedem Buche und jeder Zeitung kann man binnen<lb/>
zehn Minuten die Beispiele schockweise sammeln): Wir brauchten das nur dann<lb/>
zu wissen, wenn die Welt erst noch geschaffen werden sollte; dieselbe ist aber<lb/>
bereits fertig   es ist unfaßbar, wie ein Atom dazu kommen soll, allerlei<lb/>
Dinge wahrzunehmen, dieselben zu beurteilen &#x2014; der Südfuß des Hanns<lb/>
scheint der Hauptsitz der Rosentnltur zu sein, doch zieht sich dieselbe auch in<lb/>
das Mittelgebirge hinein ^ die Spitze des Oberschnabels bildet ein Tast¬<lb/>
apparat, mit dessen Hilfe sich die Schnepfe von der Anwesenheit eines Wurmes<lb/>
überzeugt; um denselben aber sofort ergreifen zu können u. s. w. &#x2014; durch<lb/>
Höhe der Gebäude suchte man zu ersetzen, was denselben an Breite und<lb/>
Tiefe abging &#x2014;- was E. Schmidt gegen die Glaubwürdigkeit Bretschneiders<lb/>
ins Feld führt, reicht nicht aus, dieselbe zu erschüttern -  der Fall muß<lb/>
allgemeines Aufsehen erregt haben, da derselbe eine Bürgerstochter aus guter<lb/>
Familie betraf &#x2014; unsre Vorfahren scheuten keine Kosten, durch künstliche<lb/>
Mittel das Wasser zu sammeln, wo die Örtlichkeit dasselbe nicht in vollem<lb/>
Maße hergab &#x2014; die Gemeinde war allerdings Besitzer des Bodens, derselbe<lb/>
wurde aber nicht gemeinschaftlich bearbeitet &#x2014; diese Dienstleistung ist eine<lb/>
Gefälligkeit, und es ist ein falscher Stolz, sich dieselbe nicht gefallen lassen<lb/>
zu wollen &#x2014; das Manuskript lag halbvergessen in meinem Schubfache, bis<lb/>
mir die Anregung wurde, dasselbe einer Zeitung zu überlassen &#x2014; Versuche,<lb/>
den Verein zu verfolgen, werden demselben nur neues Wachstum verleihen &#x2014;<lb/>
der Inhaber hat die Karte stets bei sich zu führen lind darf dieselbe an<lb/>
andre Personen nicht verleihen.  In folgenden Sätzen wäre dieser das<lb/>
richtige: der Rauch reflektirt das eindringende Licht, wodurch dasselbe dem<lb/>
Auge hellleuchtend erscheint &#x2014; infolge schwerer Gewitter trat der Wildbach<lb/>
aus und wälzte ungeheure Schneemassen in die Limmat; dadurch wurde die¬<lb/>
selbe in ihrem Laufe gehemmt &#x2014; in Königsberg ließ Lenz seine Ode auf<lb/>
Kant, als derselbe die Professorwürde erlangte, drucken &#x2014; in jeder Küche<lb/>
stand früher ein viereckiges Kästchen von Blech; dasselbe enthielt vier Gegen¬<lb/>
stände, nnter andern eine Masse, die man Zunder hieß; dieselbe war her¬<lb/>
gestellt u. s. w. &#x2014; ich bin in der Lage, ein vollständiges Verzeichnis der</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I 18S» 53</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0425] Allerhand Sprachdlimncheiten noch fünf Fälle, wo das Wort in seiner wirklichen Bedeutung steht. Kaum fünf, denn in seiner wirklichen Bedeutung wird es fast gar nicht mehr ge¬ braucht; da wird es ersetzt durch der gleiche oder der nämliche! So wunderbaren Sätzen wie: Wagner hat dieselben Quellen benutzt wie Goethe, aber in engerm Anschluß an dieselben —, wo erst c-osäsm, dann hos ge¬ meint ist, begegnet man sehr selteu. In fünfundneunzig unter hundert Füllen ist derselbe, dieselbe, dasselbe heutzutage nichts weiter als er, sie, es oder — dieser, diese, dieses. Und das ist das greulichste an dem an sich schon greulichen Mißbrauch, daß dabei auch dieser Unterschied zwischen er und dieser noch verwischt wird. Für das bloße Personalpronomen steht es z. B. in folgenden Sätzen (in jedem Buche und jeder Zeitung kann man binnen zehn Minuten die Beispiele schockweise sammeln): Wir brauchten das nur dann zu wissen, wenn die Welt erst noch geschaffen werden sollte; dieselbe ist aber bereits fertig es ist unfaßbar, wie ein Atom dazu kommen soll, allerlei Dinge wahrzunehmen, dieselben zu beurteilen — der Südfuß des Hanns scheint der Hauptsitz der Rosentnltur zu sein, doch zieht sich dieselbe auch in das Mittelgebirge hinein ^ die Spitze des Oberschnabels bildet ein Tast¬ apparat, mit dessen Hilfe sich die Schnepfe von der Anwesenheit eines Wurmes überzeugt; um denselben aber sofort ergreifen zu können u. s. w. — durch Höhe der Gebäude suchte man zu ersetzen, was denselben an Breite und Tiefe abging —- was E. Schmidt gegen die Glaubwürdigkeit Bretschneiders ins Feld führt, reicht nicht aus, dieselbe zu erschüttern - der Fall muß allgemeines Aufsehen erregt haben, da derselbe eine Bürgerstochter aus guter Familie betraf — unsre Vorfahren scheuten keine Kosten, durch künstliche Mittel das Wasser zu sammeln, wo die Örtlichkeit dasselbe nicht in vollem Maße hergab — die Gemeinde war allerdings Besitzer des Bodens, derselbe wurde aber nicht gemeinschaftlich bearbeitet — diese Dienstleistung ist eine Gefälligkeit, und es ist ein falscher Stolz, sich dieselbe nicht gefallen lassen zu wollen — das Manuskript lag halbvergessen in meinem Schubfache, bis mir die Anregung wurde, dasselbe einer Zeitung zu überlassen — Versuche, den Verein zu verfolgen, werden demselben nur neues Wachstum verleihen — der Inhaber hat die Karte stets bei sich zu führen lind darf dieselbe an andre Personen nicht verleihen. In folgenden Sätzen wäre dieser das richtige: der Rauch reflektirt das eindringende Licht, wodurch dasselbe dem Auge hellleuchtend erscheint — infolge schwerer Gewitter trat der Wildbach aus und wälzte ungeheure Schneemassen in die Limmat; dadurch wurde die¬ selbe in ihrem Laufe gehemmt — in Königsberg ließ Lenz seine Ode auf Kant, als derselbe die Professorwürde erlangte, drucken — in jeder Küche stand früher ein viereckiges Kästchen von Blech; dasselbe enthielt vier Gegen¬ stände, nnter andern eine Masse, die man Zunder hieß; dieselbe war her¬ gestellt u. s. w. — ich bin in der Lage, ein vollständiges Verzeichnis der Grenzboten I 18S» 53

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/425
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/425>, abgerufen am 23.07.2024.