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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Denkwürdigkeiten des Herzogs von Roburg

also die bestehende Richtschnur für die Regelung der Verhältnisse sei, oder
durch die Ereignisse überholt worden, also nicht zur Basis der Verhandlungen
ans den Konferenzen zu brauchen sei. "Er fügte hinzu, daß er hoffe, es werde
aus solchen Konferenzen nichts werden, und fragte, ob die Mehrheit an Bundes¬
tage dieselben wünsche, was der Herzog für unmöglich erklärte, da der
Bundestag seinerzeit gegen das Londoner Protokoll protestirt habe." Napoleon
bedauerte hieraus die Kriegführung der deutschen Großmächte gegen Dänemark
als unnütz, "da die politischen Ziele, die sie mit ihren militärischen Operationen
verfolgten, doch nie derartige fein würden, daß sie von dem Bunde und der
Bevölkerung Schleswig-Holsteins acceptirt werden konnten. In der nun fol¬
genden Wendung des Gesprächs schien vonseiten des Kaisers die Frage durch-
zuktinge", was denn jetzt eigentlich geschehen solle. In diesem Augenblicke
nahm sein Gesicht plötzlich den Ausdruck an, als ob in der Seele desselben
ein entscheidender Entschluß zum Durchbrüche gekommen sei. Er fügte: "Ah,
ich habe vergessen, Ihnen für da5 kleine Memoire zu danken." Se. Hoheit
erwiderte, daß er sich glücklich schätze, durch Darlegung seiner Ansichten zur
Orientirung des Kaisers beigetragen zu haben, worauf dieser wörtlich ent¬
gegnen: "Sie haben in den wenige!? Worten, die Sie nur gegeben haben, so
schlagend gezeichnet, was geschehen müßte, daß ich es acceptirt habe und bei
den Konferenzen in der angegebnen Weise Verfahren werde; ich fürchte aber
auf großen Widerspruch zu stoßen." Ans diese erfreuliche Erklärung des Kaisers
entgegnete Se. Hoheit, daß der Widerspruch Österreichs und Preußens, als
an sich unlogisch, doch leicht zu beseitige" sein müßte, indem die bisherige
Argumentation dieser Mächte gegen die Forderungen des Bundesund Schleswig-
Holsteins wesentlich auf das Festhalten Frankreichs um Vertrage von 1852
und um der daraus entspringenden Möglichkeit eines großen Krieges basire,
eine Eventualität, von der nicht die Rede sein könne, wenn Frankreich sich ans
die Seite Deutschlands stelle, indem dann England allein negierend dastände.
Lachend meinte hierauf der Kaiser: "Wahrscheinlich soll ich wieder den Rhein
erobern wollen; ich hoffe aber doch, daß man sich jetzt einmal von meiner
Friedensliebe überzeugt haben wird.""

Herzog Ernst unterließ es, über das Ergebnis seiner Pariser Bemühungen
in Berlin Mitteilung zu machen. Dagegen trug er kein Bedenken, in Wien
dem Phantome eines von Napoleon drohenden allgemeinen Krieges entgegen¬
zutreten. Über den Herzog Friedrich ließ er dorthin schreiben, der Kaiser
nehme an dessen Familie mehr Anteil, als er erwartet habe, und werde, wenn
der deutsche Bund ihn als Herzog von Holstein Proklnmire, ihn bereitwillig
anerkennen; die Schleswiger möchten sich dann über die Wünsche ihrer Natio¬
nalität aussprechen. Diese Mitteilungen wurden in Wien "unbequem ge¬
funden," von Gagern, an den sie gerichtet waren, und von Rechberg, der schon
vorher dem koburgischen Minister von Pawel "rundweg erklärt hatte, daß


Grenzboten I 52
Denkwürdigkeiten des Herzogs von Roburg

also die bestehende Richtschnur für die Regelung der Verhältnisse sei, oder
durch die Ereignisse überholt worden, also nicht zur Basis der Verhandlungen
ans den Konferenzen zu brauchen sei. „Er fügte hinzu, daß er hoffe, es werde
aus solchen Konferenzen nichts werden, und fragte, ob die Mehrheit an Bundes¬
tage dieselben wünsche, was der Herzog für unmöglich erklärte, da der
Bundestag seinerzeit gegen das Londoner Protokoll protestirt habe." Napoleon
bedauerte hieraus die Kriegführung der deutschen Großmächte gegen Dänemark
als unnütz, „da die politischen Ziele, die sie mit ihren militärischen Operationen
verfolgten, doch nie derartige fein würden, daß sie von dem Bunde und der
Bevölkerung Schleswig-Holsteins acceptirt werden konnten. In der nun fol¬
genden Wendung des Gesprächs schien vonseiten des Kaisers die Frage durch-
zuktinge», was denn jetzt eigentlich geschehen solle. In diesem Augenblicke
nahm sein Gesicht plötzlich den Ausdruck an, als ob in der Seele desselben
ein entscheidender Entschluß zum Durchbrüche gekommen sei. Er fügte: »Ah,
ich habe vergessen, Ihnen für da5 kleine Memoire zu danken.« Se. Hoheit
erwiderte, daß er sich glücklich schätze, durch Darlegung seiner Ansichten zur
Orientirung des Kaisers beigetragen zu haben, worauf dieser wörtlich ent¬
gegnen: »Sie haben in den wenige!? Worten, die Sie nur gegeben haben, so
schlagend gezeichnet, was geschehen müßte, daß ich es acceptirt habe und bei
den Konferenzen in der angegebnen Weise Verfahren werde; ich fürchte aber
auf großen Widerspruch zu stoßen.« Ans diese erfreuliche Erklärung des Kaisers
entgegnete Se. Hoheit, daß der Widerspruch Österreichs und Preußens, als
an sich unlogisch, doch leicht zu beseitige» sein müßte, indem die bisherige
Argumentation dieser Mächte gegen die Forderungen des Bundesund Schleswig-
Holsteins wesentlich auf das Festhalten Frankreichs um Vertrage von 1852
und um der daraus entspringenden Möglichkeit eines großen Krieges basire,
eine Eventualität, von der nicht die Rede sein könne, wenn Frankreich sich ans
die Seite Deutschlands stelle, indem dann England allein negierend dastände.
Lachend meinte hierauf der Kaiser: »Wahrscheinlich soll ich wieder den Rhein
erobern wollen; ich hoffe aber doch, daß man sich jetzt einmal von meiner
Friedensliebe überzeugt haben wird.«"

Herzog Ernst unterließ es, über das Ergebnis seiner Pariser Bemühungen
in Berlin Mitteilung zu machen. Dagegen trug er kein Bedenken, in Wien
dem Phantome eines von Napoleon drohenden allgemeinen Krieges entgegen¬
zutreten. Über den Herzog Friedrich ließ er dorthin schreiben, der Kaiser
nehme an dessen Familie mehr Anteil, als er erwartet habe, und werde, wenn
der deutsche Bund ihn als Herzog von Holstein Proklnmire, ihn bereitwillig
anerkennen; die Schleswiger möchten sich dann über die Wünsche ihrer Natio¬
nalität aussprechen. Diese Mitteilungen wurden in Wien „unbequem ge¬
funden," von Gagern, an den sie gerichtet waren, und von Rechberg, der schon
vorher dem koburgischen Minister von Pawel „rundweg erklärt hatte, daß


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[0417] Denkwürdigkeiten des Herzogs von Roburg also die bestehende Richtschnur für die Regelung der Verhältnisse sei, oder durch die Ereignisse überholt worden, also nicht zur Basis der Verhandlungen ans den Konferenzen zu brauchen sei. „Er fügte hinzu, daß er hoffe, es werde aus solchen Konferenzen nichts werden, und fragte, ob die Mehrheit an Bundes¬ tage dieselben wünsche, was der Herzog für unmöglich erklärte, da der Bundestag seinerzeit gegen das Londoner Protokoll protestirt habe." Napoleon bedauerte hieraus die Kriegführung der deutschen Großmächte gegen Dänemark als unnütz, „da die politischen Ziele, die sie mit ihren militärischen Operationen verfolgten, doch nie derartige fein würden, daß sie von dem Bunde und der Bevölkerung Schleswig-Holsteins acceptirt werden konnten. In der nun fol¬ genden Wendung des Gesprächs schien vonseiten des Kaisers die Frage durch- zuktinge», was denn jetzt eigentlich geschehen solle. In diesem Augenblicke nahm sein Gesicht plötzlich den Ausdruck an, als ob in der Seele desselben ein entscheidender Entschluß zum Durchbrüche gekommen sei. Er fügte: »Ah, ich habe vergessen, Ihnen für da5 kleine Memoire zu danken.« Se. Hoheit erwiderte, daß er sich glücklich schätze, durch Darlegung seiner Ansichten zur Orientirung des Kaisers beigetragen zu haben, worauf dieser wörtlich ent¬ gegnen: »Sie haben in den wenige!? Worten, die Sie nur gegeben haben, so schlagend gezeichnet, was geschehen müßte, daß ich es acceptirt habe und bei den Konferenzen in der angegebnen Weise Verfahren werde; ich fürchte aber auf großen Widerspruch zu stoßen.« Ans diese erfreuliche Erklärung des Kaisers entgegnete Se. Hoheit, daß der Widerspruch Österreichs und Preußens, als an sich unlogisch, doch leicht zu beseitige» sein müßte, indem die bisherige Argumentation dieser Mächte gegen die Forderungen des Bundesund Schleswig- Holsteins wesentlich auf das Festhalten Frankreichs um Vertrage von 1852 und um der daraus entspringenden Möglichkeit eines großen Krieges basire, eine Eventualität, von der nicht die Rede sein könne, wenn Frankreich sich ans die Seite Deutschlands stelle, indem dann England allein negierend dastände. Lachend meinte hierauf der Kaiser: »Wahrscheinlich soll ich wieder den Rhein erobern wollen; ich hoffe aber doch, daß man sich jetzt einmal von meiner Friedensliebe überzeugt haben wird.«" Herzog Ernst unterließ es, über das Ergebnis seiner Pariser Bemühungen in Berlin Mitteilung zu machen. Dagegen trug er kein Bedenken, in Wien dem Phantome eines von Napoleon drohenden allgemeinen Krieges entgegen¬ zutreten. Über den Herzog Friedrich ließ er dorthin schreiben, der Kaiser nehme an dessen Familie mehr Anteil, als er erwartet habe, und werde, wenn der deutsche Bund ihn als Herzog von Holstein Proklnmire, ihn bereitwillig anerkennen; die Schleswiger möchten sich dann über die Wünsche ihrer Natio¬ nalität aussprechen. Diese Mitteilungen wurden in Wien „unbequem ge¬ funden," von Gagern, an den sie gerichtet waren, und von Rechberg, der schon vorher dem koburgischen Minister von Pawel „rundweg erklärt hatte, daß Grenzboten I 52

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/417>, abgerufen am 23.07.2024.